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Trumps #ProudBoys gekapert - Unter diesem Hashtag findet man plötzlich etwas ganz anderes

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15.08.2020, USA, Kalamazoo: Mitglieder der rechtsextremen Gruppe Proud Boys treffen in der Innenstadt auf einen Gegenprotestanten.
Mitglieder der rechtsextremen Gruppe „Proud Boys“ treffen in der Innenstadt von Kalamazoo am 15. August 2020 auf einen Gegendemonstranten. (Archivbild) © MLive Media Group/ AP/ dpa/ Picture Alliance

Gewaltbereit und rechtsextrem sind die Mitglieder der „Proud Boys“. In den USA machen sie Stimmung gegen Minderheiten und unterstützen Trump - auf Twitter dreht sich der Spieß jetzt um.

Washington- Sie sind chauvinistisch, homophob und rechtsextrem - und zudem stolz darauf. In den USA haben sich Männer mit Hang zu Gewalt und Brutalität zu einer ultrarechten Gruppierung zusammengeschlossen. Sie nennen sich die „Proud Boys“, was übersetzt so viel wie „stolze Jungs“ bedeutet. Die Rechtsextremen bekommen immer wieder Aufwind durch US-Präsident Donald Trump. Nicht zum ersten Mal hat er sie im vergangenen TV-Duell mit Herausforderer Joe Biden direkt adressiert und auf die Frage, ob er sich von rassistischen Gruppen distanziere, geantwortet: „Proud Boys - haltet euch zurück und haltet euch bereit.“

Video: Donald Trump und die „Proud Boys“

Trumps Appell verschaffte den rechtsextremen „Proud Boys“, die zuletzt gegen die „BlackLivesMatter“-Bewegung nicht nur verbal Stimmung machten, erneut Gehör. Er rief aber auch ihre Gegner auf den Plan. Während die „Proud Boys“ versuchten unter dem gleichnamigen Hashtag auch in den sozialen Netzwerken die Menschen für ihre Zwecke zu mobilisieren, liefert die Internet-Gemeinde jetzt auf ihre ganz eigene Weise einen Konter. Wer auf Twitter nach dem Hashtag #ProudBoys sucht, findet plötzlich kaum mehr Inhalte der ultrarechten Bürgermiliz - ganz im Gegenteil.

Twitter-Nutzer bieten „Proud Boys“ und Trump Paroli

Es sind Homosexuelle, die gleichgeschlechtliche Liebe offen leben und auf Twitter zelebrieren. Unter dem besagten Hashtag finden sich immer mehr Bilder, Memes und Videos, die repräsentieren sollen, wer die wahren „stolzen Jungs“ einer diversen Gesellschaft sind. Als einer der ersten sprang „Star Trek“-Schauspieler George Takei auf den Zug auf - und machte ihn via Twitter vielleicht sogar zum Trend. Seit vergangenem Wochenende sind nämlich Zehntausende Takeis Beispiel gefolgt: Toleranz, Respekt, Liebe und Stolz fordern die Twitter-Nutzer fortan unter dem Hashtag #ProudBoys.

Inzwischen kann wahrlich von einer Flut an Tweets die Rede sein, sodass sich der Such-Algorithmus von Twitter momentan wohl durchaus zu Gunsten der LGBT-Bewegung verändert hat. Weder Bilder bewaffneter, aggressiver Männer noch Tweets von extremstem Gedankengut finden sich noch unter dem Hashtag #ProudBoys. Die Inhalte sind jetzt schrill, bunt und voller Regenbogen-Flaggen. Dabei leben viele Memes geradezu vom starken Kontrast zwischen den rechten Ultras und der feiernden Gay-Szene.

Doch nicht nur liberale Journalisten und Künstler setzen immer wieder Tweets unter dem Hashtag #ProudBoys ab. Inzwischen sind es auch Politiker, die im Wahlkampf gegen den amtierenden US-Präsidenten Donald Trump Stellung beziehen. So postete der Demokrat und Biden-Unterstützer Jon Cooper ein Urlaubsbild von seiner Familie auf Twitter und bezeichnete sich selbst und seinen Ehemann Rob als „ProudBoys“. Und Cooper setzt damit auch ein eindeutiges politisches Statement gegen Trump als Person - wird dieser doch nicht nur als konservativ, sondern immer wieder auch als rassistisch und homophob kritisiert.

Der Großteil der Mitglieder der rechtsextremen „Proud Boys“ gilt als harter Unterstützer Trumps, hat dieser doch schon mehrere Entscheidungen zu Ungunsten sexueller Minderheiten getroffen: Seit 2017 dürfen Transgender laut einem langwierig erwirkten Urteil des Supreme Court keinen Militärdienst mehr leisten. Weitere Maßnahmen zu ihrer Diskriminierung am Arbeitsplatz hat der Republikaner bereits geplant.

Trump hat zudem zahlreiche Richterstellen neu besetzt: Von den 53 Nominierten sei jeder Dritte bereits durch homophobe Tendenzen aufgefallen. Dies analysierte die Menschenrechtsorganisation Lambda Legal 2019 für die LGBT. Auch die, jüngst von Trump als Kandidatin für eines der höchsten Richterämter des Landes vorgeschlagene, Amy Coney Barrett gilt ebenfalls als erzkonservativ, da sie Ehe und Familie ausschließlich „als Versprechen zwischen einem Mann und einer Frau“ begreift.

„Proud Boys“ gegen Frauen, Transgender und Einwanderer - Twitter-Nutzer kontern

Selbst beschreiben sich die „Proud Boys“ als „westliche Chauvinisten, die sich (...) nach den Tagen zurücksehnen, an denen Mädchen Mädchen waren und Männer Männer.“ Viele ihrer vermutlich hunderten Anhängern seien nicht nur antisemitisch und glaubten an die White Supremacy“ („Weiße Vorherrschaft“), sondern auch feindlich gegenüber Frauen, Transgendern, Einwanderern und den Islam eingestellt. Davon und, dass die „Proud Boys“ jedweder Toleranz für diverse Lebensstile und andere Kulturen entsagen, berichtet die US-Menschenrechtsorganisation Anti-Defamation League (ADL), während Amnasty Ireland in einem Video die „neuen“, bunten #ProudBoys zeigt.

Die virtuellen Solidaritätsbekundungen mit den - von der rechtsextremen Gruppe „Proud Boys“ immer wieder diffamierten - LGBT-Gemeinde nehmen noch immer nicht ab. Nicht nur Menschenrechtsorganisationen melden sich zu Wort, auch immer mehr Privatmenschen setzen sich mit dem Hashtag für Toleranz und Respekt ein. Eine Twitter-Nutzerin schreibt „Was auch immer sie tragen, wie auch immer ihre Hautfarbe sein mag, wie viel auch immer sie verdienen, wen sie heiraten, zu wem sie beten, welche Sprache sie auch sprechen - es sind liebe, rechtschaffende und großzügige Menschen“ unter einen Tweet kanadischer Streitkräfte, die in den USA stationiert sind. Unter dem Hashtag #ProudBoys haben sie eine Regenbogenflagge und ein Foto zweier sich küssender Männer in Uniform geteilt.

Der „neue“ Hashtag #ProudBoys ist also immer auch ein politisches Statement und richtet sich nicht nur gegen die gleichnamige, rechtsextreme Gruppierung, sondern auch gegen den US-Präsidenten persönlich. So adressierten einige Twitter-Nutzer ihre Tweets auch direkt an Donald Trumps Konto, was dieser unkommentiert lässt. Die Konten der „Proud Boys“ und ihres Anführers Gavin McInnes wurden ohnehin bereits 2018 nach einer Hassrede von Twitter, Instagram und Facebook gelöscht. (cos) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.

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