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Trump zerschlägt Obamas Guantánamo-Plan - Eine Passage lässt aufhorchen

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Die „State of the Union“ des US-Präsidenten wurde mit Hochspannung erwartet. Optimistisch wollte Trump sich geben, als einer für alle. Aber auch nicht zu milde, ausreichend hart. Er hat geliefert.

Washington - Gütiger Patriot, Retter der Wirtschaft, aufrechter Commander-in-Chief: In der Nacht zum Mittwoch hat Donald Trump den strahlenden Landesvater mit strenger Hand gegeben - als ein Präsident mit milden Seiten, als einer für alle. Einerseits. In all das wohlige Sonnen im Erreichten und das leuchtende Schildern einer gemeinsamen Zukunft aber baute er eine knallharte Nachricht: Guantánamo Bay, das Gefangenenlager auf Kuba, es bleibt offen. Wieder ein Stück Erbe des Vorgängers Barack Obama, das er zurückgedreht hat. Es war eine Rede des weitgespannten Einerseits, Andererseits.

Trump, so wurde es seit Tagen gestreut, wollte sich in dieser Rede auch davon wegbewegen, was er seit Amtsantritt im Januar 2017 für viele dargestellt hatte. Er wollte sein erstes Jahr hinter sich lassen, einen befreienden Blick auf die nächsten drei werfen. Mögen ihm Aktienkurse auf Rekordhoch auch neuer Nektar sein statt der miesen Umfragen - Trump hat so schlechte Zustimmungsraten, dass er etwas tun muss.

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Trump will gegen Drogenkrise ankämpfen

Ein schwieriger Balanceakt. Denn seine hartgesottenen Fans durfte Trump nicht verprellen, er braucht seine Basis ebenso zwingend wie er sie andererseits erweitern muss. Im November stehen die Kongresswahlen an, sie haben über 2018 hinaus immense Bedeutung, und für die Republikaner sieht es gerade nicht so gut aus. Das hieß für diese Rede: Hand ausstrecken, väterliche Milde zeigen, Populismus allenfalls in Dosen - einerseits. Auf der anderen Seite dürfte er sich ja nicht zu weich zeigen und nicht zu viel als „traditioneller“ Politiker, denn dafür war er bestimmt nicht gewählt worden.

Trump appellierte an vieles, was irgendwie alle unterschreiben können: Ja zu Investitionen in die Infrastruktur, den Kampf gegen die Drogenkrise, Ja zu Kindern und Arbeitsplätzen, Nein zu Kriminalität und auch zu allem Zwist. Die Mühen der Gesetzgebung und des zerrissenen Kongresses, sie sind in einer solchen Rede sehr fern.

Trump nimmt Obamas Erlass kühl zurück

Anders als in seiner tiefschwarzen Antrittsrede vor einem Jahr war nun von einem „amerikanischen Massaker“ in den Städten des Landes keine Rede mehr, wärmender Patriotismus statt abschreckendem „Blutbad“, Appelle an Größe, Stärke und Stolz. Amerika, es sei wieder da: „Dies ist unser neuer amerikanischer Augenblick“, sagte Trump, und reckte das Kinn.

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Aber auch die konservative Kernklientel bekam in dieser 80-minütigen Breitband-Präsentation ihr Futter, und nicht zu knapp. Guantánamo war dabei sicher der größte Brocken. Zu dem Lager auf Kuba hatte Obama in seiner letzten State of the Union gesagt: Es sei teuer, es sei unnötig und es diene den Feinden der USA nur als „Rekrutierungsbroschüre“. 

Verteidigungsminister soll Gefangene nun doch verlegen können

Die Verfahren stocken aber seit Jahren. 26 Insassen wurden nie angeklagt. Die US-Regierung will sie aber nicht gehen lassen, weil sie die Männer für zu gefährlich hält. Die Beweise reichen aber nicht aus für eine Anklage oder wurden durch Folter erlangt. Fünf weitere Häftlinge waren unter Obamas Regierung zur Entlassung freigegeben worden. Dies wurde jedoch nicht mehr umgesetzt.

Trump hatte sich vor seinem Amtsantritt dafür ausgesprochen, keine Gefangenen mehr zu entlassen. Im neuen Erlass wird Verteidigungsminister Mattis die Möglichkeit eingeräumt, Insassen zu verlegen, wenn dies „angemessen“ sei. Zugleich heißt es darin, dass die USA zusätzliche Häftlinge nach Guantánamo verlegen könnten, „wenn dies rechtmäßig und notwendig zum Schutz der Nation ist“. Manche Experten bezweifeln aber, dass dies tatsächlich so kommt. Der Widerstand dürfte groß sein, rechtlich wären neue Inhaftierungen anfechtbar.

Das Gefangenenlager Guantánamo bleibt offen.
Das Gefangenenlager Guantánamo bleibt offen. © dpa

Darin schließt Trump auch nicht aus, neue Insassen in das Gefängnis zu schicken. Ob es aber tatsächlich dazu kommt, ist fraglich.

Allzu sehr Ausrichter eines amerikanischen Volksfestes wollte Trump dann doch nicht sein. Das „Amnesty-Joe“-Schild, das ihm rechte Medien wie Breitbart wegen einer vermeintlich zu weichen Haltung in Sachen Immigration umgehängt hatte, war wohl Mahnung genug. Also beließen es Trumps Redenschreiber hier bei wolkigen Allgemeinplätzen, bauten auch da den amerikanischen Arbeiter ein, um den sich unter Trump ja alles drehen soll.

Trump ist ein geübter Darsteller, er tritt gerne auf, die Rede selbst lief glatt und ohne jedes Problem. „Wir alle zusammen!“, rief der Mann, dem Spalten und Egozentrik vorgeworfen wird wie wenigen anderen. Auch „ein Team, ein Volk, eine amerikanische Familie“ ging ihm leicht von den Lippen. Das Schwierige aber kommt nach dieser Vorstellung. Wie sehr wird er den Punkten seiner Rede folgen können und wollen - und wie lange? Wann folgen die ersten aggressiven Tweets, gebellte Angriffe, offene Verachtung?

Trump beharrt auf Mauer zu Mexiko

Eine Expertenrunde des Brookings Instituts hatte zuvor schon nüchtern einsortiert: „„State of the Union“ sind meistens sehr, sehr schlechte Reden, an die in den USA aber monströse Erwartungen geknüpft werden.“

Die Nacht zum Mittwoch war mehr Trump, der Gewinner, als Trump, der Kämpfer. So präsidial wie irgend möglich. Er strahlte, drückte den Rücken durch, klatschte immer wieder selbst. Gab sich als Lordsiegelbewahrer der Sicherheit seines Landes, der auf seiner Mauer zu Mexiko beharrt und auf „Amerika zuerst“: „Lasst uns endlich zusammen kommen“, aber bitte unter seiner harten Hand als Commander in Chief. Und man werde nicht mehr viel Geduld haben, sagte Trump, anders als die Vorgängerregierungen.

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US-Wirtschaft voll im Soll

Die Demokraten verfolgten all das verkniffen, schweigend, mürrisch. Das ist keine Nacht der Opposition.

Die US-Wirtschaft läuft prima, das konnte Trump gar nicht genug betonen. Was der strahlende Steuersenker nicht erwähnte: 2017 schufen die USA nur zwei Millionen neue Jobs, das ist der niedrigste Wert seit 2010 nach der Rezession. Und auch eine vielfach ausgerufene „Rettung der Kohleindustrie“ wird von keiner Zahl belegt. Während die meisten Amerikaner von steigenden Aktienkursen gar nichts haben, verschiebt Trump die Gewichte mit Macht von Arbeitnehmern zu Arbeitgebern.

Melania Trump bei der „State of the Union“.
Melania Trump bei der „State of the Union“. © AFP

„State of the Union“ sind traditionell viel weniger Außenpolitik als Botschaft und Balsam für die amerikanische Seele. Nordkorea und den Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat erwähnte Trump nur kurz, Bündnisse noch kürzer, Europa gar nicht. Dafür baute Trump einen Kniff Ronald Reagans aufs Breiteste aus: Auf der Tribüne saßen geladene Gäste, die er immer wieder direkt ansprach.

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Melania stärkte Trump den Rücken

Polizisten, Soldaten, Adoptiveltern des Kindes einer Drogensüchtigen, die Eltern des aus Nordkorea todkrank ausgeflogenen Amerikaners Otto Warmbier, ein nordkoreanischer Flüchtling. Dergestalt personalisiert verschmelzen Heroik und Tragik zu uramerikanischen Momenten. Und das Fernsehen hat willkommene Abwechslungen während einer langen Rede.

Melania, heute First Lady in schimmerndem Weiß, erhob sich zu alldem ein ums andere Mal. Mit donnerndem Applaus war sie empfangen worden, getrennt von ihrem Mann im Kongress erschienen. An ihrer statt fuhr Stabschef John Kelly mit Trump vom Weißen Haus zum Kongress. Für Getuschel war an diesem Abend aber kein Platz. Trump lieferte den Seinen, dafür feierten sie ihn. Stolz nahm er die laute Parade ab.

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dpa, Video: Glomex

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