Natürlich wäre es einfacher, sich das Geld bei den Banken zu leihen. Doch Werder Bremen hat bereits einen Kredit über 20 Millionen Euro aufgenommen, um die laufende Saison zu überstehen. Dafür brauchte es eine Bürgschaft des Landes Bremen. Will sich Werder weiteres Geld bei Bankhäusern leihen, dürfte das nicht nur schwierig, sondern vor allem sehr teuer werden. Anleihen ermöglichen da einen niedrigeren Zins.
Verschiedene Clubs wie der Hamburger SV, Schalke 04 oder der 1. FC Köln haben bereits Fan-Anleihen getätigt. Oftmals ging es dabei um die Finanzierung des Baus eines Nachwuchsleistungszentrums – also eine Investition in Steine und nicht in Beine. Letzteres hat den Werder-Verantwortlichen bei diesem Thema stets Bauchschmerzen bereitet und die Diskussionen schnell beendet. Es steht nämlich viel Vertrauen auf dem Spiel – und das zum wichtigsten Gut eines Traditionsvereins wie Werder Bremen: den Fans. Die wären über eine Anleihe für das Tagesgeschäft quasi am Kauf von Spielern oder deren Gehalt beteiligt. Das könnte für großen Unmut sorgen, sollten die Profis nicht wie gewünscht Leistung abliefern. Beim Geld hört die Freundschaft bekanntlich auf.
Um wie viel Geld es geht, könnte jeder Fan natürlich selbst entscheiden. Um so viele Anhänger wie möglich anzusprechen, liegt der Einstiegsbetrag für solche Anleihen meistens im dreistelligen Euro-Bereich. Die Laufzeit beträgt mehrere Jahre mit einer jährlichen Verzinsung von bis zu sechs Prozent. Es ist auch möglich, sich die Zinsen erst am Ende komplett auszahlen zu lassen. Dabei hoffen die Clubs darauf, dass viele Fans aus Verbundenheit darauf verzichten und die Anleihe weiterlaufen lassen – in welcher Form auch immer.
Die emotionale Bindung an den Verein spielt dabei eben eine große Rolle. Bei einer Mittelstandsanleihe sieht das anders aus. Die richtet sich an institutionelle Investoren, Unternehmen und Privatanleger, die eher eine geschäftliche Bindung zum Verein haben. Denen geht es um die gute Verzinsung, die auf dem Kapitalmarkt ansonsten nicht so leicht zu erzielen ist. „Es wäre ein faires Geschäft mit einer guten Verzinsung“, sagt Filbry. Er würde trotzdem sehr gerne darauf verzichten, „aber wir müssen auf alle Fälle vorbereitet sein. Wir hatten noch keine Pandemie und wissen nicht, was noch alles auf uns zukommen wird.“ Und allein auf Transfererlöse zu setzen, sei auch keine sichere Lösung.
Die Mindereinnahmen seit dem ersten Lockdown vor knapp einem Jahr bis zum Saisonende schätzt der Werder-Boss auf 40 Millionen Euro. Den größten Posten macht dabei das fehlende Ticket-Geschäft wegen der Geisterspiele aus. Zudem sind die TV-Einnahmen gesunken, und längst nicht alle Sponsoren können ihren kompletten Verpflichtungen nachkommen, genauso wenig wie Werder Bremen im Stande ist, in der Pandemie alle Leistungen zu erfüllen.
Welch gravierende Folgen das hat, wurde vergangene Woche deutlich. Via „Bild“-Zeitung sickerte durch, dass Werder Bremen in der Saison 2019/20 ein Rekord-Minus von 23,71 Millionen Euro gemacht hat. Der Umsatz ist von 157,1 Millionen Euro in der Saison davor auf 116,7 Millionen eingebrochen. Das Eigenkapital von 7,6 Millionen Euro ist nicht nur aufgebraucht, sondern dort steht nun ein Minus von fast 16 Millionen Euro. Normalerweise wären diese Zahlen längst bei der Mitgliederversammlung bekannt gegeben worden, doch wegen der Corona-Pandemie wird diese Veranstaltung frühestens im Mai stattfinden. In den nächsten Wochen sollen aber alle Gremien und auch die Mitglieder informiert werden, so Filbry. Erst dann möchte er die Zahlen kommentieren – und vielleicht gibt es dann auch einen neuen Stand zum schwierigen Thema Anleihen. (kni) Auch interessant: Kampf um Florian Kohfeldt: So sehr muss Werder Bremen um seinen Trainer zittern!
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So funktionieren Fan-Anleihen - das sind die Besonderheiten:
Von Fan-Anleihen haben im deutschen Profi-Fußball schon mehrere Clubs Gebrauch gemacht. Zum Beispiel der Hamburger SV, der 1. FC Köln und Schalke 04.
So funktioniert's: Der einzelne Fan kann zwischen wenigen hundert bis mehreren tausend Euro einlegen. Jährlich werden die festgelegten Zinsen fällig, nach Ablauf der Anleihe erfolgt die Rückzahlung des eingelegten Betrages. Oder aber eine neue Anleihe löst die alte ab. Schalke schwenkte später um auf börsennotierte Unternehmensanleihen.
Hamburger SV: Von 2012 bis 2019 hat es bereits eine Anleihe gegeben. 12,5 Millionen Euro wollte der HSV damals für den Bau des „HSV-Campus“ einnehmen, was auch binnen zwei Wochen funktioniert hat. Verzinst wurde die erste Anleihe mit sechs Prozent. Um Rückzahlungen zu minimieren und erneut frisches Geld zu besorgen, wurde 2019 eine zweite Anleihe gestartet. Laufzeit bis 2026, Volumen 17,5 Millionen Euro.
1. FC Köln: Die 2005 gestarteten Fan-Anleihen sind nun schon in der dritten Generation angekommen. Die aktuelle Anleihe startete 2016 und läuft bis 2024. Der Zins ist mit 3,5 Prozent nur etwas für echte Fans, nicht aber für renditebewusste Fremdanleger. Das Gesamtvolumen: 15,5 Millionen Euro. Fans können von 100 bis 5 000 Euro anlegen.
Schalke 04: Die Schalker sind 2010 mit einer Fan-Anleihe (Volumen: 11 Millionen Euro) gestartet, seit 2012 setzt der Club aber auf Unternehmensanleihen (bei Werder Mittelstandsanleihe genannt). Auf die Einnahme von bis zu 50 Millionen Euro ist das Modell ausgelegt. Die Verzinsung liegt bei 4,25 bis 5 Prozent.
Besonderheiten: Zu Fan-Anleihen gehören häufig Schmuckanleihen, auch Schmuckaktien genannt. Heißt: Die Anleihe wird als ein dekoratives Dokument ausgegeben, ist aber nicht Teil eines Wertpapierdepots. Zins- und Rückzahlungen müssen beantragt werden, mitunter verzichtet der Fan darauf, um das Papier nicht abgeben zu müssen und weiter als Wandschmuck nutzen zu können. Er schenkt dem Verein damit sein Geld.
Negatives Beispiel: Alemannia Aachen gab 2008 zur Finanzierung des Stadionbaus die „Tivoli-Anleihe“ heraus. 2013 meldete der Club dann Insolvenz an, die Fans verloren ihr Geld. (csa)