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Taktischer Vorteil schlecht ausgespielt: Werder Bremen gegen Hannover 96 in der Analyse

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Trainer Markus Anfang in Aktion - Werder Bremen gegen Hannover 96 in der Taktik-Analyse.
Trainer Markus Anfang in Aktion - Werder Bremen gegen Hannover 96 in der Taktik-Analyse. © imago images / Laci Perenyi

Das erste Zweitliga-Spiel des SV Werder Bremen nach 40 Jahren hinterlässt gemischte Gefühle. Werder erarbeitete sich taktische Vorteile gegen Hannover 96, meint Deichstube-Taktikanalyst Tobias Escher. Doch noch funktioniere Markus Anfangs System nicht reibungslos.

Zeit: So hieß das Bremer Lieblingswort nach dem 1:1-Unentschieden gegen Hannover 96. „Wir brauchen noch Zeit“, konstatierte Werder-Kapitän Ömer Toprak. „Wir haben eine schwere Zeit hinter uns“, sagte Trainer Markus Anfang. Beides war beim Zweitliga-Auftakt zu spüren. Werder Bremen braucht Zeit, um das System von Anfang zu verinnerlichen. Zugleich fehlte das Selbstvertrauen, um die durchaus vorhandenen Ansätze auszuspielen.

4-3-3-System mit Kniffen: Werder Bremen gegen Hannover 96 in der Taktik-Analyse

Markus Anfang hatte sich bereits früh in der Vorbereitung auf ein 4-3-3-System festgelegt. Er musste dafür personell einige Kompromisse eingehen: Stoßstürmer Josh Sargent begann auf dem rechten Flügel, der neu verpflichtete Innenverteidiger Anthony Jung musste als Linksverteidiger ran. Werders 4-3-3-System wartete mit einigen Kniffen auf: Im Spielaufbau zogen die Außenverteidiger diagonal ins Mittelfeldzentrum. Sie positionierten sich neben Sechser Maximilian Eggestein. Die Flügel besetzten die Außenstürmer Sargent und Felix Agu. Werder Bremen baute das Spiel in einem 2-3-2-3-System auf.

Hannover 96 hatte große Schwierigkeiten mit dem Bremer Spielaufbau. Sie verteidigten in einem klassischen 4-2-3-1. Die drei zentralen Mittelfeldspieler nahmen Werders Drei-Mann-Mittelfeld in Deckung. Gegen die eingerückten Außenverteidiger der Bremer hatten sie hingegen keine Lösung. Das Hannoveraner Mittelfeld stand ständig vor der Frage: Wen sollen wir decken? Yuya Osako und Niklas Schmidt im Mittelfeld? Oder die vorgerückten Außenverteidiger? Werder Bremen erarbeitete sich einen systematischen Vorteil.

Mehrere Lösungswege für Werder Bremen - die Taktik von Trainer Markus Anfang in der Analyse

Werder Bremen fand gleich mehrere Wege, das 4-2-3-1 der Hannoveraner zu umspielen. Sobald die Hannoveraner auf Bremens Außenverteidiger vorrückten, spielte Werder den Pass zu den freiwerdenden Mittelfeldspielern. Gerade Osako überzeugte mit seiner Raumintelligenz. Er bekam den Ball häufig freistehend zwischen den Linien. Im Verlaufe der Spielzeit versuchte Hannover 96, auf anderem Wege die Bremer Außenverteidiger zu decken. Ihre Außenstürmer rückten weit ins Zentrum. Sie passten auf die einrückenden Außenverteidiger auf. Dadurch verwaisten jedoch die Flügel. Bremen nutzte dies für lange Verlagerungen auf die freistehenden Außenspielern. Besonders Toprak wählte häufig den hohen Diagonalball auf Sargent.

Der Spielaufbau des SV Werder Bremen funktionierte: Immer wieder kamen die Bremer mit Tempo in die gegnerische Hälfte, sei es durch das Zentrum oder über den freien Sargent auf der rechten Seite. Was fehlte, war die Anschlussaktion: Werder verschleppte in der gegnerischen Hälfte das Tempo, übersah den freien Mann, verpasste den Abschluss. Hannovers Viererkette konnte sich passiv zurückziehen, ohne Gefahr zu laufen, dass Werder mit Tempo auf die Kette zuläuft. Das taktische Verhalten im letzten Drittel war bereits in der Abstiegssaison ein großes Problem. Es hat sich noch nicht verbessert.

Defensive Schwierigkeiten beim SV Werder Bremen: Die Taktik-Analyse

Defensiv hatte Werder Bremen die Partie lange Zeit im Griff. Hannovers Angriffe waren weit weniger ausgereift als der Bremer Spielaufbau. Die 96er versuchten, Überzahlen auf dem Flügel herzustellen. Häufig spielten sie geradewegs die Seite entlang. In der ersten Halbzeit endete fast jeder Angriff mit einer Flanke. So simpel Hannovers Angriffe waren: Sie stellten Werder im Verlaufe der Partie dennoch vor herbe Probleme. Die Bremer setzten in ihrem defensiven 4-1-4-1-System auf Mannorientierungen. Im Mittelfeld deckten die Bremer Akteure ihre Gegner eng. Das funktionierte, solange Werder hoch presste und den Spielaufbau des Gegners zustellte.

In der Schlussphase fehlte Werder Bremen dazu jedoch die Kraft. Nun entpuppte sich das Mittelfeld als Schwachstelle: Immer wieder ließen sich die zentralen Akteure aus der Position ziehen, immer wieder klafften große Lücken zwischen den Spielern. Hannovers Außenakteure rückten im Verlaufe der zweiten Halbzeit ins Zentrum, um diese Lücken zu besetzen. Werders Außenverteidiger verpassten es wiederum, herauszurücken und den Gegner zu stellen.

Der Spielaufbau des SV Werder Bremen und welche Probleme Hannover 96 damit hatte. Die Außenverteidiger rückten leicht ins Zentrum, sodass Hannovers Doppelsechs wählen musste. Bei Yuya Osako und Niklas Schmidt bleiben? Oder herausrücken auf die Außenverteidiger?
Der Spielaufbau des SV Werder Bremen und welche Probleme Hannover 96 damit hatte. Die Außenverteidiger rückten leicht ins Zentrum, sodass Hannovers Doppelsechs wählen musste. Bei Yuya Osako und Niklas Schmidt bleiben? Oder herausrücken auf die Außenverteidiger? © DeichStube

Werder Bremen um Trainer Markus Anfang in der Taktik-Analyse: Gute Ansätze gegen Hannover 96, klare Mängel

Die Wechsel im Verlaufe der Partie halfen den Hannoveranern mehr als den Bremern. Werder Bremen verharrte im eigenen 4-3-3-System, während die Hannoveraner zumindest ihre Außenpositionen etwas anders besetzten. Mit der Zeit rückten die Außenstürmer weiter ein, während Stürmer Marvin Ducksch häufiger auswich. Das stellte die 4-1-4-1-Defensive der Bremer vor Probleme. Auch konditionell wirkten die Hannoveraner stärker als die Gastgeber. Ducksch ließ jedoch gleich mehrere Möglichkeiten aus, sodass es beim 1:1 blieb.

Werders Zweitliga-Start kennzeichneten noch immer dieselben Mängel der Abstiegssaison: Anfangs neues Spielsystem mag um den Mittelkreis herum funktionieren. Sowohl im eigenen als auch im gegnerischen Drittel offenbarte sein Team jedoch Mängel. So konnten die Bremer ihre starken Ansätze im Spielaufbau nur selten ausspielen. Markus Anfang braucht vor allem eines: Zeit – um die alten Wunden zu vergessen und um die neuen Ideen zu festigen.

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