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Das Miststück mischt sich ein

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Richterin Candela Montes (Candela Peña).
Richterin Candela Montes (Candela Peña). © arte

Die kalte Seite der Kanaren: Im spanisch-französischen Krimimehrteiler „Hierro“ ermittelt eine Richterin auf der gleichnamigen Insel im Atlantik.

Die überlaufene Kanareninsel Teneriffa ist zum Synonym geworden für einen Tourismus, der Ressourcen zehrt und der Umwelt schadet, ohne dass die lokale Bevölkerung entscheidend profitiert. Zweieinhalb Schiffsstunden entfernt liegt die sprödere, sturmzerzauste Schwesterinsel El Hierro. Schroffe Felsen, kein Strandleben, auf den Bergen von eiskalten Winden umweht. Eine Art Verbannungsort für die Richterin Candela Montes (Candela Peña). Warum sie nach El Hierro versetzt wurde, bleibt ihr Geheimnis. Aber recht schnell schon zeichnet sich ab, dass ihr Naturell damit zu tun haben könnte. Sie ist resolut und störrisch, zielbewusst auch um den Preis, es sich mit Menschen in ihrer Umgebung zu verscherzen. 

Richterin Montes mischt sich ein

Bei 11.000 Inselbewohnern und nur wenigen Touristen sind keine aufregenden Prozesse zu erwarten. Montes betont denn auch bei jeder Gelegenheit, dass sie die Insel schnellstmöglich wieder zu verlassen gedenkt. Dann aber wartet eine Braut vergeblich auf ihren Bräutigam. Ein Taucher entdeckt ihn unter Wasser in einer Höhle. Kein Unfall, sondern Mord. Kommissar Morata (Juan Carlos Vellido) und seine Kollegen nehmen die Ermittlungen auf. Und verdrehen ein ums andere Mal die Augen, weil sich die neue Richterin ihnen anschließt. Ob Spurensuche oder Zeugenvernehmung, Montes ist dabei und mischt sich ein.

Der erfahrene Serienschöpfer Pepe Coira und seine Autoren greifen auf ein bewährtes Schema zurück: Eine abgeschlossene Gemeinschaft, ein personeller Neuzugang, der die Verhältnisse hinterfragt, gewohnte Verfahrensweisen umkrempelt und kräftig Staub aufwirbelt. Hier mal nicht als „Scandic Noir“ ausgeführt, sondern in einer sonnenhellen kanarisch-bukolischen Variante. Als Richterin verfügt die Hauptfigur von „Hierro“ über besondere Befugnisse. Montes legt den Hafen still und will sogar die traditionsreiche, nur alle vier Jahre stattfindende Inselprozession Bajada de la Virgen de los Reyes untersagen, um mehr Polizeikräfte für die Ermittlungen abstellen zu können. 

Hierro als Handlungsort ist begrenzt

Mit Unwillen und ohne Verständnis reagiert sie auf den massiven Widerspruch, der über sie hereinbricht, selbst seitens jener, die ihr gewogen scheinen. Zu diesem Zeitpunkt haben ihr die Inselbewohner schon einen Spitznamen verpasst. Jeder weiß, wer gemeint ist, wenn von „dem Miststück“ die Rede ist. Hierro als Handlungsort ist begrenzt und überschaubar. Insofern wird hier akzeptabel, was in anderen Krimis häufig unangenehm aufstößt: Jeder kennt jeden, und immer wieder gibt es personelle oder auch verwandtschaftliche Beziehungen, die die Ermittlungen beeinflussen. 

Selbst Candela Montes, die doch gerade erst zugezogen ist, bleibt von diesen Verstrickungen nicht verschont. Sie hat einen behinderten, auf den Rollstuhl angewiesenen Sohn (Ángel Casanova) und findet in Idaira (Tania Santana) eine Pflegerin, die mit dem Jungen umzugehen weiß und von ihm akzeptiert wird. Ausgerechnet diese einfühlsame junge Frau aber scheint in den Mordfall verwickelt.

Publikum lernt Landschaft und Leute kennen

Diese Verästelungen und Betroffenheiten bleiben mit der Krimihandlung verknüpft, ohne dass es bemüht wirkt oder dass Nebenstränge ein überbordendes Eigenleben entwickeln. Aus den polizeilichen Ermittlungen heraus lernt das Publikum regionale Traditionen kennen, die Landschaft, auch die wirtschaftliche Misere wird angesprochen. Aus Mangel an Arbeitsplätzen sind die Ortsansässigen auf die Gunst des Plantagenbesitzers Antonio Díaz (Darío Grandinetti) angewiesen. 

Lesen Sie hier unsere weitere Krimi-Kritik zum „Polizeiruf“: Unsere Welt, aber viel kleiner*

Die im Zweifelsfalle schwerer wiegt als das Auskunftsbegehren der ruppigen Richterin. Dieser Díaz ist eine schillernde, abgründige Gestalt, zu Verbrechen fähig und gleichzeitig nicht frei von Tragik. Diese Ambivalenz der Figuren trägt, wie ein abrupter Wechsel der Erzählhaltung in Folge 5, dazu bei, dass der von Arte France koproduzierte, an Originalschauplätzen gedrehte Achtteiler bis zum Finale spannend bleibt. 

Ab dem 19.9. zeigt Arte an drei aufeinander folgenden Donnerstagen zweimal drei und einmal zwei Episoden von „Hierro“. Die Serie kann zudem in der Arte-Mediathek abgerufen werden.

*fr.de ist Teil der bundesweiten Ippen-Digital-Zentralredaktion.

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