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„S.W.A.T.“: Die Polizeiserie der Schnellen und der Schießwütigen

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Die Urheber der Polizeiserie „S.W.A.T.“ auf RTL Nitro mischen Actionkino mit einem Rest Qualitätsfernsehen.

Aus Fernsehserien lassen sich, wie aus der Literatur, gewisse zur Entstehungszeit wirksame gesellschaftliche Phänomene herauslesen, sei es in Form offen angesprochener Themen oder auf einer unterschwelligen Ebene. Beispielsweise fand die schwarze Bürgerrechtsbewegung in den USA einen Widerhall unter anderem in TV-Serien wie „Shaft“ und „Get Christie Love!“. „Shaft“ mit Richard Roundtree als schwarzem Privatdetektiv folgte auf die gleichnamige Kinotrilogie. Teresa Graves in „Get Christie Love!“ war die zweite schwarze Schauspielerin in einer Serienhauptrolle und gerade mal die erste in einer Krimiserie.

RTL Nitro: S.W.A.T. - Sonderkommandos in Los Angeles

Diesen Ansätzen zur Gleichberechtigung bei der Rollenverteilung stand ungefähr zur gleichen Zeit die Polizeiserie „S.W.A.T.“ gegenüber. „S.W.A.T.“ war damals die Abkürzung für „Special Weapons Assault Tactics“ und bezeichnete polizeiliche Sonderkommandos, die, das ist der Punkt, als Reaktion auf die Rassenunruhen in Watts, einem Stadtteil von Los Angeles, eingeführt worden waren. Der Schritt bedeutete buchstäblich die Militarisierung der Polizeibehörden, denn die ersten „S.W.A.T.“-Teams rekrutierten sich teils aus ehemaligen Soldaten. Kleidung, Bewaffnung, Einsatztaktiken entsprechen bis heute militärischen Vorbildern.

Das „S.W.A.T.“-Team der gleichnamigen Fernsehserie aus dem Jahr 1975 betonte diesen Aspekt noch: alle Angehörigen der Einheit waren Vietnamveteranen und bildeten ein eingeschworenes Team mit ausgeprägtem Korpsgeist.

„S.W.A.T.“ auf RTL Nitro: Aus Alt mach Neu

Wie derzeit viele Serienklassiker – darunter „MacGyver“, „Hawaii Five-0“, „Magnum P.I.“ – wurde auch „S.W.A.T.“ neu aufgelegt, 2003 als Kinofilm mit zwei Direct-to-Video-Fortsetzungen und 2017 als TV-Serie, die nun bei RTL Nitro in deutscher Fassung startet.

Barry DeVorzons markante, oft gecoverte und neu gemischte groovige Titelmelodie ist geblieben, und die Hauptfigur heißt immer noch Dan „Hondo“ Harrelson (Shemar Moore). Aber Hondo ist nicht mehr der vierschrötige, im Dienst gereifte und natürlich weißhäutige Haudegen der Originalserie (Steve Forrest), sondern Afroamerikaner und im Problemviertel South Central aufgewachsen, wo er polizeiliche Willkür am eigenen Leib erfahren hat. Er ging zur Polizei, um Verbesserungen zu bewirken. Diesen Anspruch betont er immer wieder im Verlauf der Serie, und wird auch von seiner Vorgesetzten Jessica Cortez (Stephanie Sigman), mit der er eine laut Dienstvorschrift verbotene Affäre unterhält, mehrfach daran erinnert.

Polizeiserie „S.W.A.T.“: Personalpolitik mit Hintergedanken

Das Thema Hautfarbe klingt immer wieder an. „Frau, Latina, jung“, zählt Cortez einmal auf – drei Gründe, die einer Karriere im Police Department von Los Angeles im Wege stehen. Gleich in der ersten Folge wird Hondo Harrelson von Commander Robert Hicks (Patrick St. Esprit) unter Missachtung eines dienstälteren Kollegen zum Teamleiter ernannt. Eine rein politische Geste – bei einer Verfolgungsjagd wurde versehentlich ein schwarzer Junge angeschossen. In den Schwarzenvierteln brodelt es. Die Berufung Hondos soll zur Beruhigung beitragen. Nachdem sich die Lage entspannt hat, beginnt Hicks gegen Hondo zu intrigieren.

Noch ein Unterschied zu 1975: Im „S.W.A.T.“-Team sind jetzt auch Frauen zugelassen.

Rückblick auf ein Meisterwerk

Die gelegentlichen politischen Anspielungen lassen noch die Handschrift des Koautors Shawn Ryan erkennen. Ryan hatte 2002 mit „The Shield“ eine außergewöhnlich radikale Polizeiserie vorgelegt. Shawn Ryans Kabinettstück: Der korrupte Polizist und Teamleiter Vic Mackey (Michael Chiklis) wurde bereits in der ersten Folge zum Mörder und dennoch zur zentralen Figur der Serie. Es gelang dem Autorenteam sogar, beim Publikum Sympathien für diesen Charakter zu wecken, der sich im Verlauf der Erzählung als hochgradig ambivalent erwies und – für die Zuschauer immer wieder überraschend und spannend – ständig zwischen Verworfenheit und subjektiven moralischen Prinzipien schlingerte. In der Serie wurden wiederholt aktuelle lokalpolitische Ereignisse aufgenommen, die sich, zumal wenn Wahlen unmittelbar bevorstehen, in Form öffentlichkeitswirksamer Direktiven auf die Polizeiarbeit auswirken können.

Bei „S.W.A.T.“ kommen Action-Fans auf ihre Kosten

Nach „The Shield“ konzipierte Ryan weitere Serien, blieb aber weitgehend glücklos. Vielleicht der Grund, warum „S.W.A.T.“ inhaltlich deutlich hinter „The Shield“ zurückbleibt. Der Dramagehalt ist gering, das Geschehen wird von den aktionsreichen, mit süffiger Musik unterlegten Einsätzen der Truppe bestimmt. Immer gelten sie Schwerverbrechern wie Drogenhändlern, ausgebrochenen Gefangenen, Menschenschmugglern. Die Gangster pflegen wie wild um sich zu schießen, die Legitimation für die „S.W.A.T.“-Leute, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Dabei vollbringen sie mitunter kleine Wunder, so wenn Hondo von einem schwankenden Hubschrauber aus auf große Entfernung einen Geiselnehmer niederstreckt.

Das Regiekonzept stammt von Kino- und TV-Regisseur Justin Lin, der auch als Ausführender Produzent fungiert und zuvor unter anderem Erfahrungen bei der „Fast & Furious“-Reihe sammelte. Deren Einfluss ist nicht zu verkennen.

Verschenkte Möglichkeiten bei  „S.W.A.T.“

An realistischen Maßstäben darf man die Inhalte dieser Serie nicht messen. Das TV-Kommando kommt weitaus häufiger zum Einsatz als reale „S.W.A.T.“-Teams, die nur bei besonderen Lagen herangezogen werden. Und Hondos Leute übernehmen Aufgaben wie Fahndungen und Vernehmungen, die in der Wirklichkeit normalen Polizeikräften zustehen. Dennoch ließen sich im Gewand einer auf Unterhaltungswert ausgelegten Serie auch Inhalte von gesellschaftlicher Relevanz transportieren. Sporadisch gelingt das, beispielsweise wenn die Autoren auf die prekäre Situation philippinischer Einwanderer aufmerksam machen.

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An anderer Stelle wird das eingebettete Thema ohne Not denunziert. Jim Street (Alex Russell) stößt als Neuling zur Truppe. Seine Mutter Karen (Sherilyn Fenn) sitzt im Gefängnis. Sie hat ihren Mann getötet, weil er sie und Jim misshandelt hatte. So ihre Darstellung, die jedoch ab Folge 3 in Frage steht, weil Hondo die Frau als Lügnerin und Manipulateurin entlarvt. Ein fragwürdiger Umgang mit dem Sujet häusliche Gewalt, das eine sensiblere Herangehensweise verdient hätte.

In solchen Momenten bleiben die Serienschöpfer Shawn Ryan und Aaron Rahsaan Thomas hinter ihren Möglichkeiten zurück. Das kompromisslerische, in seiner Aussage oft unentschiedene Programm aber ist erfolgreich. Das US-Sendernetzwerk CBS hat bereits die vierte Staffel in Auftrag gegeben.

Von Harald Keller

Zur Sendung „S.W.A.T.“

„S.W.A.T.“, ab Mittwoch, 20.5., ab 20:15 Uhr, RTL Nitro

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