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Was ist eine Minderheitsregierung und wie funktioniert sie?

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Bundeskanzlerin Angela Merkel mit FDP Bundesvorsitzenden Christian Lindner und Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag
Bundeskanzlerin Angela Merkel mit FDP Bundesvorsitzenden Christian Lindner und Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag © dpa

Nach dem Jamaika-Aus kommt jetzt die Frage nach einer Minderheitsregierung auf. Doch was ist das und wie funktioniert sie? Das müssen Sie wissen.

München - Die Jamaika-Sondierungsgespräche sind gescheitert. Die FDP ist am Sonntagabend aus dem angestrebten schwarz-gelb-grünem Bündnis ausgestiegen. Die SPD verweigert weiterhin eine Große Koalition mit CDU/CSU. Eine Möglichkeit, wie es jetzt weiter gehen soll, könnte eine Minderheitsregierung sein.

Normalerweise wird eine Regierung aus den Mitgliedern einer oder mehrerer Parteien gebildet. Diese Regierung wird von der Mehrheit der Abgeordneten im Parlament unterstützt, also von mehr als der Hälfte der Mandatsträger. Nur mit dieser Mehrheit kann die Regierung ohne große Probleme Gesetze beschließen und ihre Vorhaben durchsetzen.

Minderheitsregierung birgt große Probleme

Doch es kann auch vorkommen, dass eine Regierung von einer Minderheit gebildet wird. Das ist vor allem im skandinavischen Ländern Usus geworden. Eine solche Regierung ist erwiesenermaßen instabil. Denn: Um Gesetze zu beschließen, muss sie immer Kompromisse mit den Oppositionsparteien eingehen und auf deren Stimmen hoffen.

Eine Minderheitsregierung hat zudem immer das Problem, dass sie geduldet sein muss, also von der Oppositions-Mehrheit getragen werden muss. Sie kann sonst schnell durch ein Misstrauensvotum gestürzt werden.

Zum Vergleich: In Spanien gibt es seit 2016 eine Minderheitsregierung des Ministerpräsidenten Mariano Rajoy. Seine Partei, Partido Popular, stellt mit ihren rund 33 Prozent allein die Regierung. Er muss sich im Parlament wechselnde Mehrheiten suchen, um Gesetze durch zu bringen. Was in der Regel vor allem beim Haushalt eine schwierige Angelegenheit ist. Vor dem Zustandekommen der Minderheitsregierung konnte in Spanien über ein Jahr keine Regierung gebildet werden.

Minderheitsregierung: Skandinavien als Vorbild?

In Norwegen und Schweden gibt es seit längerem Minderheitsregierungen. Doch dort sind die Parlamente kleiner, man kennt sich persönlich. In den skandinavischen Parlamenten ist es außerdem üblich, dass die Abgeordneten nicht in ihrer Fraktion zusammen sitzen, sondern mit anderen Abgeordneten aus ihrer Region. Es geht also weniger um die politische Zugehörigkeit der Abgeordneten, sondern viel mehr um die Orientierung an den Themen. Ein Paradebeispiel auch für die Zukunft in Deutschland?

Politologen raten von Minderheitsregierung in Deutschland ab

Der Politologe Stefan Marschall erklärte in einem Bericht des Nachrichtenmagazins derStandard.de: „Das Grundgesetz mag keine Minderheitsregierungen, wir haben auch nicht die politische Kultur dafür.“ Bisher gab Minderheitsregierungen nur auf Bundesländerebene. Zwar gab es drei Szenarien auf Bundesebene, jedoch nur kurzzeitig und ohne Erfolg. 1966 schied die FDP aus der Koalition mit CDU/CSU aus, Unions-Minister unter Kanzler Ludwig Erhard übernahmen die Ressorts bis zur Bildung einer Großen Koalition. 1972 verlor die sozialliberale Koalition die absolute Mehrheit. Bundespräsident Gustav Heinemann löste den Bundestag auf, nachdem Kanzler Willy Brandt an der Vertrauensfrage gescheitert war. Bei der Bundestagswahl 1972 holten SPD und FDP wieder eine absolute Mehrheit. 1982 bildete Helmut Schmidt eine Minderheitsregierung, nachdem die FDP in eine Koalition mit der Union gewechselt war. Bald wurde Schmidt durch ein konstruktives Misstrauensvotum von Helmut Kohl als Kanzler ersetzt.   

Der Politologe Sven Jochem rät ebenfalls von einer Minderheitsregierung in Deutschland ab. In einem Interview mit der FAZ spricht er von dem „schicksalsergebenen Gleichmut“, der in Deutschland fehle. Die Einsicht, dass politische Lösungen wichtiger sind als die Linie der eigenen Partei. „Eine Demokratie braucht Stabilität, das gilt gerade für Deutschland, das auch auf europäischer Ebene eine wichtige Rolle spielt und verhandlungssicher sein muss“, so Jochem. Genau die wichtige Rolle, der Deutschland mit dem Abbruch der Jamaika-Sondierungsgespräche nicht gerecht wurde.

So könnte eine Minderheitsregierung in Deutschland aussehen

Mit CDU/CSU als stärkste Kraft könnte Angela Merkel in Deutschland eine Minderheitsregierung bilden. Das steht außer Frage. Doch wer könnten die Partner sein?

Da die AfD als Koalitionspartner nicht in Frage kommt, bleiben nur die FDP und Bündnis 90/Die Grünen als Alternativen. Mit der FDP fehlten der schwarz-gelben-Koalition 29 Sitze zur Mehrheit. Einer schwarz-grünen Koalition fehlten 42 Sitze.

Grünen-Bundestagsabgeordneter Jürgen Trittin schloss in der Nacht von Sonntag auf Montag eine Minderheitsregierung von Union und Grünen aus. „Deutschland muss stabil regiert werden, und dafür bedarf es einer Mehrheit im Parlament“, sagt er in einem Interview mit ZDF. „Wenn die komplette Politikverweigerung der SPD anhält, weiß ich nicht, wie eine Mehrheit zustande kommen könnte“, so Trittin.

Jürgen Trittin (Bündnis90 / Die Grünen)
Jürgen Trittin (Bündnis90 / Die Grünen) © dpa

Merkel machte jedoch immer wieder deutlich, dass sie wenig von einer Minderheitsregierung hält. Sie erscheint ihr zu instabil. Am Abend der Bundestagswahl verdeutlichte sie ihre Ansicht: „Ich habe die Absicht, dass wir zu einer stabilen Regierung in Deutschland kommen." Die SPD schloss bereits aus, eine Minderheitsregierung von Merkel zu tolerieren.

Bundespräsident Steinmeier: „Ich erwarte von allen Parteien Gesprächsbereitschaft.“

Derweil zeigt sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sichtlich erbost über das Ende der Jamaika-Sondierungsgespräche. In seinem Fernsehauftritt am Montagabend, der sehr an eine Rede zur Lage der Nation erinnert, ermahnt er alle Parteien: „Das ist der Moment, in dem alle Beteiligten noch einmal innehalten und ihre Haltung noch einmal überdenken sollten.“

Von Neuwahlen spricht der Bundespräsident nicht, er will die bisherigen Gesprächspartner mit aller Kraft seiner Autorität zurück an den Verhandlungstisch bringen. „Wer sich in Wahlen um politische Verantwortung bewirbt, der darf sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen hält.“

So geht es in Deutschland erstmal weiter

Bis auf Weiteres bleibt die bisherigen Regierung aus CDU/CSU und SPD erhalten. Bundeskanzlerin bleibt Angela Merkel und zwar unabhängig was kommen wird. Seien es Neuwahlen, die frühestens um Ostern kämen, oder eine Minderheitsregierung.

tf

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