Abwehrspieler Jérôme Boateng hat nach dem krachenden Scheitern gegenüber der WamS nochmal bezüglich Rücktrittsgedanken klargestellt: "Das war nie ein Thema für mich. Ich sehe mich auch noch überhaupt nicht am Zenit meiner Leistungsfähigkeit angekommen", so der 29-Jährige. Er wolle trotz der schweren Enttäuschung mit dem erstmaligen Aus der DFB-Auswahl in einer WM-Gruppenphase "unbedingt weiterspielen", so der Defensivmann des FC Bayern.
In beiden Fällen scheint ein Rücktritt aus der Nationalmannschaft also kein Thema zu sein. Es sei denn, der Trainer stellt seinen Kader grundsätzlich neu auf und verzichtet auf den einen oder anderen Leistungsträger früherer Jahre. Wer die DFB-Elf als Bundestrainer in die Zukunft führt, ist aber noch ungewiss. In unserem News-Ticker erfahren Sie ganz aktuell, ob ein Rücktritt von Jogi Löw bevorsteht oder nicht.
Gegenüber der Bild hat sich Sami Khedira nach dem blamablen Ausscheiden in der WM-Vorrunde erstmals öffentlich geäußert. „Meine persönliche Leistung ist mir auch heute noch unerklärlich. Vor vier Wochen war alles perfekt. Und dann passieren solche 2 Spiele von mir“, klingt der Mittelfeldmann nachdenklich.
Khedira möchte sich nun Zeit nehmen, um über sein eigenes Scheitern und das der Nationalmannschaft nachzudenken. Zieht der Juventus-Profi nun Konsequenzen und kehrt dem DFB-Team den Rücken? „Eine solche Entscheidung möchte ich nicht aus der Emotion heraus treffen. Ich werde mit Vertrauten, auch mit Jogi Löw sprechen. Und dann werden wir weitersehen“, vermeidet der 31-Jährige ein klares Bekenntnis zu einem möglichen Rücktritt aus der Nationalmannschaft.
Auf der Trainerposition wünscht sich Khedira definitiv keine Änderung. „Er hat jahrelang tolle Arbeit geleistet, junge Spieler ans Team herangeführt. Ich würde mir wünschen, dass Jogi weiter macht“, wirbt der Ex-Stuttgarter für einen Verbleib des Bundestrainers.
Kasan/München - Fußball-Deutschland steht unter Schock, das historische Debakel ist perfekt. Erstmals in der Geschichte scheidet die Nationalmannschaft bei einer Fußball-WM bereits in der Vorrunde aus - und das auch noch als amtierender Weltmeister. 0:1 gegen Mexiko, 2:1 gegen Schweden und 0:2 gegen Südkorea - so lauten die Ergebnisse, die zur Mega-Blamage in der vermeintlich leichten Gruppe F geführt haben. Dass sich im DFB-Team nach der Fußball-WM 2018 einiges verändern würde, war schon vorher klar. „Ich kann sagen, wir haben vor diesem Turnier sehr genau gewusst, dass es nach dem Turnier einen Umbruch geben wird“, sagte DFB-Präsident Reinhard Grindel nach der Niederlage gegen Südkorea.
Es stellen sich gleich zwei Fragen zur Zukunft der Nationalmannschaft: Bleibt Joachim Löw trotz eines bis 2022 laufenden Vertrages Bundestrainer? Und mit welchen Spielern soll der Neuaufbau vorangetrieben werden? Es ist schließlich davon auszugehen, dass einige Akteure ihre Karriere im DFB-Team beenden werden - und genau darauf wollen wir nun einen Blick werfen. Was passiert in der Nationalmannschaft? Welche Rücktritte sind zu erwarten und welche Spieler bleiben vorerst unersetzbar?
WM-Kader von Deutschland 2018: Das war der finale Kader von Jogi Löw
Vorangehen wird Kapitän Manuel Neuer, der als Keeper mit seinen 32 Jahren noch lange nicht ans Aufhören denkt. Wie hungrig der Schlussmann des FC Bayern auf die Nationalmannschaft ist, hat er im Kampf um sein Comeback vor der WM nach langer Verletzungspause bewiesen. Seine Münchner Teamkollegen Mats Hummels („Die Euro 2020 reizt mich, diesen Titel würde ich gerne gewinnen, nachdem wir ihn 2016 so unglücklich verpasst haben.“) und Jerome Boateng („Ich höre nicht auf.“) haben schon vor der Fußball-WM angekündigt, bis zur EM 2020 weiterzuspielen. Auch Thomas Müller wird nicht mit diesem Debakel in Russland abtreten wollen.
Unter Beobachtung in der Nationalmannschaft steht jetzt besonders Julian Draxler. Er stand zwar 2014 im WM-Kader, kam da aber nur zu einem Kurzeinsatz. Nachdem er das DFB-Team als Kapitän zum Sieg beim Confed Cup 2017 geführt hatte, konnte er aber auch bei der WM 2018 nicht überzeugen. Künftig muss der 24-Jährige Verantwortung übernehmen.
Seine zweite WM-Teilnahme ohne jeglichen Einsatz verbuchte dagegen Matthias Ginter. Der 24-Jährige ist zu jung und zu heiß auf einen ersten Einsatz bei einem große Turnier (den Confed Cup 2017 lassen wir hier einmal außen vor).
Auf der Torhüterposition hinter Manuel Neuer werden dessen Back-Ups Marc-André ter Stegen und Kevin Trapp selbstverständlich weitermachen, zwischen den Pfosten hatte Deutschland noch nie Personalmangel. Mit ihrer Erfahrung wird es auf dem Feld nun vor allem auf Marco Reus, Joshua Kimmich, Jonas Hector, Ilkay Gündogan und Antonio Rüdiger ankommen.
Diese Spieler stehen auch im Fokus, wenn es darum geht, die junge und weniger erfahrene Garde um Leon Goretzka, Niklas Süle, Sebastian Rudy, Timo Werner und Julian Brandt an die Hand zu nehmen. Ihnen gehört trotz des desaströsen Abschneidens bei der Fußball-WM die Zukunft, auch auf sie wird es bei der Neuordnung der Nationalmannschaft ankommen.
Abgesehen von den Spielern, die bei dem historischen Vorrunden-Aus bei der Fußball-WM 2018 im Kader standen, stehen zahlreiche Talente und Jungstars in den Startlöchern. Besonders die vor der WM aus dem Kader gestrichenen Leroy Sané, Bernd Leno oder Jonathan Tah sind hier zu nennen. Hinzu kommen Serge Gnabry und Emre Can, die verletzungsbedingt den Sprung zur WM verpasst haben.
Nicht vergessen darf man Mario Götze, dem Helden aus dem WM-Finale von 2014. Nach überstandener Stoffwechselerkrankung, die ihn komplett aus der Bahn geworfen hatte, verpasste er den Sprung in den WM-Kader 2018, brennt jetzt aber auf ein baldiges Comeback im DFB-Dress.
Im erweiterten Visier der Nationalmannschaft stehen unter anderem noch Kevin Volland, Max Meyer, Julian Weigl, Amin Younes.
In erster Linie kommen hierfür Spieler in Betracht, die vom Alter her auf die Zielgerade ihrer Karriere eingebogen sind. Das beste Beispiel hierfür ist Mario Gomez: Er wird am 10. Juli 33 Jahre alt und war in Russland der mit Abstand älteste Spieler im Kader von Deutschland. Seine Karriere in der Nationalmannschaft war in den vergangenen Jahren eine On-off-Beziehung, die nun aber wohl zu Ende gehen dürfte.
Sami Khedira erreichte bei der Fußball-WM 2018 nie die Form, die ihn 2014 beim Titelgewinn ausgezeichnet hatte. Es ist fraglich, ob der 31-Jährige noch eine tragende Säule in der Nationalmannschaft sein wird - vor allem, da mit Leon Goretzka, Ilkay Gündogan und Sebastian Rudy andere, hungrige Spieler zur Verfügung stehen, um ihm den Platz streitig zu machen.
Für mächtigen Wirbel hatte schon vor der Fußball-WM 2018 die Foto-Affäre von Mesut Özil und Gündogan gesorgt, die sich mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ablichten ließen - und das mitten im Wahlkampf. Vor allem Özil bekam den Unmut über die Fans und die Presse intensiv zu spüren. Angesichts seiner manchmal dürftigen Leistungen (und zwar nicht nur bei dieser WM) und dem fehlenden Rückhalt von den Rängen (Darum singt Mesut Özil die deutsche Nationalhymne nicht mit) könnte die DFB-Karriere trotz seiner erst 29 Jahre schon bald zu Ende gehen.
Der vielleicht einzige echte Weltklasse-Feldspieler in der deutschen Nationalmannschaft ist Toni Kroos von Real Madrid. Zwar erreichte auch er nicht so recht sein Top-Level, trotzdem war und bleibt er der Dreh- und Angelpunkt in der Nationalmannschaft - eigentlich. Es bleibt nämlich die Frage, was der 28-Jährige denn noch erreichen soll? Er ist bereits Weltmeister, vierfacher Klub-Weltmeister und auch noch vierfacher Champions-League-Sieger, hinzu kommen vier nationale Meisterschaften. Ob ihn da der Neuaufbau noch so recht reizt, ist zur Zeit fraglich.
Toni Schumacher, Reiner Calmund und Berti Vogts sprechen nach dem blamablen Gruppen-Aus bei der WM die Unzulänglichkeiten der deutschen Fußball-Nationalmannschaft klar an. Schumacher geht davon aus, dass es einige Rücktritte geben wird.
Florian Weiß