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Zeitverschwendung um Mitternacht: Überstunden für Quasselstrippen beim ARD-Talk am Dienstag

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Barbara Schöneberger und Hubertus Meyer-Burckhardt sind die Gastgeber der NDR Talk Show.
Barbara Schöneberger und Hubertus Meyer-Burckhardt sind die Gastgeber der NDR Talk Show. © NDR/Uwe Ernst

Nun gibt es auch am letzten Talkshow-freien Wochentag in der ARD ein Promi-Palaver.

„Und noch ein Talk Termin! Mehr fällt Ihnen nicht ein? Unglaublich. Ich will meine Gebühren zurück“, schrieb ein „KPR“ am Dienstagabend vor Sendebeginn auf der ARD-Webseite. Die anderen Kommentatoren waren ebenfalls ungnädig, vor allem wegen des Sendetermins: Von nun an will das Erste sein Publikum mit einer weiteren Talkshow beglücken, jeweils dienstags spätabends um 22.45 Uhr. 

Sendungen, die üblicherweise freitags im Abendprogramm ausgestrahlt werden, sollen nun also eine zweite Auflage pro Woche erleben, zum Teil jedenfalls, und dann im Ersten statt in den Dritten Programmen. Überstunden für Quasselstrippen gibt es künftig bei der „NDR Talk Show“ mit Barbara Schöneberger und Hubertus Meyer-Burckhardt, die den Anfang machten, wie für „3nach9“ mit Judith Rakers und Giovanni di Lorenzo. Dazu kommt Bettina Böttinger mit ihrem „Kölner Treff“. Weil man aber offenbar nicht nur Altbackenes servieren wollte, gibt es auch eine neue Show. Sie heißt „Hier spricht Berlin“, und Eva-Maria Lemke und Jessy Wellmer werden das Format präsentieren.

ARD-Talk am Dienstag: Entscheidung mutet seltsam an 

Die Entscheidung, den einzigen Wochentag, an dem es kein Promi- oder Polit-Palaver in der ARD gibt, nun auch noch mit einer Rede-Runde zu bestücken, mutet seltsam an. Zumal der Sendeplatz sonst nicht eindeutig festgelegt war und Raum für Produktionen ließ, die den Programmgestaltern zu ungewöhnlich oder anspruchsvoll für den TV-Film am Mittwoch schienen, wie etwa „Über Barbarossaplatz“ mit Bibiana Beglau oder Axel Ranischs „Familie Lotzmann“.

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Stattdessen nun freundliche Plauderei über das Menschlich-Allzumenschliche, bei der sich Besinnliches und Humor abwechseln sollen, wie die Gastgeber hoffen, und wenn’s sein muss, springt die notorisch aufgedrehte Barbara Schöneberger mit etwas Show ein. Für die Gags zuständig war diesmal Comedian Michael Mittermeier, der zufälligerweise demnächst in der ARD auftritt ... 

Die musikalische Begleitung besorgten Flemming Pinck und seine Hamburger Goldkehlchen, die gleich mal ihren Hit „Moin Moin Hamburg“ schmettern durften. Stephanie zu Guttenberg, ehemals Präsidentin der Initiative „Innocence in Danger“, kritisierte die mangelhafte digitale Ausstattung der Schulen und richtete einen Appell an die Smartphone-Benutzer, „das Ding auch mal wegzulegen“. Ihr zur Seite berichtete Schüler Lukas Pohland, ein Opfer von Cybermobbing, wie er das Handy als „digitale Waffe“ erlebt habe.

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Zur virtuellen Welt hat Franziska van Almsick, die erfolgreichste bundesdeutsche Schwimmerin, ein distanziertes Verhältnis, wie sie verriet. Sie wolle sich bei Instagram „nicht sagen lassen, dass sie scheiße aussehe“, wie sie formulierte. Ihr Anliegen war es, ihre Stiftung bekannter zu machen, die sich darum kümmert, dass Kinder schwimmen lernen. Und wenn auch keine Zahl genannt wurde, bleibt es doch ein erschütternder Fakt: Die zweithäufigste Todesursache bei Kindern unter zehn Jahren ist das Ertrinken. Wer ein Seepferdchen mache, könne noch nicht unbedingt schwimmen, mahnte die Sportlerin.

ARD-Talk am Dienstag mit „ARD-Dekolletee“

Talk am Dienstag, 24. September, 22.45 Uhr. Im Netz: ARD Mediathek (verfügbar bis 1.10.2019).

Die weiteren Sendetermine im Überblick: „Hier spricht Berlin“, 1. Oktober, 23 Uhr; „Kölner Treff“, 8. Oktober, 22.45 Uhr; „3nach9“, 15. Oktober, 22.45 Uhr.

Überraschend vielleicht das Bekenntnis des Schlagerstars Roland Kaiser (der zufälligerweise gerade eine neue CD veröffentlicht hat ...): „Ich bin nicht gerne im Mittelpunkt“ sagte der Mann, der bei seinen Konzerten schon mal vor mehr als zehntausend Menschen singt. Hier gab er, im Anzug mit gestreiftem Hemd und Krawatte eher einem Finanzbeamten auf Sonntagsausflug ähnelnd, mit Barbara Schöneberger* das nette Lied „Niemand“ zum Besten.

Der junge Anton Dalichau, als Antonia geboren, schilderte souverän seine Mann-Werdung und wie erst der Begriff Transgender ihm seine Situation verdeutlicht habe. Bei aller Coolness der Erzählung klang doch auch durch, wie belastend der Wechsel der Geschlechter-Identität sein muss, wenn man zum Beispiel Operationen und Therapie-Sitzungen durchmachen muss.

Zum programmgemäß heiteren Ausklang durfte dann die Gastgeberin im Dirndl samt Bierkrügen erscheinen („das ARD-Dekolletee“, kommentierte van Almsick trocken die enge Schnürung) und von Sonnyboy Felix Neureuther Tipps entgegennehmen, wie man auf dem Oktoberfest die Maß zu halten hat.

Alles in allem also zwei Stunden Zeitverschwendung um Mitternacht.

Von Daland Segler

*fr.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerkes.

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