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Ex-Eintracht-Profi Thomas Sobotzik war Morddrohungen ausgesetzt

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Thomas Sobotzik hat den blanken Hass der Chemnitzer Fankurve auf sich gezogen.
Thomas Sobotzik hat den blanken Hass der Chemnitzer Fankurve auf sich gezogen. © Robert Michael/dpa

Thomas Sobotzik erläutert, warum er als Geschäftsführer des Chemnitzer FC aufgibt und sich Morddrohungen und blankem Hass nicht länger aussetzen will.

Thomas Sobotzik hat seine Handynummer nicht geändert, er will nicht den Eindruck erwecken, womöglich einzuknicken – vor dem Hass, den Anfeindungen, den Morddrohungen, dem Schaum vor wutentbrannten Fratzen. Aber er hat 140 Kontakte blockiert, alles muss man sich ja auch nicht gefallen lassen.

Thomas Sobotzik, vor 44 Jahren im polnischen Gliwice geboren, hat sich lange viel gefallen lassen, viel zu viel. Als „Judensau“ ist er beschimpft worden, als „scheiss Drecks-Jugo“, der sich „verpissen soll aus Chemnitz“, als „Hurensohn“. Weil er Rückgrat gezeigt und Anstand bewiesen hat, weil er stets klar Position bezogen hat, weil er sich gestemmt hat gegen rechte Gesinnung, gegen antisemitische Parolen und rassistisches Gedankengut. Und weil er den einschlägig verwarnten und offen mit der rechten Szene sympathisierenden Spieler Daniel Frahn im August aus dem Klub geworfen hat. Frahn war Kapitän, bester Stürmer und das sehr beliebte Gesicht des Drittligisten Chemnitzer FC, „ein Fußballgott“, wie die örtliche Anhängerschaft skandierte.

Von ständigen Anfeindungen zermürbt

Irgendwann war es Thomas Sobotzik dann doch zu viel an Drohungen („TS töten“) und Pöbeleien, „was ich erleben und erleiden musste, geht weit über das Maß hinaus, das verkraftbar ist“, schreibt er jetzt in einem längeren, der FR vorliegenden Statement zur Erklärung seines Rücktritts als Geschäftsführer des Klubs Anfang September. Die fortwährenden Auseinandersetzungen mit den Fans hätten ihn zermürbt, „ein personeller Neuanfang auf meiner Position“ erscheint ihm derzeit als „einzig richtige Alternative“.

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Thomas Sobotzik hat die Anfeindungen in Chemnitz satt.
Thomas Sobotzik hat die Anfeindungen in Chemnitz satt. © Robert Michael/zb/dpa

mas Sobotzik hat aufgeben, aus Selbstschutz, für sich, seine Familie, hat genug von Begegnungen wie jener nach der ersten Runde im DFB-Pokal gegen den Hamburger SV, als ihm von einem Mitglied der aktiven, rechten Fanszene aufgelauert worden war mit den Worten: „Auf dich habe ich die ganze Zeit gewartet.“ Der Chemnitzer FC, aktuell 19. in der Dritten Liga, hat ein gewaltiges Problem mit dem radikalen Teil der Fans, auch weil viel zu lange weggesehen wurde, weil nicht rechtzeitig Einhalt geboten wurde. Rechte Gesinnung ist im Osten durchaus stark verbreitet, die AfD hat bei der Landtagswahl in Sachsen 27,6 Prozent geholt.

Es ist der 9. März in diesem Jahr, der das lange schwelende Problem rechter Gesinnung, schlaglichtartig an die Oberfläche spült. Vor dem Heimspiel des damals noch in der Regionalliga ansässigen CFC gegen VSG Altglienicke (4:4) war im Fanblock ein Banner gezeigt worden, mit dem an den verstorbenen Neonazi Thomas Haller erinnert wurde und auf dem in Frakturschrift stand: „Ruhe in Frieden, Tommy“. Zusätzlich wurde eine Fahne mit weißem Kreuz gehisst. Erstaunlicherweise kooperierte der Klub, es gab eine Stadiondurchsage, Hallers Porträt wurde auf der Anzeigentafel eingeblendet. Um zu deeskalieren und größeren Schaden abzuwenden, wie es hieß.

Frahn hat Klage beim Arbeitsgericht eingereicht

Neonazi Haller hatte einst die Hooligan-Gruppe „HooNaRa“ gegründet - „Hooligans Nazis Rassisten“. Und auch in der Mannschaft gab es einen, Daniel Frahn, der sich mit dieser stramm rechten Truppe solidarisierte, die der Verfassungsschutz längst im Auge hatte. „Support your local hools“ stand auf dem T-Shirt, das Frahn nach seinem Treffer zum 3:2 lüftete, ein Slogan, der häufig in Neonazi-Kreisen verwendet wird. Der 32 Jahre alte, in Potsdam geborene Spieler beteuerte, nichts über die Hintergründe des Spruchs gewusst zu haben. Vermutlich eine Schutzbehauptung, denn Anfang August zeigte sich jener Frahn, der verletzt nicht spielen konnte, beim Drittligaspiel gegen den Hallescher FC (1:3) mit prominenten Vertretern aus dieser Szene, Mitgliedern von „Kaotic Chemnitz“ - der Nachfolgeorganisation von „HooNaRa“.

Fast provokant kutschierte Frahn seine rechten Freunde im Privatwagen zu dem Spiel. Zwei Tage danach wurde Frahn entlassen, aber erst drei Wochen danach, schreibt Sobotzik, habe er sich von der rechtsradikalen Fanszene distanziert. Gegen die fristlose Kündigung hat der Spieler, der Hausverbot beim Verein hat, inzwischen Klage beim Arbeitsgericht Chemnitz eingereicht.

Kaum Unterstützung von außen

Danach eskalierte die Situation für Sobotzik, der nicht nur permanent angefeindet wurde, sondern auch kaum Unterstützung von außen erfuhr, weder von der Politik noch von der Stadtgesellschaft. „In Chemnitz und im Umland hatte sich nur die AfD öffentlich geäußert, sonst niemand“, sagte Sobotzik, der sich zunehmend alleingelassen fühlte in seinem Kampf gegen Rechtsaußen. Im Gegenteil: Im ersten Spiel nach der Entlassung des Spielers, im Pokalspiel gegen den HSV, hielten Chemnitzer Fans Schilder mit Frahns Nummer 11 hoch und forderten „Sobotzik raus“. Mit Sobotzik, selbst jahrelange Bundesligaprofi unter anderem bei Eintracht Frankfurt und dem 1. FC Kaiserslautern, warf übrigens auch Trainer David Bergner das Handtuch, spätestens seit dem 9. März „ging es leider nicht mehr um Fußball in Chemnitz“, sagte der Aufstiegstrainer. Sponsoren sprangen in Scharen ab, mit dem Klub mit dem rechten Image will sich keiner gerne sehen lassen.

Dabei, sagt Ex-Manager Sobotzik, sei der Klub auf einem richtigen Weg. Es ist nämlich gelungen, den Chemnitzer FC trotz eines laufenden Insolvenzverfahrens (seit April 2018) sportlich nach oben zu führen und finanziell zu sanieren. Der Aufstieg in die Dritte Liga, der Gewinn des sächsischen Landespokals, das Erreichen des DFB-Pokals sowie die vorangekommene finanzielle Konsolidierung mit der Ausgliederung der Profiabteilung waren beachtliche Erfolge. „Das gab es noch nie im deutschen Fußball, dass ein Verein in der Insolvenz aufsteigt.“ Der Ex-Profi und Insolvenzverwalter Klaus Siemon aus Düsseldorf hielten den Klub stabil über Wasser. 

„Ich habe hervorragende Perspektiven gesehen“, so Sobotzik, der es insgesamt keineswegs bedauert, sich im Mai 2018 in Chemnitz engagiert zu haben. „Ich würde es wieder so machen.“ Und auch den Kampf gegen rechtsradikale Anhänger wieder aufnehmen. „Generell ist Zivilcourage und damit das klare Eintreten für demokratische Werte in unserer Gesellschaft heute wichtiger den je“, schreibt der 44 Jahre alte Sobotzik. Die 16 Monate hätten ihn geprägt, sie werde „ich auf jeden Fall nicht vergessen“.

Mehr zum Thema lesen Sie hier: Der Chemnitzer FC stürzt ins Chaos* und hier: Chemnitzer FC erstattet nach Neonazi-Eklat Strafanzeige*. Unser Kommentar zum Thema: „Rassismus im Fußball“*.

*fr.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.

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