Borussia Mönchengladbachs Geschäftsführer Stephan Schippers teilte derweil mit: „Der Austausch mit den Fans auch auf Verbandsebene ist nötig und gut. Wir hoffen auf eine konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligten und würden uns freuen, wenn die angesprochene Thematik auf nationaler Ebene bei der vom DFB und DFL initiierten AG Fankulturen aufgearbeitet wird.“
Präsident Werner Spinner vom 1. FC Köln betonte: „Es war dringend an der Zeit, dass der DFB insbesondere seine Praxis der kollektiven Bestrafung von Fan-Fehlverhalten überdenkt.“ Der Vereins-Boss ergänzte: „Ich hoffe, dass es unter anderem auf Grundlage der Erklärung nun möglich ist, auf allen Seiten - DFB, Liga, Vereine und Fans - eine neue Vertrauensbasis aufzubauen, die zum Schaden des deutschen Fußballs in den letzten Jahren leider verloren gegangen ist.“
Bis zu einer gemeinsamen Basis sei es jedoch noch ein weiter Weg, gab Spinner zu bedenken: „Gespräche sollten auf allen Seiten ehrlich geführt werden und möglichst ohne Vorbedingungen stattfinden. Die aktuellen Schritte gehen aber in die richtige Richtung.“ Der 1. FC Köln war im Frühjahr 2015 zu einem Zuschauer-Teilausschluss bei drei Spielen verurteilt worden, nachdem rund 30 FC-Fans beim Derby in Mönchengladbach den Platz gestürmt und sich Handgreiflichkeiten mit der Polizei geliefert hatten.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius ging in einem Sport Bild-Interview sogar noch weiter und regte zumindest an, die von den Ultras so geliebte Pyrotechnik zumindest in bestimmten Bereichen eines Stadions zuzulassen. Bengalos seien „gefährlich, das kann man nicht einfach mal so abfeuern“, meinte der SPD-Politiker. „Nun sage ich: Okay, wenn einige Ultras-Gruppen ganz viel Wert darauf legen, Pyrotechnik zu zünden, kann man sich darüber unterhalten, dafür bestimmte Bereiche im Stadion zu schaffen.“
Aus der Politik gab es sofort Kritik an diesem Vorstoß. „Pyrotechnik hat in unseren Fußballstadien nichts verloren. Daran gibt es nichts zu rütteln“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU).
Teile der sogenannten Ultra-Bewegung auf der einen sowie Verbände wie der DFB und die Deutsche Fußball Liga auf der anderen Seite stehen sich seit Monaten unversöhnlich gegenüber. Die Unterbrechung des Pokalspiels zwischen Hansa Rostock und Hertha BSC (0:2) am Montag hatte die Debatte um Fankrawalle in Deutschland ausgerechnet in der Woche des Bundesliga-Starts wieder einmal erhitzt.
Gerade die Kollektivstrafen und die Pyrotechnik sind für die Ultras zentrale Begriffe in dieser Auseinandersetzung. Innenminister Pistorius möchte am 11. November einen Fußball-Gipfel in seinem Bundesland abhalten, an dem sowohl Profivereine als auch Fangruppen teilnehmen sollen. Das Bündnis „Pro Fans“ zum Beispiel hat eine Abschaffung der Kollektivstrafen immer zu einer Bedingung für seine Teilnahme an diesem Treffen erklärt. „ProFans sieht eine Abkehr hiervon als zwingend notwendig an“, heißt es in einer Erklärung aus dem Juli.
Die Vorstöße von Pistorius und Grindel sind deshalb als Versuche zu werten, mit den schwer zugänglichen Ultra-Gruppen überhaupt in eine Form von Gespräch zu kommen. „Es ist Zeit zum Innehalten. Es ist Zeit zum Umdenken“, schrieb der DFB-Präsident in seiner Erklärung. „Wir wollen ein Zeichen setzen, um gemeinsam in den Dialog einzutreten.“ Der DFB ist dafür bereit, zumindest zeitweise auf die Ultra-Forderung nach der Abschaffung von Kollektivstrafen einzugehen. Der Verband fordert umgekehrt aber auch: „Verzicht auf Gewalt.“
Dass Fans bei Verstößen gegen geltende Gesetze weiter rechtliche Folgen erwarten, machte derweil Bundesinnenminister Thomas de Maizière klar. Der CDU-Politiker forderte ein konsequentes Durchgreifen seitens der Gerichte.
"Zunächst mal reden wir teilweise von erheblichen Straftaten. Da muss die Justiz harte Kante zeigen", sagte de Maizière der Bild. Es brauche einen Schulterschluss zwischen Vereinen, Staat und Gesellschaft gegen Gewalt in und um Stadien sowie auch mehr Prävention.
Derweil fordert der langjährige Leverkusener Bundesliga-Manager Reiner Calmund gegen Randalierer in Fußball-Stadien ein hartes Vorgehen. "Es gibt Gruppierungen, die haben den Begriff Fan nicht verdient. Wer sich nicht an die Spielregeln hält, muss mit allen Konsequenzen bestraft werden. Wie im normalen Leben auch", sagte der neue Sky-Experte dem SID.
Calmund sieht dabei nicht alleine die Vereine in der Pflicht. "Da ist auch der Staat gefordert, damit man die aussortiert. Wer gewalttätig wird, hat im Stadion nichts zu suchen. Das ist der Weg", sagte der 68-Jährige.
Grindel lud Ultra-Vertreter ein, sich endlich mit dem DFB, seiner Arbeitsgruppe Fankulturen sowie anderen Fan-Organisationen an einen Tisch zu setzen. „Wir müssen Vertrauen aufbauen, Missverständnisse ausräumen und gemeinsam klare Linien und Grenzen festlegen“, sagte er. „Wir wollen gemeinsam erörtern, was wir zum Erhalt und zur Verbesserung der Fankultur in unseren Stadien tun können.“
Für diesen Vorstoß erhielt Grindel sofort die Zustimmung der Deutschen Fußball Liga. „Die Dialog-Initiative des DFB-Präsidenten an alle Fan-Gruppen ist der richtige Schritt, um neues Vertrauen zu bilden. Miteinander statt übereinander reden - das muss die Devise sein“, sagten Ligapräsident Reinhard Rauball und DFL-Geschäftsführer Christian Seifert in einer gemeinsamen Erklärung.
Auch Michael Gabriel, der Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) in Deutschland, hatte bereits am Dienstag nach den Ausschreitungen von Rostock in einem Sky-Interview erklärt, eine Entspannung der Situation sei nur gemeinsam mit den Fans und nicht über ihren Kopf hinweg zu erreichen.
dpa, sid