„Von Mexiko an den Neckar“, Sonntag, 13.10., 20:15 Uhr, SWR
Uralte Kulturtechniken werden beschrieben wie die Herstellung von Spinnfäden aus Vogelfedern. Das wohlgemute Verhältnis der Mexikaner zum Tod steht in Kontrast zur Tabuisierung in unseren Landen. Und wohl nicht jeder hat bislang gewusst, dass der Vater der mexikanischen Malerin Frida Kahlo in Pforzheim zur Welt kam und in Baden-Baden aufwuchs. 1890 wanderte er aus und dokumentierte als Fotograf die Modernisierung Mexiko-Stadts, die ersten Stahlskelettbauten, zweistöckige Straßenbahnen. Viele Familienbilder sind erhalten, auch ein Porträt seiner zweiten Ehefrau Matilde Calderón y Gonzalez. Darauf sieht Fridas Mutter der mexikanischen Schauspielerin Salma Hayek frappierend ähnlich, die 2002 einen Film über Frida Kahlo koproduzierte und selbst die Hauptrolle übernahm.
Mexiko-Stadt erscheint in diesem Film, der eher einem überlangen Magazin gleicht als einem thematisch geschlossenen Dokumentarfilm, farbenfroh wie aus dem Bilderbuch, voller Lebensfreude, und selbst Inés de Castro schwärmt klischeehaft von der herzlichen Art der Einheimischen. Ein touristischer Blickwinkel. Erst der Künstler Raùl Sisniega weist darauf hin, dass das Land vom moralischen Verfall zerrüttet und ständiger Gewalt ausgesetzt ist, die pro Monat 10.000 Menschen das Leben kostet.
Die gesellschaftlichen Realitäten: Mexiko-Stadt leidet unter massiven Umweltproblemen, die Korruption reicht bis in höchste Kreise, Drogengangster, Polizei und Armee sind miteinander im Bunde. Raùl Sisniega beklagt ausdrücklich die seinerzeitige Vermischung von spanischen Eindringlingen und indigener Bevölkerung, die aus seiner Sicht nichts Positives mit sich brachte. Die Formulierung „500 Jahre Kulturaustausch zwischen Mexiko und dem Südwesten“, sie stammt aus dem Pressematerial zum Film, würde Sisniega sicherlich eher befremdlich finden.
Von Harald Keller