Das Verschwinden des Sauerstoffs im Herbst kann auch nichts mit der Sonnenstrahlung zu tun haben, fanden die Forscher heraus. Würde die Sonneneinstrahlung Sauerstoffmoleküle in zwei Atome zerbrechen, die dann ins Weltall entweichen, würde es mindestens zehn Jahre dauern, um auf die gemessenen Werte zu kommen, so die Wissenschaftler.
„Wir tun uns schwer damit, das zu erklären“, sagt Melissa Trainer, eine Planetenwissenschaftlerin im Goddard Space Flight Center der Nasa. Weil das Verhalten des Sauerstoffs sich nicht jedes Jahr exakt wiederhol und die Werte schwanken, vermuten die Forscher, dass es sich nicht um ein Phänomen handelt, das mit der Atmosphärendynamik zu tun hat. „Es muss eine chemische Quelle sein, die wir noch nicht kennen“, so Trainer, die die Studie geleitet hat.
Die Schwankung des Sauerstoff-Gehalts in der Mars-Atmosphäre erinnert an die Schwankung von Methan in der Atmosphäre des roten Planeten. „Curiosity“ hatte gezeigt, dass der Methangehalt in der Mars-Atmosphäre, der normalerweise bei kaum messbaren 0,00000004 Prozent liegt, in den Sommermonaten um 60 Prozent ansteigt. Einen Grund dafür haben die Forscher bisher ebenfalls nicht gefunden.
Möglicherweise hängen die unerklärten Anstiege von Sauerstoff und Methan miteinander zusammen. Zumindest gelegentlich verschwinden beide Gase etwa zeitgleich, heißt es bei der Nasa. „Wir beginnen eine spannende Korrelation zwischen Methan und Sauerstoff auf dem Mars zu sehen“, sagt Atreya. „Ich glaube, da ist etwas. Ich habe nur die Antworten noch nicht. Niemand hat sie.“
Schwankungen von Sauerstoff und Methan auf dem Mars sind für die Forscher so interessant, weil beide Gase sowohl chemisch (durch geologische Prozesse) als auch biologisch entstehen können. Wie die Nasa in einer Mitteilung schreibt, schauen sich die beteiligten Wissenschaftler „alle Optionen“ an, sie hätten jedoch „keine überzeugenden Beweise für biologische Aktivität auf dem Mars“. Allerdings hat „Curiosity“ auch keine Instrumente an Bord, die definitiv nachweisen können, ob die Quelle für Methan oder Sauerstoff biologisch oder geologisch ist.
„Wissenschaftler gehen davon aus, dass nicht-biologische Erklärungen wahrscheinlicher sind“, heißt es bei der Nasa. Man arbeite daran, Erklärungen zu finden. Das Team um Melissa Trainer fasst den Marsboden als mögliche Quelle für den zusätzlichen Sauerstoff im Frühjahr ins Auge. Ein Experiment auf den „Viking“-Landern, die 1976 auf dem Mars gelandet sind, zeigte damals, dass Hitze und Feuchtigkeit Sauerstoff aus dem Marsboden lösen können. Allerdings fand das Experiment unter gänzlich anderen Bedingungen statt - und es erklärt nicht, wohin der Sauerstoff im Herbst wieder verschwindet.
„Wir haben es bisher nicht geschafft, einen Prozess zu finden, der die Menge an Sauerstoff produziert, die wir brauchen“, erklärt Timothy McConnochie, einer der Co-Autoren der Studie. „Wir glauben, dass es etwas im Oberboden ist, das sich saisonal ändert“, so McConnochie weiter. Es gebe einfach nicht genug Sauerstoff-Atome in der Atmosphäre, um das Verhalten zu erklären. Es ist dagegen allerdings bekannt, dass es im Marsboden Sauerstoff-Atome in der Form von Wasserstoffperoxid und Perchloraten gibt.
Die einzige Raumsonde auf dem Mars, die außer „Curiosity“ die Zusammensetzung der Mars-Atmosphäre in der Nähe der Oberfläche messen konnte, waren die Zwillings-Lander „Viking“. Deren Experimente erstreckten sich allerdings nur über einige Mars-Tage - sie sahen daher die saisonalen Schwankungen der Gase nicht.
„Das ist das erste Mal, dass wir dieses interessante Verhalten über mehrere Jahre beobachten können“, betont Trainer, die offen zugibt, dass die Wissenschaftler es noch nicht verstehen. „Für mich ist das ein Aufruf an all die schlauen Leute da draußen, die sich für das Thema interessieren: Schaut, was ihr herausfinden könnt.“
Gibt es Leben auf dem Mars? Diese Frage versuchen Wissenschaftler zu beantworten. Nun behauptet ein Forscher, der damals an den „Viking“-Missionen beteiligt war: Die Nasa hat bereits 1976 Leben auf dem Mars gefunden*. Der Nasa-Chefwissenschaftler geht dagegen davon aus, dass die Wissenschaft möglicherweise bei einer der nächsten Mars-Missionen Leben finden wird*. „Wir sind nicht darauf vorbereitet“, sagt er.
Derzeit ist unter anderem die Mars-Mission „InSight“ auf dem roten Planeten aktiv. In den Daten der Mission haben Forscher Erstaunliches entdeckt: Das Magnetfeld des Mars pulsiert gelegentlich* - und zwar um Mitternacht. Warum das so ist? Vielleicht geben die vier Missionen, die 2020 zum Mars aufbrechen*, eine Antwort. Dazu zählt unter anderem die Mars-Mission "Hope" der Vereinigten Arabischen Emirate und der Mars-Rover "Perseverance" der Nasa.
Forscher haben den europäischen „Trace Gas Orbiter“ (TGO) genutzt, um zu untersuchen, wie der Mars sein Wasser verloren hat. Der Mars-Orbiter TGO hat in der Atmosphäre des roten Planeten außerdem ein Phänomen entdeckt, das seit 40 Jahren dort vermutet wird: Die Mars-Atmosphäre leuchtet grün*. China fliegt zum Mars - die Mission „Tianwen-1“ hat nicht nur wissenschaftliche Ziele.
Von Tanja Banner
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