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Sind nur wenige „Superspreader“ an den massiven Corona-Ausbrüchen schuld?

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Wie kann man die Ausbreitung des Coronavirus dauerhaft eindämmen? Forscher haben eine neue Theorie - es geht um die sogenannten „Superspreader“.

München - An Superspreadern ist erstmal gar nichts super - nicht in der umgangssprachlichen Bedeutung des Wortes zumindest. Denn unter diesen Begriff fallen erkrankte Menschen, die zahlreiche weitere Personen anstecken. Natürlich in den allermeisten Fällen unbewusst. Die genaue Zahl ist nicht definiert, aber es können schon mal Dutzende sein. In der aktuellen Corona-Pandemie gehen Forscher mittlerweile davon aus, dass ein Großteil der Infektionen auf solche Superspreader zurückzuführen sein dürfte. Was dann doch sein Positives hätte.

Denn das würde bedeuten, dass es deutlich weniger Infektionsketten gibt und diese damit leichter nachzuvollziehen wären. Womit sich schlussendlich eine unkontrollierte Virus-Verbreitung einfacher verhindern ließe. Offenbar sind aktuell nur zehn Prozent der Corona-Fälle für 80 Prozent der Ausbreitung verantwortlich.

Lesen Sie auch: Wegen des Coronavirus stehen Mitglieder einer Großfamilie in Lengdorf (Lkr. Erding) unter Quarantäne. Mindestens elf sind, dank einer „Superspreaderin“, mit Covid-19 infiziert. Lengdorf gilt nun als Corona-Hotspot.

Superspreader in der Corona-Krise: Studie nimmt sich den Dispersionsfaktor k vor

Darauf lassen jüngste Forschungsergebnisse schließen, die sich mit dem Dispersionsfaktor k beschäftigen. Während der bereits deutlich geläufigere R-Wert* angibt, wie viele Personen ein Infizierter im Durchschnitt ansteckt, weist k auf das Ungleichgewicht zwischen den Virus-Verbreitern hin.

Genauer gesagt geht es bei dem auch als Streuparameter bekannten Wert um die Häufigkeit, mit der eine Krankheit auftritt. Dabei gilt: k kann nie größer als 1 sein, weil in diesem Fall jeder Erkrankte genau gleich viele Menschen anstecken würde. Wie etwa bei der saisonalen Grippe, die auf so gut wie keine Superspreader-Ereignisse zurückzuführen ist.

Superspreader in der Corona-Krise: Viele Fälle in Sars- und Mers-Epidemien

Anders sieht es eben bei früheren Epidemien aus. Ein Forscher-Team der University of California um James Lloyd-Smith ordnete der Sars-Epidemie 2002/2003 den k-Wert 0,16 zu, bei Mers 2012 war es demnach 0,25. Beide Virus-Ausbrüche waren also auf verhältnismäßig viele Superspreader zurückzuführen. Auch deshalb wurden bestimmte Länder von diesen Epidemien deutlich häufiger erwischt als andere, während der Großteil der Welt völlig ungeschoren davonkam.

Wie lautet nun also der k-Wert für Sars-CoV-2? Das wird sich natürlich erst abschließend feststellen lassen, wenn die Pandemie einmal überstanden ist. Doch der Arbeit einer Forscher-Gruppe der London School of Hygiene & Tropical Medicine zufolge könnte er tatsächlich bei etwa 0,1 liegen. Bei dieser Studie handelt es sich jedoch um eine Vorveröffentlichung, sie wurde noch keinem „Peer Review“ unterzogen, also von unabhängigen Gutachtern bewertet.

Superspreader in der Corona-Krise: Neun von zehn Infizierten stecken womöglich nur einen Mitmenschen an

Dennoch würde der Wert bedeuten: Von zehn Infizierten stecken neun nur jeweils eine weitere Person an, der zehnte jedoch allein zehn weitere, wie der Virologe Christian Drosten* veranschaulichte. Womit eben zu sehr großen Teilen Superspreader für die Verbreitung verantwortlich wären.

Beispiele gab es genug: Ischgl gilt als Hotspot für ganz Europa, in Deutschland waren zunächst der nordrhein-westfälische Landkreis Heinsberg infolge einer Karnevalsveranstaltung und später diverse Schlachtereien sowie ein Restaurant im niedersächsischen Landkreis Leer zu Corona-Schwerpunkten erklärt worden. Da mittlerweile als gesichert gilt, dass sich das Virus auch über Aerosole ausbreitet, die deutlich länger in der Luft verbleiben als Tröpfchen, verwundern auch hohe Infektionszahlen infolge von Gesangsabenden von Chören oder Gottesdiensten nicht.

Superspreader in der Corona-Krise: k-Wert womöglich doch höher als bei Sars und Mers

Allerdings ist der k-Wert aber eben noch mit Vorsicht zu genießen. Diverse Experten gehen eher davon aus, dass er bei dem neuartigen Virus höher liege als bei Sars und Mers. Diese Annahme deckt sich mit dem Ergebnis einer Vorab-Studie eines chinesischen Forscherteams um den aus Hongkong stammenden Gabriel Leung, wonach der Dispersionsfaktor 0,45 betragen würde. Oder anders ausgedrückt: 20 Fälle sind für 80 Prozent der Ansteckungen verantwortlich.

Damit bestünden kaum Chancen, dass sich die Pandemie ohne Gegenmaßnahmen verflüchtigen würde. Laut Drosten ist es aber möglich, weitere Infektionswellen zu verhindern. Dann gelte es, den Fokus aus so genannten Superspreading-Ereignisse zu legen und möglichst schnell zu reagieren.

Drosten lobt derweil den deutschen Weg in der Corona-Krise, äußert aber auch eine Befürchtung. Sein Kollege Hendrik Streeck macht eine klare Ansage hinsichtlich einer zweiten Infektionswelle.

Wie ist es um die Theorie bestellt, dass sommerliche Verhältnisse die Verbreitung von Covid-19 abbremsen? Ursprüngliche Vermutungen gelten als überholt - es gibt angeblich einen entscheidenderen Faktor. Unterdessen sorgt ein Neurowissenschaftler mit einer ungewöhnlichen These zu Corona für Aufsehen. Forscher haben neue Indizien entdeckt, dass das Coronavirus schon ab August in Wuhan kursierte.Für etwaige Pandemien in der Zukunft schlagen Angela Merkel, Emmanuel Macron und vier weitere Regierungschefs Alarm.

*Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnettzwerks.

mg

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