1. Startseite
  2. Politik

AfD ermöglicht politisches Beben in Thüringen - Ministerpräsident Ramelow verpasst Wiederwahl

KommentareDrucken

Ministerpräsident Bodo Ramelow ist mit der Wiederwahl zum Landeschef Thüringens gescheitert
Ministerpräsident Bodo Ramelow ist mit der Wiederwahl zum Landeschef Thüringens gescheitert. © dpa / Martin Schutt

Es ist eine Entwicklung, deren Schockwellen weit über Thüringen hinaus zu spüren sein werden: Gut dreieinhalb Monate nach der Landtagswahl ist der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt worden.

Erfurt - Politisches Beben in Thüringen: Bei der Wahl zum Ministerpräsidenten ist der FDP-Politiker Thomas Kemmerich zum Regierungschef gewählt worden. Er setzte sich bei der Abstimmung am Mittwoch im Landtag in Erfurt im entscheidenden dritten Wahlgang auch mit Stimmen von CDU und der AfD von Parteichef Björn Höcke gegen den bisherigen Amtsinhaber Bodo Ramelow (Linke) durch. 

Der von der AfD aufgestellte parteilose Kandidat Christoph Kindervater erhielt im dritten Wahlgang keine Stimme (unser Ticker mit allen Entwicklungen).

Thüringens neuer Ministerpräsident: Entscheidung im dritten Wahlgang

Die Entscheidung zwischen Kemmerich und Ramelow fiel denkbar knapp aus. Auf den bisherigen Regierungschef entfielen 44 Stimmen, Kemmerich erhielt eine Stimme mehr. Es gab eine Enthaltung. Der Erfurter Politikwissenschaftler André Brodocz sagte im Anschluss im MDR: „Das ist das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass ein Ministerpräsident mit den Stimmen der AfD ins Amt gewählt wurde.“

Thomas Kemmerich (Portrait von Merkur.de*) ist erst der zweite Ministerpräsident der FDP in der Geschichte der Bundesrepublik. Der liberale Politiker Reinhold Maier war von 1945 bis 1952 Ministerpräsident von Württemberg-Baden und dann von April 1952 bis September 1953 Regierungschef des neuen Bundeslandes Baden-Württemberg. Zu Kemmerichs Wahl äußerte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel jedoch mit ungewohnt drastischen Worten*. Sie stellt nun eine deutliche Forderung.

Dabei hatte die Thüringer FDP den Einzug ins Parlament bei der Landtagswahl 2019 nur äußerst knapp geschafft und die Fünf-Prozent-Hürde um gerade mal 73 Stimmen übersprungen. Bodo Ramelows angepeiltes Bündnis von Linke, SPD und Grünen* verfügte nach dem Urnengang nur noch über 42 von 90 Mandaten im Landtag. Christdemokraten und Liberale hatten kategorisch ausgeschlossen, mit der von Fraktionschef Björn Höcke geführten AfD zusammenzuarbeiten. Gemeinsam kommen die drei Fraktionen auf 48 Sitze.

Thüringen-Wahl: Thomas Kemmerich (FDP) erst ab Runde drei dabei

Bodo Ramelow hatte eigentlich eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung* in Thüringen unter seiner Führung angepeilt. Wegen der fehlenden Mehrheit hatte auch die AfD mit dem parteilosen Kindervater einen eigenen Kandidaten ins Rennen geschickt. Nachdem Ramelow in den beiden ersten Wahlgängen die absolute Mehrheit verfehlt hatte, warf Kemmerich gemäß den Regularien im dritten Wahlgang ebenfalls seinen Hut in den Ring - ein bereits im Vorfeld denkbares Szenario*, das schließlich Realität werden sollte.

Im Netz kursieren zahlreiche Postings, welche die „Zusammenarbeit“ zwischen FDP und AfD spitzfindig aufs Korn nehmen. Beispielsweise ein Vorschlag, das Logo der FDP ein wenig umzumodeln:

Viel drastischer beurteilen andere User die jüngste Entwicklung in Thüringen. Politiker wählen kritische Worte angesichts der Tatsache, dass sich der Freie Liberale Kemmerich mit Hilfe der AfD ins Amt des Ministerpräsidenten gehievt hat:

Landesregierung Thüringen: Vertrag von Linke, SPD und Grüne hinfällig

Naturgemäß wird auch der FDP-Vorsitzende Christian Lindner von der Kritik nicht ausgenommen:

Nach der perfiden Wahl zum Ministerpräsidenten hagelt es auch aus dem politischen Spektrum Kritik aus der ganzen Republik. Der neue Amtsinhaber wird von einer Linken-Politikerin mit einer Geste diskreditiert.

Ramelow war seit 2014 Regierungschef des Freistaats und der erste Ministerpräsident der Linken in Deutschland. Doch obwohl seine Partei mit 31 Prozent die Wahl im Herbst 2019 klar gewonnen hatte, ging die Mehrheit der bisherigen Regierung von Linke, SPD und Grünen verloren. Am Dienstag hatten die drei Parteien bereits einen neuen Regierungsvertrag unterschrieben.

PF/dpa

*Merkur.de ist ein Angebot des bundesweiten Ippen Digital Redaktionsnetzwerks

Auch interessant

Kommentare