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US-Wahl: Staaten streben bahnbrechende Änderung an - so wäre Trump nie Präsident geworden

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Bei der Wahl des US-Präsidenten gewinnt längst nicht immer der Kandidat mit den meisten Stimmen. Das wollen diverse Bundesstaaten ändern - sie scheinen auf einem guten Weg zu sein.

Denver/München - Joe Biden* hat bei der US-Wahl 4,5 Millionen Stimmen mehr auf sich vereint als Amtsinhaber Donald Trump*. Dennoch musste der Herausforderer tagelang darum bangen, ob er vier Jahre nach dem Ende seiner Vizepräsidentschaft ins Weiße Haus zurückkehren würde.

Und das hängt mit dem oft diskutierten und Jahrhunderte überdauernden indirekten Wahlsystem zusammen, nachdem in jedem der 50 Bundesstaaten letztlich Wahlleute als Vertreter der Bevölkerung abstimmen. Was wiederum nach dem ur-amerikanischen Motto „The winner takes it all“ geschieht.

US-Wahl vor Reform? Bush und Trump setzten sich mit weniger Stimmen als der Konkurrent durch

So behauptete sich George W. Bush 2000 höchst umstritten und mit 540.000 Stimmen weniger als Al Gore. Bei Trumps Wahl vor vier Jahren hatte dessen Konkurrentin Hillary Clinton sogar 2,9 Millionen Stimmen mehr angesammelt. Genutzt hat es ihr letztlich nichts - wegen der unglücklichen Verteilung unter den diversen Bundesstaaten.

Womöglich könnte die Präsidentschafts-Wahl 2016 aber die letzte gewesen sein, in der der Sieger - oder in diesem Fall die Siegerin - des Popular Vote* letztlich als Verlierer(in) dasteht. Denn mittlerweile haben sich laut NBC fast ein Drittel der Bundesstaaten dafür ausgesprochen, das Staatsoberhaupt per Popular Vote - also nach absoluter Mehrheit aller Stimmen - wählen zu lassen.

US-Wahl vor Reform? Colorado unterstützt als 15. Staat den „National Popular Vote Interstate Compact“

Colorado* schloss sich als 15. Staat dem „National Popular Vote Interstate Compact“ an. Hinzu kommt der District of Columbia. Der Phalanx gehören mit Washington, Oregon und Kalifornien alle Westküsten-Staaten an, dazu Colorado und New Mexico aus dem Mittleren Westen, von den Ostküsten-Staaten sind Massachusetts, Rhode Island, Connecticut, New York, New Jersey, Delaware und Maryland dabei, dazu Illinois, Vermont und Hawaii.

Zusammen kommt dieses Bündnis auf 196 Wahlmänner. Möglicherweise folgt auch Virginia*, das über 13 Wahlleute verfügt, diesem Weg - hier wird eine Entscheidung nach der Präsidentschaftswahl erwartet. Auffällig: Alle diese Staaten gingen jüngst an Biden.

Donald Trump schaut bei einer Rede schräg nach hinten in den Himmel
Eine Entscheidung per Popular Vote dürfte ihm nicht schmecken: US-Präsident Donald Trump bekam bei den US-Wahlen 2016 und 2020 weniger Stimmen als seine demokratischen Widersacher. © Mandel Ngan/afp

US-Wahl vor Reform? Für wirklichen Popular Vote braucht Staatenbund 270 Wahlleute

Um einen wirklichen Effekt zu erreichen, müssten die Popular-Vote-Staaten jedoch die Mehrheit von 270 Wahlmännern garantieren. Denn in diesem Fall könnte der Zusammenschluss einfach die Wahlleute ins Electoral College* entsenden, die die Mehrheit der unter ihrer Bevölkerung abgegeben Stimmen repräsentieren.

So hätte entweder der Demokrat* oder der Republikaner* auf einen Schlag die benötigte Anzahl der Wahlleute auf seiner Seite. Folglich hätten die Ergebnisse in den anderen Staaten keinerlei Auswirkung mehr auf den Ausgang.

US-Wahl vor Reform? Colorado bringt Popular-Vote-Gesetz mit 14 Jahren Anlauf ein

Bis dahin könnte es jedoch noch ein weiter Weg sein. Denn es hat sich längst Widerstand formiert. So wurde in Colorado bereits 2006 versucht, ein entsprechendes Popular-Vote-Gesetz einzubringen. Was jedoch mehrmals scheiterte.

Erst im vergangenen Jahr unterzeichnete der demokratische Gouverneur Jared Polis die neue Regelung. Doch eine Petition, der 227.000 Bürger folgten, führte zu einem Referendum, in dem eine knappe Mehrheit für die Änderung stimmte.

Ein Mann hält ein Schild mit der Aufschrift „Jede Stimme zählt“ hoch
Die Botschaft dieser US-Wahl: Jede Stimme soll zählen - und nach Hoffnung vieler Bundesstaaten bald auch in gleichem Maße. © MARK MAKELA/afp

US-Wahl vor Reform? „Das entreißt uns die Souveränität unseres Bundesstaates“

Der Republikaner Don Wilson aus Colorado etwa warnt angesichts der aktuellen Entwicklung: „Ich würde sagen, das entreißt uns die Souveränität unseres Bundesstaates, der somit keine unabhängige Stimme mehr hätte.“ Die Präsidentschaftswahl sei „die einzige, in der die staatliche Souveränität und die Bevölkerung gemeinsam eine Stimme haben“.

Zudem befürchten Kritiker, dass sich die Bewerber um das höchste Amt im Staat im Falle des Popular Vote komplett auf die Großstädte konzentrieren würden - und diese sind oftmals demokratisch geprägt. Folglich könnten sich die Menschen auf dem Land wieder deutlich benachteiligt oder sogar missachtet fühlen - weshalb sich die dort lebenden Bevölkerungsteile überwiegend in Trumps Arme flüchteten.

US-Wahl vor Reform? Popular-Vote-Befürworter erwarten Wahlkampf für das ganze Land

Diese Befürchtung der Fokussierung auf die Ballungszentren wischen die Popular-Vote-Befürworter jedoch weg. Laut dem Informatiker John Koza, der zu den Vorreitern der Bewegung zählt, sollte sich an den Wahlkämpfen der Kandidaten nichts ändern, außer dass sie sich auf das ganze Land konzentrieren würden.

Sylvia Bernstein, Colorados Koordinatorin der Koalition für den National Popular Vote, erwartet, dass sich die Bewerber um den Einzug ins Weiße Haus* nicht mehr nur auf die umkämpften Swing States* ausrichten werden: „Diesmal haben sich beide Kandidaten auf Pennsylvania* fokussiert. Aber Pennsylvania hat nichts zu tun mit Colorado oder Kalifornien oder Texas.“

Ihre Position erklärt sie so: „Der Grund, warum die Bevölkerung den National Popular Vote unterstützen sollte, ist einfach. Der Kandidat mit den meisten Stimmen sollte gewinnen - so wie es bei jeder anderen Wahl in diesem Land auch der Fall ist.“ (mg) *Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks

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