Mit psychologischem Gespür macht Katja von Garnier deutlich, warum die Scorpions trotz solcher Rückschläge über eine derart lange Zeit erfolgreich bleiben konnten. Sie liefert indes keine minutiöse Chronik der Band-Geschichte. Die hätte einen fürs Kino produzierten Film auch überfrachtet. Die weniger erfreulichen Phasen, darunter die Gründe für einige Personalwechsel, werden knapp abgehandelt, bleiben unterbelichtet. Krisen wie der vorübergehende Stimmverlust von Sänger Klaus Meine im Vorfeld eines wichtigen Pariser Konzertes kommen zur Sprache, und Garnier beobachtet sehr genau, wie sich ein solcher Vorfall auf den Betroffenen und die Musikerkollegen auswirkt.
„Forever and a Day: Scorpions“, Freitag, 4.10., Arte, 21:50 Uhr. Bis 10.10. in der Arte Mediathek.
Der Film hat ein kinogerechtes Tempo und ist brillant montiert (Musikschnitt: Hans-Martin Buff); das geht jedoch schon mal zu Lasten der Präzision. Einer der Zeitzeugen, der Journalist Hollow Skai, ein früherer Schulfreund des Ex-Scorpions-Gitarristen Michael Schenker, berichtet an einer Stelle: „Die Scorpions hatten ja ganz früh in ihren Plattenverträgen darauf geachtet, dass dort, wo sie auch live auftreten, in dem Land ihre Platte veröffentlicht werden muss.“ Der Satz ist nun ganz und gar irreführend. Denn natürlich kann eine Band nicht einfach per Vertrag eine Plattenveröffentlichung in die Wege leiten.
Vielmehr verlangte der Gastspielvertrag der Scorpions, das Beispiel stammt aus dem Jahr 1976: Der örtliche Veranstalter „sorgt, daß in allen Plattengeschäften im Umkreis sämtliche SCORPIONS-Platten auf Lager haben [sic!]: Lonesome Crow, Fly to the Rainbow, In Trance. Die Plattenläden sind mit SCORPIONS Posters und Infos zu bemustern.“ Der Vertrag verlangte ebenfalls, dass der Name Scorpions bei jeder öffentlichen Erwähnung in Versalien geschrieben wird. Sie haben (es) ganz raffiniert angefangen, die Jungs aus Hannover, die heute in internationaler Besetzung auftreten, mit dem Polen Paweł Mąciwoda am Bass und im Film noch mit dem mittlerweile abgelösten US-Amerikaner James Kottak am Schlagzeug. Am heutigen Freitag spielen die Scorpions beim „Rock in Rio“. Weiter geht es nach Chile, Kolumbien, Ecuador, dann nach Russland – der finale Dokumentarfilm über die Scorpions ist noch nicht gedreht.
Von Harald Keller
Die mit dem Filmstudenten-Oscar ausgezeichnete Dokumentation „Die Nomadenärztin“* ist ein erstaunlicher Film, findet unser Kritiker Hans-Jürgen Linke. Harald Keller kritisiert „Von Mexiko an den Neckar‟ und sagt: Kulturgeschichtlich informativ, bei politischen Themen mild formuliert: Der SWR begleitet eine spektakuläre Ausstellung über die Azteken mit einer Art Dokumentarfilm.
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