Das führte recht unmittelbar zu Fragen über Leben und Tod. Denn der Tübinger OB musste sich noch einmal seinen Satz vorhalten lassen, man rette Menschen, die womöglich in wenigen Monaten ohnehin stürben. Palmer wollte einen „dummen Satz“ auf die Bewohner von Altenheimen bezogen wissen. Der Epidemiologe hatte zur Lebensdauer andere Statistiken parat.
Aber Christiane Woopen erklärte die Frage der Lebensdauer generell für nicht relevant. Was zur von Wolfgang Schäuble in die Debatte geworfene Frage führte, ob das Leben das oberste Prinzip des Handelns sei. Woopen schuf Klarheit: Das Leben sei ein „fundamentales Gut“. Freiheit und Würde des Menschen aber seien „das höchste Gut“. Sie wiederholte ihren schon einmal bei Illner vorgebrachten Hinweis, dass man die alten Menschen in ihrer Selbstbestimmung achten solle.
Palmer kritisiert „mangelnde Zielgenauigkeit“ der Maßnahmen und warnte, recht ähnlich wie FDP-Chef Christian Lindner, vor den Folgen wirtschaftlicher Schäden; die würden „weltweit“ mehr Menschenleben kosten.
Meyer-Hermann vertrat die Linie der Vorsicht und hat eine Studie erarbeitet, der zufolge Deutschland recht nah an der idealen Lockerungsstrategie agiert. Und als Blome monierte, nicht alle Wissenschaftler würden mit einer Stimme sprechen, konnte der Mediziner darauf verweisen, dass die vier größten Forschungsinstitute eben das getan hätten. Überhaupt hat Virologe Christian Drosten den entscheidenden Satz dazu gesagt, dass sich alle möglichen „Fachleute“ zur Pandemie auslassen: Er als Virologe würde sich niemals über das Gebiet eines Bakteriologen äußern ...
Auch Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) zeigte sich zufrieden. Man habe doch soviel gelernt seit Beginn der Krise. Möglicherweise habe man es partiell übertrieben – aber die Todeszahlen seien niedrig, und die Gesellschaft sei weitaus stabiler als in den Nachbarländern. Der schwedische Weg jedenfalls sei für Deutschland zu riskant. „Wir haben es bisher gut überstanden.“
Andererseits werde man nicht alles kompensieren können, räumte er ein, dazu werde es nicht reichen. Blome warnte: Wenn es länger dauere, würden die Proteste zunehmen, und womöglich müsse sich Kanzlerin Merkel eines Tages anhören müssen: „Das sind Ihre Arbeitslosen.“
Meyer-Hermann hofft, dass mit dem eingeschlagenen Weg das Virus soweit zurückgedrängt werden könne, dass damit auch die Angst besiegt werde. Dann hätte sich die unheilvolle Alternative; Angst vor dem Sterben oder Angst vor dem wirtschaftlichen Kollaps erledigt.
Von Daland Segler
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