1. Startseite
  2. TV

„Polizeiruf“: Unsere Welt, aber viel kleiner

KommentareDrucken

Münchner „Polizeiruf“: Debüt für Verena Altenberge.
Münchner „Polizeiruf“: Debüt für Verena Altenberge. © Tobias Hase/dpa

Krimifans müssen stark sein: Matthias Brandt steigt aus dem „Polizeiruf“ aus. Doch die neue Folge aus  München startet frisch und großartig mit einer Polizistin namens Bessie.

Der Münchner „Polizeiruf 110“ muss nun ohne Matthias Brandt alias Hanns von Meuffels auskommen. Er tut das mit einem so radikalen Schnitt, dass man aus dem blanken Staunen zunächst nicht rauskommt. Aber dann ist dieser erste Fall für „Bessie“, Verena Altenberger als Elisabeth Eyckhoff, ein grandioser Start in eine, hoffentlich, lange Dienstzeit.

„Ich bin die Bessie“, sagt Polizeioberkommissarin Eyckhoff also zu dem dünnen, verwahrlosten, verstörten Jungen, der auf einer Münchner Wiese gefunden wurde, wo er versuchte, sich von Espressobohnen, Styroporschnipseln, Tampons zu ernähren. Der Junge redet nicht, dann, der zugewandten Bessie sei Dank, redet er doch ein wenig, sagt immerhin „Polou“ und „Wolf“. Ärzte haben bereits herausgefunden, dass er lange eingesperrt gewesen sein muss; lange meint hier Jahre. Er scheint frisch entkommen, dem „Wolf“ entkommen, die Polizei möchte vorerst geheim halten, dass er in ihrer Obhut ist.

Beziehungsweise vor allem in der Obhut der Oberkommissarin, eines bloßen „Streifenhörnchens“ (Eyckhoff über Eyckhoff, ohne Jammerei), das sich doch mal bewähren soll, dann sehe man schon weiter. Norman Hacker spielt einen etwas unangenehmen, undurchsichtigen Vorgesetzten, „Sie kriegen das hin“-herablassend und, wer weiß, berechnend: mit dem Fall Polou ist vermutlich eh kein Blumentopf zu gewinnen.

Klischees im Polizeiruf laufen ins Leere

Nach einem Buch von Thomas Korte und Michael Proehl, in der Regie von Florian Schwarz hält sich dieser Polizeiruf mit dem trügerisch poetischen, friedlichen Titel „Der Ort, woher die Wolken kommen“, nicht mit Erklärungen auf und pfeift auch notfalls auf Wahrscheinlichkeiten. Polou, ein beeindruckender Dennis Doms, versteckt sich einmal zwischen Bühnen-Kulissen und -Krempel, es scheint sich um einen alten Saal für Kindertheater zu handeln, und es ist völlig gleichgültig, wie der Junge durch Klinikgänge dorthin gelangen konnte. Es ist aber nicht gleichgültig, dass Bessie ihm dort einen gebastelten Globus zeigen und erklären kann: „Das ist unsere Welt, aber viel kleiner“. Es stimmt, wenn es einfach stimmt.

Fast möchte man außerdem meinen, die Macher dieses Films rufen Handlungsklischees nur darum auf, tippen sie an, um sie dann ins Leere laufen zu lassen. Der Polizeikollege, Andreas Bittl als Wolfgang Maurer, hat sich, Mist, Mist, mit einer geheimnisvollen Frau eingelassen, die ihn nur aushorchen wollte. Aber er gibt es schneller zu, als Eyckhoff auf den Schreck einen Schluck aus seinem Flachmann nehmen kann. Und die Polizeioberkommissarin sagt auch mal schlicht: „Tschuldigung, das ist mir jetzt zu privat.“ Man erfährt immerhin, dass sie sich eine Wohnung mit ihrem Halbbruder teilt. Cem Lukas Yeginer spielt den Sidekick und ebenfalls in diesem Revier arbeitenden Cem Halac.

„Polizeiruf 110“: Erinnerung als nachtdunkle Schreckensgeschichte

Fürs Schaurige – und ja, „Der Ort, woher die Wolken kommen“ hält einerseits den Action-Ball ziemlich flach, ist andererseits wirklich schaurig – sind Szenen zuständig, in denen zuerst der Junge, dann der Junge zusammen mit Bessie als beruhigender Begleiterin hypnotisiert wird. Unbedingt möchte die Polizei ja herausfinden, wo er eingesperrt war, aber Polou bleibt in dieser Sache stumm, zeichnet bloß (Schwärze, auch himmelblaue Wölkchen), kann sich vielleicht auch nicht bewusst erinnern. Regisseur Schwarz zeigt seine Erinnerung in Hypnose als nachtdunkle Schreckensgeschichte. Und als Alptraum für die Polizistin.

Lesen Sie hier unsere Krimi-Kritik zu „Hierro“

Das mit der Doppel-Hypnose wirkt dann doch ein wenig – überspannt. Dafür wollen wir diesem Polizeiruf jetzt schon die traurigste, rührendste Schlussszene der ganzen Krimisaison zusprechen, kitschfrei ist sie dabei auch noch. Sehen Sie selbst, unbedingt!

„Polizeiruf 110: Der Ort, woher die Wolken kommen“, ARD, So., 20.15 Uhr.

Von Sylvia Staude

„Polizeiruf 110: Heilig sollt ihr sein“ (ARD): Der deutsch-polnische Polizeiruf verhebt sich schwer an seinem Thema Glaube und Wahn.

Auch interessant

Kommentare