Der Politologe Sven Jochem rät ebenfalls von einer Minderheitsregierung in Deutschland ab. In einem Interview mit der FAZ spricht er von dem „schicksalsergebenen Gleichmut“, der in Deutschland fehle. Die Einsicht, dass politische Lösungen wichtiger sind als die Linie der eigenen Partei. „Eine Demokratie braucht Stabilität, das gilt gerade für Deutschland, das auch auf europäischer Ebene eine wichtige Rolle spielt und verhandlungssicher sein muss“, so Jochem. Genau die wichtige Rolle, der Deutschland mit dem Abbruch der Jamaika-Sondierungsgespräche nicht gerecht wurde.
Mit CDU/CSU als stärkste Kraft könnte Angela Merkel in Deutschland eine Minderheitsregierung bilden. Das steht außer Frage. Doch wer könnten die Partner sein?
Da die AfD als Koalitionspartner nicht in Frage kommt, bleiben nur die FDP und Bündnis 90/Die Grünen als Alternativen. Mit der FDP fehlten der schwarz-gelben-Koalition 29 Sitze zur Mehrheit. Einer schwarz-grünen Koalition fehlten 42 Sitze.
Grünen-Bundestagsabgeordneter Jürgen Trittin schloss in der Nacht von Sonntag auf Montag eine Minderheitsregierung von Union und Grünen aus. „Deutschland muss stabil regiert werden, und dafür bedarf es einer Mehrheit im Parlament“, sagt er in einem Interview mit ZDF. „Wenn die komplette Politikverweigerung der SPD anhält, weiß ich nicht, wie eine Mehrheit zustande kommen könnte“, so Trittin.
Merkel machte jedoch immer wieder deutlich, dass sie wenig von einer Minderheitsregierung hält. Sie erscheint ihr zu instabil. Am Abend der Bundestagswahl verdeutlichte sie ihre Ansicht: „Ich habe die Absicht, dass wir zu einer stabilen Regierung in Deutschland kommen." Die SPD schloss bereits aus, eine Minderheitsregierung von Merkel zu tolerieren.
Derweil zeigt sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sichtlich erbost über das Ende der Jamaika-Sondierungsgespräche. In seinem Fernsehauftritt am Montagabend, der sehr an eine Rede zur Lage der Nation erinnert, ermahnt er alle Parteien: „Das ist der Moment, in dem alle Beteiligten noch einmal innehalten und ihre Haltung noch einmal überdenken sollten.“
Von Neuwahlen spricht der Bundespräsident nicht, er will die bisherigen Gesprächspartner mit aller Kraft seiner Autorität zurück an den Verhandlungstisch bringen. „Wer sich in Wahlen um politische Verantwortung bewirbt, der darf sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen hält.“
Bis auf Weiteres bleibt die bisherigen Regierung aus CDU/CSU und SPD erhalten. Bundeskanzlerin bleibt Angela Merkel und zwar unabhängig was kommen wird. Seien es Neuwahlen, die frühestens um Ostern kämen, oder eine Minderheitsregierung.
tf
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