Auf Nachfrage, warum gerade diese Gruppe ausgeklammert sei, lieferte da Gloria Martins eine durchaus brisante Erklärung: „Es besteht unbestritten ein sehr großes öffentliches Interesse an dieser Gruppe, nicht nur in ideologischen Randgruppen“, zitiert ihn die FAZ. Die Bürger wollten wissen, ob diese Personen „vermehrt Straftaten“ begehen, meinte der Sprecher. Und fügte hinzu, das Interesse komme „aus der Mitte der Gesellschaft, das können wir nicht ignorieren“.
„Wir wollen mit der Nennung der Nationalität dokumentieren, dass nichts vertuscht wird“, betonte da Gloria Martins. Klar werde bei Ansicht des Pressearchivs auch, dass Asylbewerber lange nicht so häufig in den Polizeiberichten auftauchten, „wie es von manchen Interessengruppen behauptet wird“. Zugleich räumte er ein, es handle sich um keine Lösung, die alle Seiten zufriedenstelle.
Kritik regte sich schnell - unter anderem vonseiten von Journalisten, jener Gruppe also, die mit den Angaben der Polizei arbeitet. „Wie soll euer Publikum denn wissen, ob diese Menschen ‚vermehrt Straftaten begehen‘, wenn ihr nur diese Gruppe heraushebt, alle anderen aber nicht?“, erkundigte sich Buzzfeed-Reporter Marcus Engert auf Twitter.
Correctiv-Chefredakteur Daniel Drepper warf der Polizei München gar vor, „bewusst und absichtlich“ Verzerrungen zu Ungunsten einer verletzlichen Bevölkerungsgruppe zu produzieren. In einem anderen Tweet wurde er drastischer: „Ich übersetze das mal: Weil die Leute rassistisch sind, hat die Polizei München beschlossen, diesen Rassismus mit ihren Pressemitteilungen noch weiter zu verstärken.“
Zu Wort meldeten sich aber bereits kurz nach Veröffentlichung des Interviews auch Münchner Kommunalpolitiker. Die SPD-Stadtratskandidatin Lena Odell etwa forderte von der Polizei eine tägliche Pressemitteilung „mit der genauen Anzahl ‚dieser Migranten‘, die an dem Tag keine Straftat begangen haben“. „Dafür interessiert sich meine ideologische Randgruppe, die normalen Leut“, twitterte sie mit sarkastischem Unterton.
„Alleine schon die Diskriminierung nach Einwanderungsjahr ist rechtswidrig“, monierte ein anderer User. Eine Kommentatorin forderte mit Blick auf das Interview in einem Tweet „deutschlandweite Vorschriften“. „Die Polizei München scheint ob der vielen Wünsche der vermeintlichen Mitte der Gesellschaft doch überfordert, wie eine neutrale Berichterstattung der staatlichen Exekutive aussehen sollte“, erklärte sie.
Tatsächlich gibt es zum Thema bereits eine - wenn auch vage - Richtlinie. Im Pressekodex heißt es, die Erwähnung der Zugehörigkeit zu einer Minderheit dürfte nicht „zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens“ führen. „Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse.“
Der Pressekodex ist allerdings zum einen nur eine freiwillige Selbstverpflichtung. Zum anderen gilt er in erster Linie für Medien und nicht für die Polizei. Gefragt sein könnte also tatsächlich die Politik. Denn die Abwägung zwischen „begründetem öffentlichem Interesse“ und einer drohenden „diskriminierenden Verallgemeinerung“ - sie ist offensichtlich keine ganz triviale.
Mittlerweile haben zumindest mehrere Landespolizeien klare Richtlinien erlassen. In Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen soll künftig stets die Nationalität von Tatverdächtigen mitgeteilt werden. Nordrhein-Westfalen plante zuletzt an einer solchen Regelung.
Damit wäre immerhin ein klares Gesamtbild ohne „Verzerrungen“ garantiert. Auch, wenn die Frage bleibt, ob die Vorteile die Nachteile dieser Praxis überwiegen. Einen Überblick über die Verteilung von Straftaten und Bevölkerungsgruppen bieten schließlich auch die amtlichen Kriminalitätsstatistiken. Die geben auch detaillierteste Informationen her - teils mit überraschenden Ergebnissen für Anfragesteller.
fn
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