In Kiew selbst läuft fast alles nach ESC-Routine, wenige Sekunden zieht ein Flitzer blank. Er stürmt während einer Pauseneinlage die Bühne. Der große ESC-Skandal ist bereits Wochen vor der Glitzerveranstaltung ausgetragen worden - Russland ist nach einem diplomatischen Streit ausgestiegen.
Dass dann Moskau aber mit einer Art Trojanischem Pferd trotzdem irgendwie teilnimmt, nehmen die Zuschauer nur am Rande wahr. Der Bulgare Kristian Kostov ist eigentlich Moskauer. Ob jugendliche Albernheit oder aus Solidarität zu der gesperrten russischen Künstlerin Julia Samoilowa: Der 17-Jährige kündigt einem russischem Fernsehteam an: „Im Falle eines Sieges zertrümmere ich euch die gläserne Siegestrophäe!“. Erst Stunden später zieht er es als „Witz“ zurück. Ob das Bulgarien - mit Italien und Portugal einer der Favoriten - am Ende die entscheidenden Stimmen gekostet hat?
Alles in allem fällt auf: Die Kandidaten sind sehr jung. Die Sänger aus Australien, Belgien und Bulgarien sind gerade mal 17 Jahre alt, Kostov gar der erste Teilnehmer überhaupt, der im 21. Jahrhundert geboren wurde. Zudem nutzten die Länder vermehrt ihre Muttersprache in ihren Liedern: Weißrussland zeigt heimischen Folk-Rock, Ungarn lässt einen Roma rappen, Francesco Gabbani bringt Italo-Charme auf die Bühne.
im Finale vollkommen. Den einzigen Stirnrunzel-Faktor, Slavko Kalezic aus Mazedonien, kickten die Zuschauer bereits im ersten Halbfinale raus. Er konnte trotz meterlanger Zopfpeitsche nicht überzeugen. Übrig blieben: Drama in weißen, brautähnlichen Kleidchen, lange Frauenbeine und strenge Choreographien aus dem Mittelmeerraum.
In dieser glatten Bonbonwelt sticht der Portugiese Sobral eindeutig hervor. Er lebt seine Lieder selbst bis in die Fingerspitzen. „Ich habe nie ein Lied geschrieben, um im Radio gespielt zu werden“, sagt Sobral nach seinem Sieg. Er selbst sieht den Rummel gelassen: „Nächsten Monat erinnert sich keiner mehr daran.“
dpa