Ein wichtiger Faktor für den milden Verlauf der Corona-Pandemie in Afrika ist das Alter der Bevölkerung, darin sind sich viele Experten einig. Matshidiso Moeti, die Afrika-Chefin der WHO, stellte klar: „In den meisten afrikanischen Ländern sind nur rund drei Prozent der Bevölkerung über 65 Jahre alt.“ In Deutschland sind es etwa 18 Prozent. Inzwischen ist bekannt, dass ältere Menschen der Risikogruppe angehören und eher schwer an Covid-19 erkranken und in der Folge sterben.
Doch der demografische Faktor allein reicht nicht als Erklärung aus. Forscher der Universität Dakar in Senegal und der Universität Leiden in den Niederlanden fanden heraus, dass die Sterberate anhand der Demografie in Afrika zwar viermal so klein sein sollte wie in Europa oder den USA, aber nicht 40-mal so klein, so, wie sie es derzeit sei.
Genetische Unterschiede werden von Forschern zunehmend als möglicher Faktor für den Verlauf der Corona-Pandemie ausgemacht. Eine Studie, die im Fachjournal „Nature“ veröffentlicht wurde, zeigt einen möglichen Zusammenhang zwischen einem Neandertaler-Gen und schweren Covid-19-Verläufen. Menschen mit dieser Genvariante haben demnach ein höheres Risiko, bei einer Infektion mit dem Coronavirus künstlich beatmet werden zu müssen. Bei Menschen in Europa und Südasien sei diese Genvariante häufig zu finden, in Afrika hingegen so gut wie gar nicht.
Ein weiterer Faktor, der sicherlich eine Rolle spielt, sind die Lebensbedingungen in Afrika. „Das Virus wird nicht leicht draußen übertragen“, berichtete Francisca Mutapi von der Universität Edinburgh. In Afrika verbringe ein großer Teil der Bevölkerung seine Zeit im Freien. Zudem sei die afrikanische Bevölkerung weniger vernetzt und nicht so mobil wie in Europa. Dadurch verbreite sich das Coronavirus weniger leicht.
Für die Parasitologin Maria Yazdanbakhsh ist das Immunsystem und wie es durch die Umwelt beeinflusst wird, ein entscheidender Faktor. Die Professorin der Universität Leiden sagte: „Ich glaube, da finden wir den Schlüssel.“ Die Menschen in Afrika seien ganz anderen Mikroorganismen und Parasiten ausgesetzt als hierzulande oder in den USA. Diese würden das Immunsystem fundamental verändern, berichtete Yazdanbakhsh.
In einem kürzlich veröffentlichten Interview des World Health Summit erklärte der deutsche Virologe Christian Drosten, dass etwa Wurminfektionen in afrikanischen Ländern universell verbreitet seien und das Immunsystem beeinflussten. „Wir kennen zwar die genaue Auswirkung auf diese spezielle Covid-19-Viruserkrankung nicht, es könnte aber eine Erklärung sein“, sagte Drosten. Weil der Verlauf in Afrika anders sei, könne man viel über die Corona-Pandemie lernen. Daher ermutigte Yazdanbakhsh Forscher dazu, den Blick dorthin zu richten: „Afrika ist eine Quelle der Inspiration.“ (ph/dpa) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks