Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne*) sprach sich ebenfalls dafür aus, den Zugang zu Impfstoff für alle Bevölkerungsgruppen zu öffnen, solange einige Vakzine auf Vorbehalte stoßen. Der Corona-Impfstoff von Astrazeneca stößt in Deutschland bislang auf Akzeptanzprobleme. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt das Mittel bisher nur für Menschen unter 65 Jahren, hat aber angekündigt, ihre Empfehlung rasch zu ändern (siehe vorheriges Update).
Update vom 27. Februar, 8.01 Uhr: Die Ständige Impfkommission (Stiko) will ihre Empfehlung zum Impstoff des britisch-schwedischen Herstellers AstraZeneca rasch ändern. Es werde „sehr bald zu einer neuen, aktualisierten Empfehlung kommen“, sagte Stiko-Chef Thomas Mertens am Freitagabend im „heute journal“ des ZDF.
Bisher empfiehlt die Stiko den Einsatz des AstraZeneca-Vakzins nur bei Menschen unter 65 Jahren. Dies hatte in Deutschland zu Akzeptanzproblemen für das Mittel geführt (siehe Erstmeldung unten).
„Das Ganze ist irgendwie schlecht gelaufen“, sagte Mertens dazu. Jedoch hätten zu dem Zeitpunkt der Empfehlung keine ausreichenden Daten zur Wirksamkeit des Impfstoffs bei älteren Menschen vorgelegen. „Wir haben nie den Impfstoff kritisiert. Wir haben nur kritisiert, dass die Datenlage für die Altersgruppe über 65 nicht gut oder nicht ausreichend war“, betonte der Stiko-Chef. Ansonsten sei der Impfstoff „sehr gut“ und werde „jetzt durch hinzukommende neue Daten noch besser in der Einschätzung“.
Update vom 25. Februar, 9.31 Uhr: Grundschullehrkräfte sowie Kita-Erzieherinnen können seit Mittwoch gegen Corona geimpft werden. Sie wurden von der dritten in die zweite Gruppe der Impf-Reihenfolge hochgestuft.
„Die Mengen an Impfstoff die wir verfügbar haben - übrigens gerade mit Blick auf die 18- bis 64-Jährigen und AstraZeneca - die machen aus meiner Sicht diesen Schritt möglich“, sagte Spahn am Donnerstag im Deutschlandfunk (Dlf). Die Länder müssten jetzt vor Ort ein Impfangebot machen. „Im Moment scheitert dieses Angebot ja nicht daran, dass kein Impfstoff da wäre, und das ist ja schon mal eine neue Qualität im Vergleich zu vor vier Wochen.“
1.060.800 Dosen von AstraZeneca sind nach den Daten des Impfdashboards bereits an Deutschland geliefert worden. Davon wurden nach Angaben der Robert-Koch-Instituts (RKI) 270.986 Dosen verimpft (Datenstand: 24. Februar 2021).
Update vom 24. Februar, 7.12 Uhr: Beim Corona-Impfstoffhersteller AstraZeneca drohen womöglich weitere Lieferengpässe. Unternehmensvertreter hätten der Europäischen Union auch für das zweite Quartal mögliche Produktionsausfälle in Europa angezeigt, sagte ein EU-Vertreter am Dienstagabend der dpa in Brüssel. Doch könnten diese Mengen theoretisch aus anderen Impfstofffabriken des Herstellers wettgemacht werden. Es gebe noch keinen akzeptierten Lieferplan für das Quartal.
AstraZeneca teilte auf dpa-Anfrage am Abend mit, man wolle den Vertrag für das zweite Quartal laut jüngster Prognose erfüllen. Dabei solle etwa die Hälfte der in Aussicht gestellten Dosen aus europäischer Produktion kommen. Den Rest werde das Unternehmen aus anderen Teilen der Welt zur Verfügung stellen. Woher der Impfstoff kommen sollte, ging aus der Mitteilung nicht hervor. Erlebt Deutschland ein Impf-Desaster*? Nach Impfstoffmangel liegen hunderte Dosen in Kühlschränken herum. Jetzt droht das nächste Problem.
„Astrazeneca arbeitet daran, die Produktivität in seiner europäischen Lieferkette zu erhöhen und weiterhin seine globalen Kapazitäten zu nutzen, um die die Lieferung von 180 Millionen Dosen an die EU im zweiten Quartal zu erreichen“, hieß weiter.
Zuvor hatte es Medienberichte gegeben, wonach der Konzern die Lieferung im zweiten Quartal auf 90 Millionen Dosen halbieren wolle (siehe Erstmeldung). Dies wollte jedoch auch die Kommission so nicht bestätigen. Offiziell hieß es, die Verhandlungen mit AstraZeneca über den Lieferplan liefen noch. Das Unternehmen sei dabei, den Plan „zu verfeinern und zu konsolidieren, auf Grundlage aller verfügbaren Produktionsstätten in Europa und außerhalb“. Die Kommission erwarte „einen verbesserten Vorschlag für einen Lieferplan“.
Unsere Erstmeldung vom 23. Februar: München - Um den Corona-Impfstoff* von AstraZeneca entbrennen immer wieder Diskussionen. Zweifel an Qualität und Wirksamkeit des Serums wurden von Experten zwar entschieden widerlegt. Trotzdem scheinen einige Patienten lieber vorerst auf ihren Impftermin zu verzichten, als sich den Impfstoff des britisch-schwedischen Pharmakonzerns gegen das Coronavirus* verabreichen zu lassen.
Nun wurde bekannt: AstraZeneca will offenbar seine Lieferung an die EU stark eingrenzen. So sollen im zweiten Quartal 2021 deutlich weniger Impfdosen an die Europäische Union gehen, als eigentlich vertraglich vereinbart wurde. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters werde AstraZeneca zwischen April und Juni statt 180 Millionen Impfdosen nur noch weniger als 90 Millionen Einheiten an die Mitgliedsstaaten ausliefern. Ein EU-Vertreter wollte dies so nicht bestätigen. Außerdem könnten die fehlenden Mengen theoretisch aus anderen Impfstofffabriken des Herstellers wettgemacht werden, hieß es.
Es ist nicht die erste Hiobsbotschaft der Herstellers für die EU: Schon vor einigen Wochen brachte ein Lieferengpass die EU an den Rand eines handfesten diplomatischen Eklats.
Die Situation scheint skurril: Der ungeliebte Impfstoff könnte doch wieder knapp werden. Vonseiten der Politik und von renommierten Virologen, wie Professor Christian Drosten, kommt allerdings Unterstützung für das AstraZeneca-Produkt. Drosten hält es für deutlich besser als seinen Ruf*, wie er in seinem NDR Podcast sagte. Doch ist der Ruf erst ruiniert...
Weil von wissenschaftlicher Seite keine Zweifel am AstraZeneca-Impfstoff bestehen, erwägte die Politik zuletzt, die überschüssigen Impfdosen sinnvoll zu nutzen. Bislang erwies sich das Serum als wahrer Ladenhüter, die Berichte aus Impfzentren von nicht wahrgenommenen Impfterminen häuften sich in den vergangenen Tagen. Ein so wertvolles Gut, wie einen Corona-Impfstoff, wollen die Behörden aber nicht ungenutzt verkommen lassen.
Deshalb brachten einige Politiker, wie Innenminister Horst Seehofer, bereits eine Veränderung des Impfplans* ins Gespräch. „Wir müssen diese Impfpriorität nochmal echt klug abwägen. Ehrlich gesagt, schon in den nächsten Wochen, wenn man sieht, wie viel bleibt da übrig von Astrazeneca“, meinte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder am Dienstagabend bei Bild.de. „Es ist ja echt absurd, dass wir Impfstoff haben, den keiner will. Das ist ziemlich ätzend, diese Geschichte mit Astrazeneca. Dieser Eindruck, dass der nicht wirksam sei, und dann liegt er rum.“
Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn* will - wie auch seine Kollegen auf Landesebene - aufgrund der liegen gebliebenen AstraZeneca-Impfdosen reagieren. So sollen Lehrkräfte sowie Erzieherinnen und Erzieher in der Impfhierarchie vorgezogen werden. Zudem wurde in mehreren Bundesländern angekündigt, zeitnah für Polizistinnen und Polizisten ein umfassendes Corona-Impfangebot zu machen.
Für all diese Impfungen würde dann der AstraZeneca-Impfstoff infrage kommen. Davon blieben mehrere hunderttausende Impfdosen bisher ungenutzt in den Bundesländern liegen. Das Bundesgesundheitsministerium erklärte, man habe über 1,4 Millionen Dosen an die Länder ausgeliefert. Laut Robert Koch-Institut wurden allerdings nur 212.000 dieser Impfdosen gespritzt. Der Nachschub könnte nun auf sich warten lassen. (kh) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks