Im Vergleich zur Aufgeräumtheit der beiden Frauen, die ein echter Glücksfall für die Autorin waren, hat der Dritte im Bunde beinahe zwangsläufig einen schweren Stand. Allerdings muss er auch ziemlich dicke Bretter bohren: Der Mitarbeiter des Jobcenters in Bochum kümmert sich um Menschen „mit besonderem Betreuungsbedarf“.
Im Klartext heißt das: Er betreut schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose; eine Aufgabe, bei der es gelte, „multiple Vermittlungshemmnisse“ zu überwinden, weshalb er sich als Mahner und Tröster sehe. Zwar finden nur fünf Prozent seiner Klienten innerhalb von zwei Jahren eine feste Arbeitsstelle, aber „37 Grad“ wäre nicht „37 Grad“, wenn nicht auch diese Ebene des Films Hoffnung wecken würde; außerdem betrachtet es der Mann zu Recht bereits als Erfolg, wenn er die negative Entwicklung einer Biografie stoppen kann.
Die Reportage ist nicht zuletzt wegen ihrer Sachlichkeit sehenswert, und das gilt nicht nur für den Kommentar, der es in dieser Reihe gern mal menscheln lässt. Auch die Bildgestaltung ist zurückhaltend. Die Kamera bleibt auf Distanz und belässt den Menschen dadurch ihre Würde.
Ein anderer Autor hätte zum Beispiel möglicherweise dafür gesorgt, dass die Kamera in der Wohnung des Rentners Nahaufnahmen von besonders ekligen Ecken macht; Lindner dagegen hat es sorgsam vermieden, den Mann zu diskreditieren. Und so bewundernswert die Offenheit der Frauen und des Mannes vom Amt auch sind: Dass ihre Kunden bereit waren, ebenfalls ihre Gesichter zu zeigen, ist nicht minder respektabel.
Von Tilmann P. Gangloff
Die „37 Grad“-Reportage „Keine leichte Geburt“ im ZDF ist eine filmische Verbeugung vor drei Hebammen, die ihren Beruf als Berufung betrachten.