Zur letzten Meldung vom 01. Dezember 2020:
Bremen – Der Machtkampf beim SV Werder Bremen geht weiter. Nun wurde bekannt, dass die ehemaligen Geschäftsführer Klaus-Dieter Fischer (79) und Manfred Müller (76) eine „Gruppe besorgter Vereinsmitglieder“ um Ex-Manager und Ex-Aufsichtsratschef Willi Lemke (74) beraten haben. Dabei geht es auch um die Zukunft von Hubertus Hess-Grunewald (60). Der Vereinspräsident und Geschäftsführer in Personalunion schießt derweil in einem Interview harsch zurück und trifft dabei unfreiwillig auch Sportchef Frank Baumann (45).
Wie viele Personen genau zu dieser „Gruppe besorgter Vereinsmitglieder“ gehören, ist nicht bekannt – zehn sollen es sein. Eigentlich wollten sich die Beteiligten im Hintergrund halten und erst bei der für Mitte November angesetzten, aber wegen Corona abgesagten Mitgliederversammlung des SV Werder Bremen an die Öffentlichkeit gehen. „Nach meiner Kenntnis ist es eine Gruppe um Willi Lemke, Jörg Wontorra und Lars Figura“, outete nun Hubertus Hess-Grunewald in einem Interview mit dem „Weser Kurier“ einige mögliche Mitglieder der Vereinigung: „Sie hat offenbar das Ziel, zu einer veränderten Vereinspolitik zu kommen. Florian Kohfeldt wird da zum Beispiel sehr kritisch gesehen.“ Hess-Grunewald griff im Interview auch Spekulationen auf, Wontorra plane eine Rückkehr in den Aufsichtsrat, dem der 72-Jährige schon mal von 1999 bis 2003 angehört hatte.
TV-Moderator Jörg Wontorra reagierte verwundert. „Ich bin kein Teil einer Gruppe. Ich weiß nicht, woher Hubertus das hat. Es gibt auch keine Zusammenrottung“, meinte Wontorra auf Nachfrage der DeichStube: „Wenn ein Termin für die Mitgliederversammlung feststeht und mich jemand fragen würde, ob ich im Aufsichtsrat sein möchte, dann könnte ich mir vielleicht Gedanken darüber machen – aber auch nur vielleicht.“
Rechtsanwalt Lars Figura (44), 2000 und 2001 Deutscher Meister über 400 Meter, kritisiert seit Jahren die Vereinsführung und ist dabei für seine langen Reden bei den Mitgliederversammlungen bekannt. Ihm wird nachgesagt, das Amt des Präsidenten bei Werder Bremen anzustreben.
Auch Klaus-Dieter Fischer und Manfred Müller sollten sich dieser „Gruppe besorgter Vereinsmitglieder“ anschließen, lehnten dies aber ab. „Das kam für uns nicht infrage“, berichtete Müller auf Nachfrage der DeichStube, bestätigte allerdings: „Sie haben uns um Hilfe bei Fragen zur Satzung gebeten – und da haben wir ihnen die entsprechenden Antworten geschickt. Weil wir das aber nicht heimlich machen wollten, haben wir diesen Brief auch an den Verein, die Geschäftsführung und den Aufsichtsrat weitergeleitet.“
Schließlich geht es nicht gerade um Kleinigkeiten, sondern zum Beispiel um eine Vergrößerung des Aufsichtsrates von sechs auf neun Mitglieder. Damit würde nicht nur Platz für neue Gesichter geschaffen, sondern auch die Macht von Marco Bode beschnitten. Der Ex-Profi besitzt als Vorsitzender in der aktuellen Konstellation mit sechs Mitgliedern eine zweite Stimme, um Pattsituationen zu lösen. Noch größere Folgen hätte allerdings der zweite Vorschlag: Demnach soll der Verein nicht mehr einen der drei Geschäftsführer im ausgegliederten Profi-Sport – also der GmbH & Co. KG aA – stellen, sondern nur noch im Aufsichtsrat (als Vorsitzender plus zwei weitere Mitglieder) vertreten sein. Dadurch würde Hess-Grunewald seinen nicht gerade schlecht dotierten Hauptjob als Geschäftsführer verlieren. Für den hatte der 60-Jährige 2014 eigens seine Rechtsanwaltskanzlei aufgegeben. Als Vorsitzender des Aufsichtsrates müsste er sich nach aktuellem Stand mit einer Aufwandsentschädigung begnügen.
Hubertus Hess-Grunewald nannte jedoch einen anderen Aspekt, warum er dies für keine gute Lösung hält: „Wir hatten den Mitgliedern bei der Ausgliederung versprochen, dass der Einfluss des Vereins auch im operativen Geschäft erhalten bleiben soll. Meine Aufgabe ist es, diese Balance zu erhalten.“ So wie es Fischer früher gemacht hat – Hess-Grunewalds Vorgänger. Was Fischers Hilfe für die Opposition sehr pikant macht. Die Beiden sind sich allerdings schon lange nicht mehr grün. Zum Spielball im Machtkampf beim SV Werder Bremen ist auch Frank Baumann geworden. Lemke hatte es als Affront gegenüber den Mitgliedern bezeichnet, dass der aktuelle Aufsichtsrat den im Sommer auslaufenden Vertrag mit dem Sportchef noch vor Weihnachten verlängern will.
Eigentlich hätte sich das Kontrollgremium im November zur Wahl stellen müssen, die gibt es nun wegen Corona wohl erst im Frühjahr. „Ich erinnere an Ende Mai 2016, als der damalige Aufsichtsrat – mit Willi Lemke als Mitglied – Frank Baumann einen langjährigen Vertrag angeboten hat, obwohl auch da schon klar war, dass sechs Monate später ein neuer Aufsichtsrat gewählt wird. Damals habe ich diese Kritik nicht von ihm vernommen“, hielt Hess-Grunewald nun Lemke vor und mahnte hinsichtlich der Baumann-Zukunft: „Es wäre doch fatal, wenn auf dieser Position erst Ende Mai geklärt werden würde, wer ab 1. Juli die Geschäfte führt.“
Nach der Unterstützung für den Geschäftsführer-Kollegen mischte sich Hess-Grunewald überraschend noch in die Vertragsverhandlungen mit Baumann ein. Die führt eigentlich allein der Aufsichtsrat, der eine langfristige Zusammenarbeit mit dem Sportchef anvisiert, während Kritiker maximal eine Verlängerung um ein Jahr für akzeptabel halten. „Aber natürlich kann man über die Laufzeit des Vertrages nachdenken, über die mit Frank Baumann gesprochen wird, um etwaige Bedenken auch noch zu berücksichtigen“, meinte Hess-Grunewald und dürfte dafür Beifall der Baumann-Kritiker bekommen. Vom Sportchef selbst eher nicht. Das passt irgendwie in die unruhigen Zeiten beim SV Werder Bremen. (kni)