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Rheuma-Mittel als Corona-Medikament: Tocilizumab „verbesserte die Überlebenschance“ bei schwerem Verlauf

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 Eine Krankenschwester auf der Intensivstation am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, steht am Bett einer Patientin.
Eine Corona-Studie untersucht den Einfluss eines Rheuma-Medikaments auf den Krankheitsverlauf. (Symbolbild) © Frank Molter/dpa

Studien untersuchen die Wirkung von Rheuma-Medikamenten auf Infektionen mit dem Coronavirus. Sie könnten bei der Behandlung von Covid-19 wichtig werden. 

Frankfurt - Neben der Forschung an Impfstoffen gegen das Coronavirus* wird weltweit auch an Medikamenten geforscht. Dabei geht es bei weitem nicht nur um die Entwicklung neuartiger Corona-Medikamente. Viel mehr wird auch verschärft untersucht, welche Rolle bereits bestehende Arzneien gegen das Virus spielen können.

Bereits im Vorjahr wurde über einen Erfolg auf der Suche nach einem Medikament berichtet. Das Steorid Dexamethason senke die Sterblichkeitsrate bei Erkrankten. So war die Sterblichkeit nach 28 Tagen bei künstlich beatmeten Patient:innen um ein Drittel geringer, wenn sie das Steroid verabreicht bekamen. 2104 Patient:innen mit unterschiedlich schwerem Krankheitsverlauf wurde in der Corona-Studie für zehn Tage einmal täglich sechs Milligramm Dexamethason gegeben. Das Medikament wurde in der Vergangenheit hauptsächlich gegen entzündliche Hauterkrankungen und Entzündungen der Gelenke wie Arthritis eingesetzt. Seine Wirkung wird als entzündungshemmend und immunschwächend beschrieben.

Corona-Medikament: Nach Erfolg mit Steroid wird nun ein Rheuma-Medikament untersucht

Eine weitere großangelegte Studie deutet jetzt darauf hin, dass die Zugabe eines Medikaments gegen Rheuma die Sterblichkeit von Erkrankten womöglich nochmals deutlich weiter verringern könnte. Dadurch, dass Dexamethason Menschen mit Covid-19 und hypoxischem Lungenschaden bereits geholfen hätte, müsse in der Konsequenz auch die Wirkung anderer Medikamente untersucht werden, die sich auf das Immunsystem auswirken. Mit dieser Theorie im Hinterkopf testeten Forschende der „Recovery Collaborative Group“ ihre Hypothese mit mehr als 4000 Proband:innen.

Eine erste Vorveröffentlichung der Corona-Studie ist auf dem Preprint-Server „MedRxiv“ publiziert worden. Hier muss beachtet werden, dass es sich erstens um vorveröffentlichtes Material handelt und zweitens die Corona-Studie noch nicht von Fachleuten aus der Wissenschaft begutachtet wurde.

MedikamentPrimäres Anwendungsgebiet
DexamethasonUnterdrückt Immunsystem um allergische und entzündliche Prozesse zu stoppen.
TocilizumabAntikörper wirkt entzündungshemmend. Einsatz unter anderem bei rheumatoider Arthritis.
SarilumabAntikörper reduziert Entzündungen und andere mit rheumatoider Arthritis assoziierte Symptome.
Quelle: Gelbe Liste

Rheuma-Medikament gegen Corona? Studie mit über 4.000 Teilnehmenden

In der Corona-Studie bekam circa die Hälfte der Probanden die Rheuma-Medikamente Tocilizumab oder Sarilumab. Alle Versuchsteilnehmenden wurden künstlich mit Sauerstoff versorgt. Einige invasiv, der größte Teil jedoch ohne Intubation. Die meisten (82 Prozent) der Teilnehmenden bekamen außerdem Kortikosteroide wie Dexamethason. Von den Patient:innen, die kein Tocilizumab erhielten, verstarben 33 Prozent. In der Gruppe der Proband:innen, die Tocilizumab erhielten, sank dieser Wert auf 29 Prozent. Die absolute Differenz liegt dabei bei vier Prozent. Das bedeutet, dass pro 25 Fällen ein zusätzliches Leben durch die Zugabe des Medikaments gerettet werden kann.

„Die Behandlung mit Tocilizumab verbesserte die Überlebenschance und die Chance darauf, das Krankenhaus nach 28 Tagen lebend verlassen zu können. Außerdem verminderte es das Risiko invasiv beatmet werden zu müssen“, resümieren die Wissenschaftler:innen. Dieser positive Effekt sei bei allen Krankheitsverläufen erkennbar gewesen, heißt es weiter. Der positive Einfluss von Tocilizumab oder Sarilumab wird dabei in engem Zusammenhang mit der Behandlung mit Steroiden wie Dexamethason gesehen.

Corona: Rheuma-Medikamente könnten laut Studie helfen

In Kombination könnten beide Mittel dabei helfen, die Sterblichkeit von Corona-Patient:innen zu senken. Das Sterblichkeitsrisiko bei Menschen, die nur zusätzlich Sauerstoff verabreicht bekämen, könne um ein Drittel gesenkt werden. Personen, die künstlich und invasiv beatmet werden, profitieren noch mehr, erklären die Wissenschaftler:innen in ihrer Studie. Das Risiko für diese Gruppe zu versterben, sei mit der Zugabe der Medikamente fast um die Hälfte geringer.

Die Ergebnisse sind zwar vielversprechend, sollten jedoch unter Vorbehalt gelesen werden. Denn zum einen handelt es sich bei der Studie, wie schon erwähnt, um eine Vorveröffentlichung, die noch in keinem anerkannten Magazin publiziert wurde. Einen anderen Kritikpunkt merkt das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ an. Demnach hätten vorangegangene Studien noch keinen eindeutigen Effekt von Tocilizumab auf die Sterblichkeit von Patient:innen aufzeigen können. Kritisch sei außerdem zu sehen, dass es sich bei Tocilizumab um ein Medikament handelt, das um ein vielfaches teurer ist als Kortikosteroide. Der zusätzliche Nutzen der Rheuma-Mittel zusammen mit dem Kortikosteroid müsse durch weiter Studien untersucht werden.

Corona-Studie: Rheuma-Medikamente könnten das Sterberisiko senken – weitere Studie stützt Ergebnisse

Eine weitere Corona-Studie konzentrierte sich jetzt ebenfalls auf die Nutzung von Rheuma-Medikamenten im Kampf gegen das Coronavirus – und das mit Erfolg. Mitgewirkt an der Studie hat das Uniklinikum Jena im Rahmen der Studiengruppe REMAP-CAP. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss aus Intensivmediziner:innen und Infektiolog:innen aus 14 Ländern, heißt es auf der Webseite des Klinikums. 800 Patient:innen wurden bei der Studie miteinbezogen, die bereits im „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht wurde. Neben der Wirkung von Tocilizumab wurde auch das Medikament Sarilumab in die Studie miteinbezogen.

Getestet wurde die Wirkung der Rheuma-Medikamente Tocilizumab und Sarilumab. 353 Patient:innen bekamen das erste Mittel, 48 Sariumab und 402 befanden sich in der Kontrollgruppe. Bei allen Teilnehmenden handelte es sich um Intensivpatient:innen, 70 Prozent von ihnen wurden künstlich beatmet. Die meisten von ihnen (über 90 Prozent) hatten zusätzlich Kortikosteroiden wie Dexamethason verabreicht bekommen. Nach der Einnahme des Medikaments benötigten diese Patient:innen „zehn Tage weniger eine Organunterstützung als die Kontrollgruppe, auch konnte das Risiko zu versterben um ein Viertel gesenkt werden“, so Frank Brunkhorst, Leiter des Studienzentrums und Professor für klinische Sepsisforschung am Uniklinikum Jena.

Patient:innen bekamen neben Rheuma-Medikament auch Dexamethason

Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass neben Kortikosteroiden wie Dexamethason nun „eine zweite gut bekannte und sichere Wirkstoffgruppe zur Verfügung, deren Einsatz bei der Behandlung schwerer COVID-19-Verläufe nachweislich wirksam ist“, erklärt Brunkhorst. Wichtig ist hier aber, dass die meisten der Patient:innen neben Rheuma-Mitteln wie Tocilizumab zusätzlich Dexamethason verabreicht bekamen. Wie auch das Uniklinikum Jena in seiner Pressemitteilung betont, belegen die Ergebnisse, dass schwerkranken Patient:innen die Rheuma-Mittel „in Ergänzung zu Kortisonpräparaten“ wie Dexamethason nutzten. (Sophia Lother) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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