Also kein wirklich neues oder überraschendes Konzept. Doch Rewe schüttelt in diesem Jahr noch mehr aus dem Ärmel und will damit wohl Amazon den Markt streitig machen – noch bevor der Online-Händler hier überhaupt Fuß fassen kann. Die neuste Innovation der Handelskette nennt sich „Pick & Go“ – also „nehmen und gehen“. Dabei verzichtet der Markt auf Kassen und auch aufs Scannen.
Amazon hat dieses Prinzip bereits 2018 Kunden und Kundinnen in den USA präsentiert und hat in diesem Jahr nach Europa expandiert. Bislang gibt es das Prinzip „Just walk out“ aber nur in Großbritannien. Das bietet Rewe noch ein wenig Zeit, sich in Deutschland einen Marktvorteil zu verschaffen.
Der erste Test läuft bereits in einer Filiale in Köln. Bislang ist der Supermarkt ohne Kassen nur für Rewe-Personal geöffnet – im Spätsommer soll die kassenlose Filiale dann für die Öffentlichkeit öffnen. Aber funktioniert das?
Vor dem Betreten des Supermarktes loggen Kunden sich in einer App ein, dann kann der Einkauf wie immer fortgeführt werden. Nur, dass die Waren direkt in die Tasche wandern dürfen. Umständliches erst in den Einkaufswagen, dann aufs Kassenband, dann wieder in den Wagen, dann in die Tasche packen, entfällt somit.
Anschließend können Kunden und Kundinnen das Geschäft einfach wieder verlassen – ohne einen Kassiervorgang. Abgerechnet wird per App. Möglich machen das viele Sensoren und Kameras in der Rewe-Filiale in der Nähe des Neumarktes*, darüber berichtet auch 24RHEIN. Sie verfolgen den Kunden bei Eintritt in das Geschäft und registrieren, welche Waren mitgenommen werden.
Rewe betont dazu in einer Pressemitteilung: „Die Kundinnen und Kunden sind auf den für den Einkauf erfassten Bildaufnahmen nicht persönlich erkennbar.“ Entsprechende Datenschutzhinweise hängen direkt am Eingang der Filiale.
Weiterhin soll es zusätzlich möglich sein, an regulären Kassen die Waren zu bezahlen. „Wer die App nicht runterladen will, der kann weiter wie bisher einkaufen“, erklärt Rewe-Chef Lionel Souque im Gespräch mit dem Handelsblatt. Die neue Technik setze der Händler immerhin für die Kunden ein, nicht um ihrer selbst willen.
„Wir belegen mit diesem Projekt einmal mehr, dass wir beim Thema Einkaufen im Supermarkt hierzulande zu den innovativsten Unternehmen gehören“, meint Rewe-Bereichsvorstand Peter Maly. Tatsächlich investiert die Rewe-Gruppe eine Menge Geld in Tech-Start-ups, die einen Digitalisierungsschub erzielen sollen. Allerdings machen es andere besser, wie Experten befinden.
Gerrit Heinemann, E-Commerce-Experte der Hochschule Niederrhein, findet, dass andere Märkte im Lebensmittel-Sektor ihre Arbeit im Bereich der Digitalisierung noch besser machen. Gegenüber dem Handelsblatt meint er, dass bei Rewe noch viel Luft nach oben sei.
Dabei ist Rewe nicht allein. Generell befindet der Experte, dass das Digitalisierungs-Niveau im deutschen Lebensmittelhandel sehr gering sei. Doch obwohl das Level niedrig ist, kann Rewe nicht wirklich glänzen, es gebe zu viele „Insellösungen“.
„Aldi beispielsweise ist bei der konsequenten Durchdigitalisierung der Prozesse deutlich weiter“, sagt Heinemann gegenüber dem Handelsblatt. Und auch Lidl kommt in der Kritik ganz gut weg. Die Schwarz-Gruppe, zu der Lidl gehört, könnte mit ihrem Aufbau einer eigenen Cloud langfristig einen Vorteil haben (alle News zu Lidl* bei RUHR24).
Ob die Discounter den digitalen Vorsprung allerdings halten können, bleibt abzuwarten. Baut Rewe seine Konzepte „Scan & Go“ und „Pick & Go“ weiter aus, könnte es zumindest aus Kundensicht bald anders aussehen. Denn bei Lidl oder Aldi wartet man derzeit noch auf kassenlose Systeme (alle News zu Aldi* bei RUHR24). *RUHR24 und 24RHEIN sind Teil des Redaktionsnetzwerks von IPPEN.MEDIA