Carl Grimes ist im Laufe der Geschichte zu einem kleinen „Badass“ herangewachsen - in der 100. Folge der Serie trat er sowohl optisch als auch seinen Taten nach in die Fußstapfen seines Vaters:
Der Heranwachsende wurde gleich zweimal angeschossen, sprang dem Tod von der Schippe und verlor sogar ein Auge. Gerade im Verlauf der Negan-Story zeigte er, was eigentlich in dem Sohn von Rick Grimes steckt. Er machte sich allein auf zu den Saviors, um Negan zu töten. Der Bösewicht mit Baseballschläger, Dauergrinsen und Dauermonologen aber fand schnell Gefallen an dem „zukünftigen Serienkiller“, wie er ihn bei der berühmt-berüchtigten Kopf-Einschlag-Szene am Ende der 6. Staffel nannte. Doch so sehr Carl auch „Badass“ war, so sehr zeigte er auch seine kindliche verletzliche Seite, als er in Gegenwart von Negan in Tränen ausbrach.
Carl Grimes hatte leider in der achten Staffel wenig bis gar nichts zu tun. Sein Tod wurde zudem im Halbstaffelfinale mit dem Holzhammer angedeutet, denn plötzlich hatte er Screentime. Viel Screentime. Und einen bedeutungsschwangeren Dialog mit Rick. Geübte TWD-Fans wissen, was das in 90 Prozent der Fälle bedeutet: Mach dein Testament.
Es ist schon bittersüß, dass er bereit war, sich für die Gruppe zu opfern, als Negan mit seiner Gang mal wieder vor den Toren von Alexandria aufgekreuzt ist – genau in dem Wissen, dass er durch den Biss ohnehin dem Tode geweiht war.
Wir trauern mit Rick (kann er denn nicht endlich mal eine Pause von Leid und Trauma bekommen!?) und Michonne, die schon einmal einen Sohn verloren hat. Wir trauern aber auch und vor allem um das nicht ausgeschöpfte Potenzial von Carl. Wie sehr viel bedeutsamer und ergreifender wäre sein Tod, wenn Carl selbst zuvor mehr Bedeutung bekommen hätte? Wenn er zum Beispiel eine süße, innige Teeny-Romanze mit Enid angefangen hätte? Immerhin haben sich die beiden schon verstohlen geküsst. Leider wurde daraus nichts gemacht.
Wie gesagt ist Carl besonders interessant, weil er als Kind in die Zombie-Apokalypse geschmissen wurde und mittlerweile zum Teenager herangewachsen ist. Wie prägt die neue Welt die junge pubertierende Generation? Können die Jungs und Mädels vielleicht trotzdem so etwas wie die erste aufregende Liebe erfahren? Die Serie bleibt uns eine solche Situation leider schuldig. Stattdessen wird eine Ballerei an die andere gereiht.
Die TWD-Fangemeinde schwankt zwischen Trauer, Ungläubigkeit und jeder Menge Wut. Denn die Entscheidung von Showrunner Scott Gimple ist kaum nachzuvollziehen. Carl nimmt in der Comic-Vorlage noch eine immens wichtige Rolle ein. Er ist zudem wichtig für viele Charaktere. Rick natürlich, Michonne, seine kleine Halbschwester Judith. Überhaupt die ganze Clique um Rick, Maggie und Carol, die sich schon so lange kennen. Für Rick wird dies ein herber traumatischer Einschlag sein, der größte seit langer Zeit. Wie wird es ihn verändern?
Zu Beginn der Staffel haben wir zwei Visionen gesehen: eine, in der Rick mit Michonne, Carl und Judith glücklich lebt, sowie eine, in der Rick verstört und mit roten Augen durch die Gegend läuft. Es dürfte wohl klar sein, welche dieser Zukunftsvisionen nicht mehr Realität werden wird.
Aber vielleicht, ja, vielleicht ist Carl ja immun? Oder er hat sich doch unter dem Müllcontainer verkrochen? Erinnerungen an Dumpstergate mit Glenn werden wach und ja: Carl ist noch nicht tot. Sein drohendes Ableben wurde nur als Cliffhanger eines Halbstaffelfinales genutzt, um einen schockierenden Moment zu schaffen, über den alle sprechen. Das wurde auch vorher so von den Machern angekündigt.
Wird es der Serie, die seit geraumer von einem Quotentief ins nächste stürzt, nützen? Zweifelhaft. Wird es ihr schaden? Wohl eher. Denn viele Fans verbindet schon seit der siebten Staffel nunmehr nur noch eine Hassliebe mit der Serie. Die ermüdende „All Out War“-Storyline rund um Negan und die Saviors, das abgrundtief dumme Verhalten vieler Charaktere, die Story, die sich immer wieder im Kreis dreht... vieles strapaziert arg die Nerven. Da wirken solche Entscheidungen wie die mit Carl wie ein verzweifelter Versuch, mal wieder etwas Pfeffer in eine fade Mahlzeit zu bringen. Ob das wirkt, darf bezweifelt werden.
Der Tod von Carl wäre eigentlich der bislang größte Sargnagel für die Serie „The Walking Dead“. Carl wird sehr vermisst werden. Aber wenigstens würde er bald Carols tote Tochter Sophia bei einer großen Dose Schokopudding erzählen können, was für ein „Badass“ ihre Mama geworden ist.
RIP Carl Grimes! Aber bitte lass doch den schicken Sheriff-Hut zurück...
Ob auch Scott Wilson den Serientod in der neunten Staffel sterben wird? Denn der Schauspieler, der den Farmer Hershley spielte, starb mit 76 Jahren an Leukämie.
Von Britta Buntemeyer für kreiszeitung.de