Auch die besonderen Umstände der auf sechs Monate zusammengestauchten Formel-1-Saison hatte Hamilton keineswegs aus dem Tritt gebracht. Der 35-Jährige gewann bei 16 Starts elfmal, verpasste nur bei zwei dieser Rennen das Podium. In der Saison 2021 - der letzten vor umfassenden Regeländerungen - dürfte er sowohl bei Grand-Prix-Siegen als auch bei Pole Positions - hier steht Hamilton bei 98 - die magische Marke von 100 knacken und sich endgültig in den Motorsport-Olymp katapultieren.
Ein wichtiger Wegbegleiter dabei war Toto Wolff. Der Österreicher ist bereits einen Schritt weiter als Hamilton und hat sich für drei weitere Jahre an Mercedes gebunden. Das Team ließ mitteilen, der 48-Jährige werde „in seiner Rolle als Teamchef und Geschäftsführer das operative Geschäft des Unternehmens und des Rennteams führen“. Anschließend stehe ihm offen, „eine neue operative Führungsrolle innerhalb der Organisation zu übernehmen, sobald er den Zeitpunkt für richtig erachtet“.
Unterschreibt auch Hamilton, mit dem Wolff nach eigener Aussage „ein gutes Duo“ bildet, wäre er wie in den vergangenen vier Jahren Teamkollege von Valtteri Bottas. Der Finne, der zum zweiten Mal in Folge auf Rang zwei der Fahrerwertung* einlief, unterschrieb bereits vor einigen Wochen für 2021. Allerdings steht der lange Zeit von Wolff gemanagte Blondschopf nach seinem schwachen letzten Saisondrittel unter Druck.
Als sich der Brite auf dem Istanbul Park Circuit den Titel sicherte, rutschte Bottas mit seinem Boliden auf der regennassen Strecke herum wie eine Kuh auf dem Eis - so blieb ihm letztlich nur Rang 14 mit mehr als einer Runde Rückstand. In Bahrain sprangen lediglich zwei achte Plätze heraus, wobei sich der 31-Jährige sogar vom für Hamilton eingesprungenen George Russell vorführen lassen musste.
Der bei Williams geparkte Mercedes-Junior befand sich in einem fremden Auto, dessen Cockpit nicht seinen Maßen entsprach, auf Siegkurs und wurde nur durch den verkorksten Reifenwechsel der Boxencrew um ein Topergebnis gebracht. Statt des großen Triumphes blieb nur Rang neun. Seither wird nicht nur im Fahrerlager eifrig diskutiert, ob das dominierende Team des jüngsten Jahrzehnts nicht mit einer Paarung Hamilton-Russell besser fahren würde.
Es war sogar spekuliert worden, Mercedes könnte mit Russell in der Hinterhand Hamilton quasi die Pistole auf die Brust setzen. Schließlich soll die Unterschrift bislang vor allem an dessen Gehaltsforderungen* scheitern. Der Rennstall hätte spätestens seit Bahrain aber eine Alternative in der Hinterhand, die der Konkurrenz ebenfalls davonbrausen kann. Diese Gewissheit haben Wolff und Co., die aber weiterhin auf ihr schnellstes Pferd im Stall setzen wollen. Das machte der Teamchef immer wieder klar, für den Hamilton die Benchmark in der Formel 1 sei.
Auch deshalb muss sich der 22-Jährige gedulden und wohl eine weitere komplette Saison im unterlegenen Williams* hinterherfahren. Doch seine Visitenkarte hat Russell längst hinterlassen. Beim Saison-Abschluss in Abu Dhabi machte er auch kein Hehl daraus, wie schwer es ihm falle, das Mercedes-Cockpit wieder abgeben zu müssen. Sollte er aber insgeheim darauf gehofft haben, für seinen womöglich amtsmüden Landsmann Hamilton nachrücken zu dürfen, sollten sich diese Hoffnungen nun wohl endgültig zerschlagen. (mg) *tz.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks