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Schulter an Schulter gegen Homophobie

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Das Rugby Team der Berlin Bruisers.
Das Rugby Team der Berlin Bruisers. © dpa

Berlin - Es wird geschwitzt, gebrüllt und einem Ball hinterher gerannt: Männlicher als Rugby kann Sport eigentlich nicht sein. In Berlin hat nun eine Gruppe homosexueller Männer den Kontaktsport für sich entdeckt.

Der Schweiß tropft in den umliegenden Schnee. In lila T-Shirts und kurzen Hosen werfen sich Adam Wide und seine Mitstreiter ovale Bälle zu. Als Wide einen Ball fängt, reißt ihn ein Teamkollege wüst zu Boden. Sie spielen auch an diesem kalten und verschneiten Wintertag eine der härtesten Sportarten der Welt - Rugby. Dabei gehören Wide und fast alle seiner Teamkollegen zu Menschen, die laut Vorurteilen ganz und gar nicht als harte Kerle gelten: 43 der 45 Männer in Wides Team sind schwul. Sie bilden nach eigenen Angaben das erste homosexuelle Rugbyteam in Deutschland.

„Berlin Bruisers“ - so nennt sich das Team, das dreimal in der Woche im Tiergarten oder auf einem Sportplatz in Grunewald trainiert. In Europa gibt es laut Wide 20 schwule Rugbyteams, in den USA sogar eine eigene Liga für homosexuelle Mannschaften.

Eine klassische Rugby-Mannschaft besteht aus 15 Feldspielern, die vor allem diese Attribute erfüllen müssen: kampflustig, kräftig, mutig. Der gebürtige Engländer Wide stellt fest: „Du nimmst deinen Kopf herunter und rennst in andere Körper hinein. Das ist nicht sehr einfühlsam.“ Mit den Vorurteilen über Homosexuelle unvereinbar, klar, sagt Wide.

Genau gegen diese Vorurteile wollen die Bruisers antreten. „Als Rugbyteam brechen wir mit den typischen Stereotypen. In unserer Gemeinschaft laufen nicht nur Dragqueens herum. Das ist zwar auch ein Teil - aber nicht alles“, erzählt Wide. In Berliner Schulen wollen die Bruisers demnächst über Mobbing und Ausgrenzung sprechen.

Bruisers-Trainer ist seit vier Monaten der 24 Jahre alte Michael Felts. Mit tiefer Stimme brüllt er professionelle Anweisungen durch den Tiergarten. Er ist gebürtiger US-Amerikaner, spielte in der Highschool erfolgreich Rugby - und ist heterosexuell. Er sagt: „Die Jungs sind nicht so aggressiv wie andere Rugbyspieler. Ansonsten ist das hier aber wie bei einem heterosexuellen Team.“ Naja, fast zumindest: „In den Pausen quatschen die Jungs ununterbrochen, da muss man sich als Trainer erstmal Gehör verschaffen.“ 45 Männer aus zwölf Nationen sind unter Felts Regie zu einem Team geworden - obwohl nur fünf Spieler zuvor je einen Rugbyball in den Händen gehalten haben. Es sei kein Zufall, dass gerade in Berlin ein schwules Rugbyteam entstanden sei, sagt Wide. Er selbst wohnt in einer Gegend der Stadt, wo Läden „Boys'r'us“ heißen und Apotheken mit „Eros“-Gleitgel werben. „Berlin ist die toleranteste Stadt, in der ich bislang gelebt habe.“

Begonnen habe alles mit einer Schnapsidee: Dave Egan, eines der Teammitglieder, meinte nach einigen Getränken in einer Kneipe, es müsse endlich ein Rugbyteam für Schwule geben. Gerade hier in Berlin, dieser Stadt, die doch so offen sei. In einem schwulen Netzwerk fragte er, wer darauf Lust hätte. Rugby sei dafür der ideale Sport, weil er integrativ und facettenreich sei, erklärt Wide. „15 Positionen, auf jeder müssen Spieler mit unterschiedlichen Figuren eingesetzt werden: auf der einen Seite ein Bodybuilder, auf der anderen der winzige und wendige Läufer.“

In Köln versuche sich laut Wide derzeit ein Team nach dem Vorbild der Bruisers zu organisieren. Beim Deutschen Rugbyverband (DRV) erhält die Idee Zuspruch: „Es ist absolut zu begrüßen, wenn sich ein neues Team bildet - egal ob hetero oder homo“, sagt DRV-Sprecher Jens Beeskow. Rugby sei ein Sport, in dem es kameradschaftlich zugehe und Religion oder Sexualität keine Rolle spielten. „Man kämpft einfach Schulter an Schulter.“ Gegner und Schiedsrichter würden - anders als manchmal in anderen Sportarten - stets akzeptiert. Alexander Schmidt vom Berliner Rugbyverband sagt: „Ich kann mir das sehr gut vorstellen, dass das Team bald in einer Liga mitspielt.“

Coach Felts hält das noch für unrealistisch. Aber: Aus der Schnapsidee ist inzwischen ein ernsthaftes Unterfangen geworden. Mittlerweile, sagt Wide, wollen heterosexuelle Männer zu den Bruisers kommen, nachdem sie die Tacklings im Tiergarten verfolgt hätten. „Ein Heterosexueller, der in eine schwule Gemeinschaft hineinwill. Ich kannte sowas bislang nur andersherum.“ Gegen die Emerald Warriors aus Dublin wollen die Bruisers Mitte März in Berlin ihr erstes offizielles Spiel austragen. „Dann bekommen wir ein Feedback, wie gut wir wirklich sind“, sagt Wide. „Unsere Ambition ist aber einfach, guten Rugby zu spielen. Wo immer uns das hinführt.“

dpa

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