Auch dem schwedischen Altenpflegesystem ordnen die Wissenschaftler in ihrem Arbeitspapier eine entscheidende Rolle zu. Etwa 70 Prozent aller Covid-19-Todesfälle gab es in Pflegeeinrichtungen für Senioren. In Schweden arbeiten viele Pflegekräfte in mehreren Einrichtungen gleichzeitig. Dies begünstige die Verbreitung des Virus.
Als weiteren Grund der hohen Todeszahlen durch Covid-19 in Schweden nennt das Papier den Umstand, dass in der Hauptstadt Stockholm der engmaschige und viel genutzte öffentliche Nahverkehr als Superspreader gewirkt haben könnte. Von allen Corona-Todesfällen in Schweden ereigneten sich etwa 42 Prozent in Stockholm – und dass, obwohl dort lediglich 20 Prozent der Landesbevölkerung leben.
Insgesamt kommen die Wissenschaftler zu einem überraschenden Schluss. „Wir glauben, dass Schwedens Covid-19-Todesrate mit ähnlichen Lockdown-Maßnahmen wie in Dänemark, Norwegen oder Finnland, mindestens 75 Prozent der aktuellen betragen würde“, schreiben sie.
Eine These, die Fragen aufwirft. Mit Berlin, Hamburg, München und Köln gibt es beispielsweise in Deutschland vier Städte, die (zum Teil deutlich) mehr Einwohner haben, als Stockholm (knapp eine Million). Auch dort wird das Nahverkehrssystem von vielen Bewohnern genutzt, jedoch unter deutlich strengeren Auflagen. So gilt in Schweden etwa keine generelle Maskenpflicht, wofür das Land erneut in der Kritik steht. (kh) *Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerkes