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Coronavirus: Erste Stadt weltweit erreicht wohl Herdenimmunität - auf grausamen Wege

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Der Blick auf einen Friedhof.
Das Coronavirus forderte in Brasilien Hunderttausende Menschenleben. (Symbolbild) © Silvia Izquierdo/AP/dpa

Einer Auswertung von Forschern zufolge soll es in einer Stadt zu einer Herdenimmunität gekommen sein. 66,1 Prozent der Menschen hätten sich mit dem Coronavirus infiziert.

Manaus - Als "leichte Grippe" hatte Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro das Coronavirus Sars-CoV-2 mehrfach kleingeredet und durch Aussagen wie diese für Aufmerksamkeit gesorgt. Inzwischen hat Brasilien mehr als 4,6 Millionen Infizierte* seit Beginn der Pandemie zu verzeichnen, knapp 140.00 Menschen sind an Covid-19 gestorben (Quelle: John-Hopkins-University, 25.9.2020, 11.15 Uhr). Nun berichten Forscher* in einer fachlich noch ungeprüften Auswertung von der sogenannten Herdenimmunität, der sich die Bevölkerung der brasilianischen Stadt Manaus annähert oder die sie womöglich schon erreicht hat.

Coronavirus in Brasilien: Herdenimmunität in Manaus? - Stagnierende Fallzahlen

Wie die Forscher in ihrem „Preprint“ schreiben, soll sich das Coronavirus* in der brasilianischen Stadt Manaus, die knapp 1,8 Millionen Einwohner hat, nicht mehr so stark ausbreiten wie zu Beginn der Pandemie. Der Grund hierfür sei, dass Schätzungen zufolge bereits bis zu zwei Drittel der Bevölkerung infiziert gewesen sei. Den ersten Covid-19-Fall verzeichnete die Stadt am 13. März. Bis April sei die Zahl der Neuinfektionen in Manaus rasend angestiegen, während diese Zahl innerhalb der Monate Mai bis September gesunken sei. Die Forscher schließen auf die sogenannte Herdenimmunität.

Indes steigen die Coronavirus-Fallzahlen in Spanien, das sich in der zweiten Welle* befindet, rasend an. Die spanischen Inseln gelten als Risikogebiet - zu Unrecht?

Herdenimmunität ist ein Fachbegriff, der mit Fortschriten der Coronavirus-Pandemie immer häufiger zu hören war. Es handelt sich dabei um einen indirekten Schutz vor einer ansteckenden Krankheit, der entsteht, wenn ein Großteil der Bevölkerung bereits - durch entwickelte Antikörper oder den Schutz einer Impfung - immun gegen den Erreger ist.

Eine Herdenimmunität „auf natürlichem Wege zu erreichen ist gefährlich, weil viele Menschen sterben würden“, sagte Maria von Kerkhove, die Covid-19-Beauftragte der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Ende August, wie unter anderem das „Deutsche Ärzteblatt“ berichtete. WHO-Chef-Wissenschaftlerin Soumya Swaminathan sagte: „Es gibt keine einzige Infektionskrankheit, die unter Kontrolle gebracht wurde, indem man auf natürlich Immunität* gesetzt hat.“

Coronavirus: Preprint zur Herdenimmunität - 66,1 Prozent der Bevölkerung in Manaus infiziert?

Ein Team vom Institut für Tropenmedizin der Universität von Sao Paulo hat insgesamt mehr als tausend Proben von Blutspendern analysiert. In der Auswertung enthielten 44 Prozent der Proben Antikörper gegen das Coronavirus. Die Zahl der Infektionen könnte Schätzungen zufolge, die darauf beruhen, dass Antikörper mit der Zeit abnehmen, bei 66,1 Prozent liegen.

Doch die Studie weist einige Schwachstellen auf. So sind zum einen Proben von Blutspendern nicht repräsentativ für die Bevölkerung, worauf die Forscher auch selbst hinweisen. Sie bezeichnen ihre Methode, um an Daten zu gelangen, jedoch als „logistisch umsetzbare Alternative“. Zum anderen entspricht der erfasste Antikörperwert mehr als dem Doppelten aus einer Antikörperstudie, die in Manaus Ende Mai durchgeführt wurde.

Geht man davon aus, dass die Bevölkerung in Manaus tatsächlich Herdenimmunität erreicht hat, zahlten sie einen hohen Preis. Auf Basis von Hochrechnungen geht aus dem „Preprint“ hervor, dass von den Infizierten der Stadt 0,28 Prozent gestorben sind. Wie unter anderem der "Spiegel" berichtet, entspreche dies einem Covid-19-Toten von 400 infizierten Menschen und im Vergleich zu München beispielsweise einem extrem hohen Wert. Hier sind offiziellen Informationen der Stadt München zufolge von 1,5 Millionen Bewohnern insgesamt 223 an den Folgen einer Infektion gestorben (Stand: 25. September 2020). Heruntergebrochen wäre das ein Covid-19-Toter von mehr als 6500 Corona-Infizierten.

Indes kommen empörende Details über den Ausbruch des Coronavirus in Hamm ans Licht.

Coronavirus: Herdenimmunität ein „Zeichen dafür, dass die Regierung versagt“

Immunologe Florian Krammer vom Mount Sinau Hospital in New York meldete sich am 22. September zu Wort. Anhand des Weges, den Brasilien in der Pandemie gegangen sei, glaube er, das eine Herdenimmunität dort möglich sei.

Er vertrat jedoch einen klaren Standpunkt: „Herdenimmunität durch natürliche Infektionen ist keine Strategie, sondern ein Zeichen, dass die Regierung versagt hat, einen Ausbruch zu kontrollieren und dafür mit verlorenen Leben bezahlt.“ Ob Manaus nun wirklich weltweit die erste Region mit Herdenimmunität ist, bleibt jedoch weiterhin vorerst unklar. *Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Netzwerks (mbr)

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