Am 14. Mai 1997 erschütterte der Tod der italienischen Jurastudentin Italien. Der damalige Tathergang erinnert frappant an das Szenario des neuen Hauptstadt-"Tatort"-Falls der ARD: Die 22-jährige Marta Russo überquerte um 11.34 Uhr mit einer Freundin den Hof der juristischen Fakultät der Universität Rom, als sie urplötzlich zusammensackte. Ein Projektil vom Kaliber 22 hatte die junge Frau in die Schläfe getroffen, sie fiel ins Koma und verstarb vier Tage später.
Eine weitere Parallele zum Berlin-"Tatort", den die ARD ausstrahlte: Die Hochschule in Rom verhielt sich verschwiegen und wenig kooperativ, so kamen die Ermittlungen nur zäh voran. Dann aber eröffneten zwei römische Studenten den Behörden, die beiden Dozenten Giovanni Scattone und Salvatore Ferraro, damals 30 und 31 Jahre jung, hätten in den Wochen vor der Tat in einem Seminar über die Möglichkeit eines perfekten Verbrechens philosophiert. Die beiden hätten die These vertreten, dass ein Mord nicht aufzuklären sei, wenn es kein Tatmotiv gebe und die Tatwaffe nicht gefunden werde. Fast sollten sie Recht behalten.
Die Waffe, mit der auf Marta Russo geschossen wurde, konnte nie sichergestellt werden, auch kannten Scattone und Ferraro das mutmaßliche Zufallsopfer nachweislich nicht. Eine Sekretärin belastete die Dozenten der Rechtsphilosophie schwer, verstrickte sich aber später in Widersprüche und verweigerte fortan jede Aussage. So entwickelte sich noch ab demselben Jahr ein komplizierter Indizienprozess gegen die beiden mutmaßlichen Mörder, der für internationales Aufsehen sorgte. Auch, weil Ministerpräsident Silvio Berlusconi den Angeklagten öffentlich den Rücken stärkte.
Erst 2003, nach sechs Jahren Prozessdauer, folgte der Schuldspruch für die Angeklagten. Allerdings lautete er nicht auf Mord, sondern auf fahrlässige Tötung. Scattone und Ferraro, die stets ihre Unschuld beteuerten, wurden zu siebeneinhalb respektive fünf Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Nach Marta Russo wurden Schulen, Parks und Straßen benannt. War der Gerechtigkeit Genüge getan?
Wie sehr der Fall die italienische Öffentlichkeit nachhaltig aufgewühlt hat, zeigte sich zuletzt im Jahre 2015. Giovanni Scattone, der seine Haftstrafe verbüßt hatte, war im Begriff an einem römischen Gymnasium als Lehrer in Festanstellung anzufangen - der Oberste Gerichtshof in Rom hatte zuvor sein Berufsverbot aufgehoben.
"Einer wie er darf arbeiten, wenn er seine Strafe verbüßt. Aber er darf doch keine jungen Menschen mehr unterrichten. Es ist ein Unrecht, was hier geschieht!", empörte sich die Mutter der getöteten Marta Russo, und mit der Meinung stand sie nicht allein. Nach landesweiten Protesten verzichtete Scattone darauf, die Stelle anzutreten.
Ein ambivalenter Ausgang eines Aufsehen erregenden Falls. Für einen unbefriedigenden Schluss entschieden sich auch die Macher des "Tatorts" aus Berlin mit den Kriminalhauptkommissaren Robert Karow und Nina Rubin.
Den "Tatort: Das perfekte Verbrechen" stellt die ARD als Wiederholung wie üblich bis 30 Tage nach Ausstrahlung in ihrer Mediathek zur Verfügung.
Mau, so wie dieser Tatort aus Ludwigshafen*, wird der „Tatort“ Berlin nach dem realen Fall mit Sicherheit nicht sein. Ein anderer Tatort irritierte das Publikum sichtlich. „Ist das noch ein Krimi?“, fragten sich viele.
teleschau
*tz.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerkes.