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Coronavirus: Forscher stellen Tests mit von Trump angepriesenem Medikament ein

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Das Mittel Hydroxychloroquin schützt Kontaktpersonen von Sars-CoV-2-Infizierten nicht vor einer Ansteckung.
Das Mittel Hydroxychloroquin schützt Kontaktpersonen von Sars-CoV-2-Infizierten nicht vor einer Ansteckung. © AFP / GEORGE FREY

Donald Trump empfiehlt das Malaria-Mittel Hydroxychloroquin zur Corona-Prophylaxe - doch nun zieht die WHO Konsequenzen.

Update vom 18. Juni, 8.36 Uhr: Internationale Forscher wollen Tests mit dem Malaria-Medikament Hydroxychloroquin bei Covid-19-Erkrankten einstellen. Das Mittel habe die Sterblichkeit von schwer erkrankten Patienten nicht reduziert, begründete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Schritt am Mittwoch unter Berufung auf Testergebnisse. 

Nach einem Bericht in der Fachzeitschrift „The Lancet“, dass Hydroxychloroquin womöglich die Todesrate erhöhen könnte, waren die Versuche Ende Mai vorübergehend ausgesetzt worden (siehe Erstmeldung). Später zog das Journal die Studie jedoch zurück, und die WHO gab Anfang Juni grünes Licht für eine Fortsetzung der Tests.

In den USA hatte die Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde (FDA) am Montag ihre Ausnahmegenehmigung für Hydroxychloroquin zur Behandlung von Covid-19-Erkrankungen widerrufen. Es sei angesichts der bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse „unwahrscheinlich“, dass Hydroxychloroquin bei der Behandlung der Lungenerkrankung wirksam sei, hieß es. US-Präsident Donald Trump hatte Hydroxychloroquin wiederholt angepriesen und das Mittel zwischenzeitlich selbst als Prophylaxe gegen das Coronavirus eingenommen. Dabei war die Wirksamkeit gegen das Coronavirus von Anfang an umstritten

Corona: Autoren ziehen überraschend entscheidende Medikamenten-Studie zurück

Erstmeldung vom 4. Juni: US-Präsident Donald Trump schwört auf das Malaria-Medikament Hydroxychloroquin. Trump schluckt das Mittel als Prophylaxe  gegen eine Ansteckung mit dem Coronavirus Sars-CoV-2. Seine Aussage sorgte für Debatten über den Nutzen und Schaden von Hydroxychloroquin. Die US-Arzneimittelbehörde FDA warnt vor einem derartigen Hydroxychloroquin-Einsatz des Mittels und verweist auf mögliche Nebenwirkungen wie schweren Herzrhythmusstörungen.

Nun ist eine neue US-Studie zu diesem Wirkstoff erschienen. Mit einem Ergebnis - das US-Präsident Donald Trump vielleicht auch interessiert: Das Mittel Hydroxychloroquin schützt Kontaktpersonen von Sars-CoV-2-Infizierten nicht vor einer Ansteckung

Die Forscher der University of Minnesota hatten freiwilligen Testpersonen das Mittel verordnet und anderen Placebos. Zuvor stellten sich die Probanden ohne Mund- oder Augenschutz mit einem Abstand von weniger als 1,80 Meter für mindestens 10 Minuten in der Nähe eines nachweislich Infizierten

Coronavirus: Medikament Hydroxychloroquin schützt nicht vor Ansteckung, sagen Forscher

Alle Studienteilnehmer erkrankten später selbst mit der gleichen Wahrscheinlichkeit an Covid-19 wie Kontaktpersonen, die ein wirkungsloses Scheinmedikament bekommen hatten. Die Ergebnisse ihrer Studie stellten die Forscher im Fachmagazin The New England Journal of Medicine vor.

Hydroxychloroquin bei Coronavirus-Infektion

Die Wirksamkeit von Hydroxychloroquin bei bestehender Erkrankung wird derzeit in zahlreichen Studien getestet. Bisherige Untersuchungen brachten keinen gesicherten Hinweis, dass es die Symptome bessert oder die Erkrankungsdauer verkürzt. Das Mittel steht auch deshalb unter besonderer Beobachtung, weil US-Präsident Donald Trump es wiederholt als Wundermittel gepriesen und angegeben hatte, es prophylaktisch einzunehmen, um sich vor dem Virus zu schützen.

Hydroxychloroquin: WHO setzt Studie mit Covid-19-Patienten fort

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte am Mittwoch (3. Juni) mitgeteilt, dass ausgesetzte Tests mit dem Malaria-Medikament bei Covid-19-Erkrankten wieder aufgenommen werden. Das Mittel ist Bestandteil einer von der WHO koordinierten Forschungsreihe mit mehr als 3500 Patienten in 35 Ländern. Die Versuche waren Ende Mai vorübergehend ausgesetzt worden, nachdem es in einem Bericht in der Fachzeitschrift The Lancet hieß, Hydroxychloroquin erhöhe womöglich die Todesrate. Auch der Berliner Virologe Christian Drosten hat sich skeptisch gegenüber dem Malaria-Medikament Chloroquin als Wirkstoff gegen Corona im NDR-Podcast geäußert.

Zweifel an Studie: Fachmagazin Lancet und Autoren distanzieren sich

An der Publikation gibt es allerdings inzwischen erhebliche Zweifel. „Lancet“ selbst veröffentlichte einen offiziellen Warnhinweis („Expression of Concern“). Es gebe „ernsthafte wissenschaftliche Fragen“ zu den von den Forschern angegebenen Daten. Die Zeitschrift forderte die Autoren auf, die Studie erneut zu prüfen. Jedoch teilten der Studienleiter Mandeep Mehra von der Harvard-Universität und die Ko-Autoren Frank Ruschitzka vom Universitätsklinikum Zürich und Amit Patel von der University of Utah mit, die Firma Surgisphere, die die Daten geliefert hatte, lehne eine unabhängige Überprüfung ab. "Auf Grundlage dieser Entwicklung könnten wir nicht länger für die Richtigkeit der Primärdaten bürgen", erklärten die Autoren und entschuldigten sich bei der Fachzeitschrift und ihren Lesern.

Dem Science Media Center zufolge zählt zu den Ungereimtheiten, dass sich die Studie auf eine höhere Anzahl von im Krankenhaus verstorbenen Covid-19-Patienten in Australien bezieht als in Australien tatsächlich insgesamt gemeldet wurden. Zudem hätten die Autoren behauptet, 4402 Patienten in Afrika eingeschlossen zu haben - es sei Kritikern zufolge aber unwahrscheinlich, dass afrikanische Krankenhäuser detaillierte elektronische Gesundheitsakten für so viele Patienten zur Verfügung stellen konnten.

Von der in Chicago ansässigen Firma, auf die die Datenerhebung zurückgeht, stammten auch Daten für eine Studie im The New England Journal of Medicine über andere Wirkstoffe, bei der es ebenfalls Zweifel gebe. Der Prozess des sogenannten Peer Review durch Gutachter sei weder dazu gedacht noch in der Lage, die Qualität zugrundeliegender Daten zu prüfen, sagte Ulrich Dirnagl, Direktor der Abteilung Experimentelle Neurologie an der Charité in Berlin, der an keiner der beiden Studien beteiligt war. Sie lägen den ehrenamtlich tätigen Reviewern auch gar nicht vor, zudem hätten die Gutachter auch nicht die Zeit, sie zu prüfen.

„Häufig bleibt es bei einer Art „Reality Check“ der wissenschaftlichen Frage, der verwendeten Methodik und der Resultate“, erklärte Dirnagl. „Nur wirklich grobe Verstöße fallen da mit großer Wahrscheinlichkeit auf.“ In Zeiten einer Pandemie, in der Wissenschaftler und Journale unter extremem Zeitdruck zu publizieren versuchten, sei der Review-Prozess noch weniger in der Lage, Fehler und Manipulationen zu erkennen. Es gebe momentan jede Menge Studien mit schlecht erhobenen oder unzureichenden Daten, kritisierte Dirnagl. „Wie unter einem Vergrößerungsglas und zeitlich komprimiert führt uns die Corona-Krise gerade vor, wie wichtig Qualitätssicherung in der Wissenschaft ist.“

dpa/ml

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