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Corona-Mysterium in Afrika: wenige Todesfälle, milder Verlauf - Forscher rätseln über die Gründe

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Einem Kind wird vor dem Schuleintritt die Temperatur gemessen.
In Afrika ist die Corona-Pandemie, entgegen der anfänglichen Befürchtungen, bislang vergleichsweise mild verlaufen. (Archivbild) © picture alliance/Tsvangirayi Mukwazhi/AP/dpa

Anders als befürchtet ist die Corona-Pandemie in Afrika bislang vergleichsweise mild verlaufen. Forscher rätseln über die Gründe für die geringe Sterberate.

München/Nairobi - Die Coronavirus-Pandemie ist in Afrika, entgegen der Befürchtungen vieler Experten, bislang milder verlaufen als beispielsweise in Europa oder den USA. Forscher weltweit versuchen die Gründe dafür nachzuvollziehen. Verschiedenste Faktoren könnten den Corona-Verlauf in Afrika beeinflussen.

Corona: Afrika entgegen der katastrophalen Prognosen nicht so hart von Pandemie getroffen

Zu Beginn der Covid-19-Pandemie* waren die Prognosen für Afrika verheerend. Viele Experten sagten eine rasante Ausbreitung des Coronavirus, kollabierende Gesundheitssysteme und hunderttausende Tote voraus. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab im April sogar eine Schätzung von zehn Millionen Infektionen auf dem afrikanischen Kontinent ab.

Inzwischen zeichnet sich ab, dass Afrika zunächst nicht so hart von der Pandemie getroffen wird wie befürchtet. Mark Woolhouse von der Universität Edinburgh sagte neulich: „Afrika hatte seine eigene Pandemie.“ Bisher wurden auf dem Kontinent etwa 1,51 Millionen Covid-19-Fälle verzeichnet. Die Dunkelziffer* dürfte allerdings sehr viel höher liegen, da einige Länder noch immer nicht ausreichend testen. Antikörper-Studien* geben Hinweise darauf, wie hoch die Zahl der Infizierten tatsächlich liegen könnte. In Kenia schätzten Wissenschaftler in einer Studie, dass etwa 1,6 Millionen Kenianer Corona-Antikörper hatten. Offiziell verzeichnete das Land allerdings nur 39.000 Corona-Fälle.

Corona in Afrika: Geringe Sterberate, kein sehr großer Anstieg an ungeklärten Todesfällen

Mit bislang rund 36.800 Toten hat Afrika eine vergleichsweise geringe Sterberate*. Politiker und Forscher räumen ein, dass viele Corona-Todesfälle sicherlich nicht diagnostiziert oder verzeichnet werden. Allerdings gebe es auch keinen sehr großen Anstieg an ungeklärten Todesfällen. Einen solchen würde man bemerken, erklärte die Pathologin Anne Barasa von der Universität in Nairobi. In Kenia gebe es keine Berichte von mehr Todesfällen und auch keine entsprechenden Meldungen der Gemeinden, erklärte Barasa.

Im Video: Aktuelle Zahlen für jedes Bundesland - Corona-Fälle für Deutschland

Corona in Afrika: Alter der Bevölkerung wichtiger Faktor für milden Verlauf

Ein wichtiger Faktor für den milden Verlauf der Corona-Pandemie in Afrika ist das Alter der Bevölkerung, darin sind sich viele Experten einig. Matshidiso Moeti, die Afrika-Chefin der WHO, stellte klar: „In den meisten afrikanischen Ländern sind nur rund drei Prozent der Bevölkerung über 65 Jahre alt.“ In Deutschland sind es etwa 18 Prozent. Inzwischen ist bekannt, dass ältere Menschen der Risikogruppe angehören und eher schwer an Covid-19 erkranken und in der Folge sterben.

Doch der demografische Faktor allein reicht nicht als Erklärung aus. Forscher der Universität Dakar in Senegal und der Universität Leiden in den Niederlanden fanden heraus, dass die Sterberate anhand der Demografie in Afrika zwar viermal so klein sein sollte wie in Europa oder den USA, aber nicht 40-mal so klein, so, wie sie es derzeit sei.

Corona: Genetische Unterschiede und Lebensbedingungen in Afrika als mögliche Faktoren

Genetische Unterschiede werden von Forschern zunehmend als möglicher Faktor für den Verlauf der Corona-Pandemie ausgemacht. Eine Studie, die im Fachjournal „Nature“ veröffentlicht wurde, zeigt einen möglichen Zusammenhang zwischen einem Neandertaler-Gen und schweren Covid-19-Verläufen. Menschen mit dieser Genvariante haben demnach ein höheres Risiko, bei einer Infektion mit dem Coronavirus künstlich beatmet werden zu müssen. Bei Menschen in Europa und Südasien sei diese Genvariante häufig zu finden, in Afrika hingegen so gut wie gar nicht.

Ein weiterer Faktor, der sicherlich eine Rolle spielt, sind die Lebensbedingungen in Afrika. „Das Virus wird nicht leicht draußen übertragen“, berichtete Francisca Mutapi von der Universität Edinburgh. In Afrika verbringe ein großer Teil der Bevölkerung seine Zeit im Freien. Zudem sei die afrikanische Bevölkerung weniger vernetzt und nicht so mobil wie in Europa. Dadurch verbreite sich das Coronavirus weniger leicht.

Corona in Afrika: Immunsystem spielt wohl entscheidende Rolle im Hinblick auf Pandemie-Verlauf

Für die Parasitologin Maria Yazdanbakhsh ist das Immunsystem und wie es durch die Umwelt beeinflusst wird, ein entscheidender Faktor. Die Professorin der Universität Leiden sagte: „Ich glaube, da finden wir den Schlüssel.“ Die Menschen in Afrika seien ganz anderen Mikroorganismen und Parasiten ausgesetzt als hierzulande oder in den USA. Diese würden das Immunsystem fundamental verändern, berichtete Yazdanbakhsh.

In einem kürzlich veröffentlichten Interview des World Health Summit erklärte der deutsche Virologe Christian Drosten, dass etwa Wurminfektionen in afrikanischen Ländern universell verbreitet seien und das Immunsystem beeinflussten. „Wir kennen zwar die genaue Auswirkung auf diese spezielle Covid-19-Viruserkrankung nicht, es könnte aber eine Erklärung sein“, sagte Drosten. Weil der Verlauf in Afrika anders sei, könne man viel über die Corona-Pandemie lernen. Daher ermutigte Yazdanbakhsh Forscher dazu, den Blick dorthin zu richten: „Afrika ist eine Quelle der Inspiration.“ (ph/dpa) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks

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