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Handgranaten-Anschlag auf Flüchtlingsheim: Neue Erkenntnisse

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Granate, Flüchtlingsheim, Villingen-Schwenningen
Unbekannte haben im badischen Villingen-Schwennigen eine Granate auf ein Flüchtlingsheim geworfen. © dpa

Villingen-Schwenningen - Unbekannte haben in der Nacht zum Freitag einen Anschlag mit einer Handgranate auf eine Flüchtlingsunterkunft in Villingen-Schwenningen verübt. Jetzt gibt es dazu neue Erkenntnisse.

Nach dem Handgranaten-Angriff auf eine Flüchtlingsunterkunft in Villingen-Schwenningen haben Politiker zu einem entschlossenen Vorgehen gegen ausländerfeindliche Gewalt aufgerufen. Unbekannte hatten kurz nach ein Uhr in der Nacht zu Freitag eine geladene Granate von der Straße aus in eine Zufahrt des Geländes der Unterkunft auf die Unterkunft in Baden-Württemberg geworfen, berichtete Rolf Straub von der neu gebildeten Soko „Container“ auf einer Pressekonferenz am Freitag. Die Granate sei daraufhin an einem Sicherheitszaun abgeprallt und neben einem Container des Sicherheitsdienstes liegengeblieben. Darin hielten sich nach Auskunft von Klemens Ficht vom Regierungspräsidium Freiburg zur Tatzeit drei Sicherheitsleute auf. 

Die Granate, die der Polizei zufolge mit Sprengstoff gefüllt war, explodierte jedoch bei dem Anschlag  nicht, demnach wurde niemand verletzt, es entstand auch kein Sachschaden an der Erstaufnahmestelle. Ob der Container die Mitarbeiter bei einer Detonation geschützt hätte, könne man noch nicht sagen, sagte Dietmar Schönherr von der Kriminaldirektion Rottweil. Splitter der Granate hätten beispielsweise durchs Fenster schlagen können. „Das hätte zu schweren Verletzungen oder auch zum Tode der Personen führen können.“

War die Granate scharf?

Vom Sicherheitspersonal der Unterkunft herbeigerufene Spezialisten des Landeskriminalamtes (LKA) brachten die Granate um fünf Uhr morgens kontrolliert zur Explosion.

Unklar blieb zunächst, ob ein Zünder eingebaut war. Dies sei die "entscheidende Weichenstellung", sagte der zuständige Konstanzer Oberstaatsanwalt Johannes-Georg Roth. Wenn dieser vorhanden sei und die Granate nur wegen eines technischen Defekts nicht gezündet habe, "stehen schwerste Verbrechen im Raum". 

Die Polizei ermittelt nach eigenen Angaben zunächst in alle Richtungen. Ein Schwerpunkt ist demnach dabei die Möglichkeit eines fremdenfeindlichen Hintergrunds. Geprüft wird aber auch, ob der Container des Sicherheitspersonals getroffen werden sollte.

Maas: "Nicht abwarten, bis es die ersten Toten gibt"

Justizminister Maas erklärte zu dem Anschlag, das "Ausmaß der

Der leitende Kriminaldirektor Andreas Stenger vom baden-württembergischen LKA mit einer Handgranate M52 aus dem ehemaligen Jugoslawien. Mit einem Exemplar dieser Bauart war der Terror-Anschlag auf die Flüchtlingsunterkunft verübt worden.
Der leitende Kriminaldirektor Andreas Stenger vom baden-württembergischen LKA mit einer Handgranate M52 aus dem ehemaligen Jugoslawien. Mit einem Exemplar dieser Bauart war der Terror-Anschlag auf die Flüchtlingsunterkunft verübt worden. © dpa

Gewalt" sei "erschreckend". Er hob hervor: "Wir können alle nur dankbar sein, dass dieses Mal niemand verletzt wurde." Ein Sprecher des Justizministeriums sagte, Maas habe die Landesjustizminister für den März nach Berlin eingeladen, um über eine bessere Strafverfolgung ausländerfeindlicher Gewalt zu diskutieren. "Sprengkörper auf Flüchtlingsheime fliegen heute schon, wir dürfen nicht abwarten, bis es die ersten Toten gibt", sagte Maas.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sprach von einem "feigen" Angriff. Die Attacke sei "inakzeptabel", sagte de Maizière dem Sender N24. Er setze nun auf schnelle Ermittlung und eine Anklage gegen die Urheber des "infamen" Angriffs.

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter erklärte, Deutschland müsse "diesen neuen rechten Terror sehr ernst nehmen". Die Gewalt gegen Zuwanderer habe in den vergangenen Monaten eine "neue Qualität erreicht", gegen die es entschlossen vorzugehen gelte. Dazu gehöre auch, genauer hinzuhören, "wer mit welchen Parolen dem Rechtsextremismus in Deutschland Vorschub leistet", mahnte Hofreiter. Vorurteile gegen Flüchtlinge zu schüren bereite den Nährboden für rechte Gewalt.

Bernd Riexinger, Vorsitzender der Linkspartei, forderte von Baden-Württembergs Landesregierung eine Erklärung, wie es möglich sei, Handgranaten zu besitzen und "ungehindert zum Einsatz zu bringen". Er konstatierte, die Flüchtlingsdebatte habe ein "erschreckendes Ausmaß menschenverachtendem Gedankenguts bis in die Mitte der Gesellschaft hinein offenbart".

Pistorius: Handgranatenwerfer ist "Terrorist"

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) sagte "Spiegel Online", Handgranaten seien "Kriegswaffen". Wer diese gegen Flüchtlingsunterkünfte werfe, sei ein "Terrorist". Den Tätern gehe es darum, ohne Rücksicht auf Menschenleben Angst und Schrecken zu verbreiten. Politik und Gesellschaft seien deshalb gefordert, sich klar dagegen zu positionieren.

Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler, sagte dem Sender "SWRinfo", die Polizei brauche eine deutliche Aufstockung, um dem Anstieg rechter Gewalt entgegenzutreten. Das sei allein daran zu erkennen, dass seine Kollegen "im Januar so viele Überstunden aufbauen werden wie in den vergangenen zehn Jahren nicht". Er versicherte jedoch, dass jede Spur intensiv verfolgt werde.

Herrmann sieht „neue schreckliche Dimension“

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hat nach dem Handgranaten-Anschlag von Villingen-Schwenningen vor einer Eskalation rechter Kriminalität gewarnt. „Der Wurf einer Handgranate ist eine neue schreckliche Dimension ausländerfeindlicher Gewalt“, sagte der CSU-Politiker der „Augsburger Allgemeinen“ (Samstag). Herrmann betonte, die Sicherheitsbehörden müssten gegenüber ausländerfeindlichen Straftätern „null Toleranz“ zeigen. „Wir dürfen nicht dulden, dass Menschen, die bei uns Asyl suchen, Angst vor Gewalt haben müssen oder Opfer von Gewalt werden.“

Anschlag mit Handgranate auf Flüchtlingsheim

AFP/dpa

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