Fiedler hätte Haseloff nicht nur bei diesem Punkt ans Kreuz nageln können, und man darf ihm hoch anrechnen, dass er nicht an der Bloßstellung des Ministerpräsidenten interessiert war. Ihm geht es um die Sache: Der Personalstand der Polizei in den Ländern ist lächerlich gering, und bei jeder Krise, sei es religiöser Fanatismus oder Einbruchsserien, werden allerlei Beamte auf den „Brennpunkt“ geworfen und alle anderen Aufgaben vernachlässigt. Für die Bemerkung von Innenminister Seehofer, dass man diesen rechten Terror als neuen Brennpunkt bekämpfen müsse, ohne die bisherigen Brennpunkte zu vernachlässigen, hat er entsprechend nur Häme übrig.
Der eigentliche Star des Abends blieb aber lange ruhig. Marina Weisband hat als Piraten-Vorreiterin Furore gemacht, bevor sie zu den Grünen gewechselt ist und es etwas ruhiger um sie wurde. Die brillante IT-Politik-Expertin ist vor allem auch als gläubige Jüdin hier, und ihre Worte sind ebenso klug gewählt und fundiert, wie sie mahnend und aufrüttelnd sind. „Wir haben seit Jahren gewarnt und um Hilfe gebeten.“
Sie schildert das Leben in Furcht, zu dem die deutschen jüdischen Gemeinden verdammt sind. Zu Annegret Kramp-Karrenbauers unbedachter Äußerung, dass dieser Anschlag ein „Alarmzeichen“ wäre, erwidert sie vernichtend: „Wenn das ein Alarmzeichen ist, was ist dann der Ernstfall?“ Ihr gehört nicht nur die gesamte zweite Hälfte der Sendung, sondern auch durchgehend der meiste Zuschauerapplaus.
Lesen Sie auch den FR-Leitartikel* zu Halle: Ein rechter Terroranschlag ist weder „unvorstellbar“ noch ein „Alarmzeichen“. Alarmierend ist aber, wie konsterniert die Politik auf Halle reagiert.
Weisband macht einfach alles. Sie schneidet erst mal die Killerspiel-Debatte ab: „Das bedeutet weiß Gott nicht, dass Computerspiele schuld sind.“ Dann geht sie gegen andere Fehlurteile vor: „Die Erzählung, dass Antisemitismus immer muslimisch ist, das kauft doch keiner mehr. Da werden zwei Minderheiten gegeneinander ausgespielt, die sich beide nicht mehr sicher fühlen können.“ Und dann schaut sie auf die eigentlichen Hintergründe: „Wir scheitern schon daran, Frauen und Minderheiten vor sprachlicher Gewalt online zu schützen.“
Hier springt Theveßen dann mal hilfreich ein und erklärt in Maybrit Illners Talkrunde die Parallelen der Terror-Manifeste zu Äußerungen der AfD, der FPÖ, von Salvini und Trump: Die klaren antisemitischen und antimuslimischen Ausfälle von Politikern schaffen Legitimation und Bestärkung von rechten Radikalen. Theveßen fordert eine globale Gesamtstrategie, während Weisband wieder ins Konkrete geht: die Medienkompetenz. Schulen verbieten Smartphones – aber wo ist eigentlich der Ort, wo Jugendliche lernen, mit dem Internet und den sozialen Medien umzugehen und radikalisierende Inhalte zu erkennen? Marina Weisband stellt an diesem Abend alle guten Fragen, und man kann nur hoffen, sie wieder häufiger im nationalen Rampenlicht zu sehen.
Von D.J.Frederiksson
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