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Wie wirkt sich Corona auf die psychische Gesundheit der Deutschen aus? Neue Studienergebnisse klären auf

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Die Corona-Pandemie hat einen Einfluss auf die psychische Gesundheit der Deutschen. Professor Klaus Berger berichtet über die Ergebnisse der Nako-Gesundheitsstudie.

Münster - Die Zahl der Corona-Neuinfektionen steigt in Deutschland weiterhin rasant an. Landesweit werden strengere Maßnahmen ergriffen, um die Zahlen der zweiten Welle zu senken. Ein erneuter Lockdown, wie es ihn nach dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie im Frühjahr gab, soll vermieden werden. Die Sorge vor den möglichen wirtschaftlichen Schäden ist groß. In einer Studie wurde nun zudem der Einfluss des Lockdowns auf die psychische Gesundheit der Deutschen untersucht.

Corona: Studie zeigt Einfluss des Lockdowns auf psychische Gesundheit der Deutschen

Professor Klaus Berger ist Facharzt für Neurologie und Direktor des Instituts für Epidemiologie und Sozialmedizin an der Universität Münster. Seit Beginn der Nako-Gesundheitsstudie im Jahr 2014 leitet er den Themenbereich der Neurologisch-Psychiatrischen Erkrankungen. Insgesamt werden in der Studie in mehr als 20 solcher Untergruppen Untersuchungen zu verschiedenen Erkrankungen und Einflussfaktoren auf die Volksgesundheit durchgeführt. In einem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung berichtete Berger über die Erkenntnisse der Studie zum Einfluss des Corona*-Lockdowns im Frühjahr auf die psychische Gesundheit der deutschen Bevölkerung.

Corona-Studie: „Psychische Gesundheit hat sich im Mittel verschlechtert“

Im Mai dieses Jahres wurden die knapp 200.000 Teilnehmer der Nako-Gesundheitsstudie befragt, wie sich ihr Gesundheitszustand in der Corona-Krise* verändert hat. Die Ergebnisse der ersten 113.000 Teilnehmer liegen nun vor. Berger berichtete: „Die psychische Gesundheit und Belastung hat sich gegenüber der Voruntersuchung im Mittel verschlechtert.“ Deutlich mehr Deutsche zeigten laut dem Wissenschaftler depressive Symptome.

Berger erklärte, dass die gestellten Fragen den Schweregrad von Depressions-, Stress- und Angstsymptomen erheben. Für alle drei Gruppen seien die Werte im Mai 2020 im Vergleich zur Voruntersuchung deutlich höher, je nach Altersgruppe allerdings unterschiedlich. „Die psychische Belastung bei jungen bis mittelalten Menschen, zwischen 20 und Ende 40, war besonders groß. In der Gruppe über 60 Jahre haben wir keine Zunahme von depressiven oder Angstsymptomen gesehen“, sagte der Studienleiter für neurologisch-psychiatrische Erkrankungen.

Corona-Studie: Junge Frauen besonders betroffen - Test führt zu höherer psychischer Belastung

Zudem sei bereits erkennbar, dass sich vor allem bei jungen Frauen bis Ende 30 die psychische Gesundheit deutlich verschlechterte, stellte Berger klar. „Dazu dürfte die Belastung durch Homeoffice, Pflege und Betreuung sowie Haushalt beigetragen haben“, erklärte er. Dass sich depressive Symptome während einer solchen Belastungsphase verstärken können, stehe für ihn außer Frage.

Einen deutlichen Anstieg konnten die Forscher auch bei den Angstsymptomen der Deutschen ausmachen. Die psychische Situation sei bei den Studienteilnehmern in verschiedenen Bundesländern zum Teil sehr unterschiedlich gewesen. „Wir sahen bei Befragten in Regionen, die von Covid-19* besonders hart getroffen wurden, eine stärkere Zunahme von Stress und von Angst“, berichtete Berger. Im Osten und Nordosten des Landes sei der Anstieg deutlich geringer gewesen. Dabei spielte ebenfalls eine Rolle, ob man einen Corona-Test* gemacht hat, oder nicht. „Wer getestet wurde, egal ob letztlich positiv oder negativ, hatte eine höhere psychische Belastung als Menschen, die nicht getestet wurden“, sagte der Wissenschaftler.

Corona-Studie: Spreizung bei Alkohol- und Medienkonsum - sozialer Status hat großen Einfluss

Beim Alkohol- und Medienkonsum konnte laut Berger eine Art Spreizung festgestellt werden. „Es gibt eine Gruppe, auf die das zutrifft, die mehr konsumiert hat. Aber es gibt eine ähnlich große Gruppe, deren Konsum sich gegenüber der Voruntersuchung reduziert hat, was beispielsweise Rauchen und Alkohol betrifft“, erklärte er. Die Ergebnisse der Studie zeigten darüber hinaus, dass eine nennenswerte Anzahl von Menschen stärker körperlichen Aktivitäten nachgegangen ist.

Der soziale Status einer Person wirkte sich laut Berger ebenfalls auf die psychische Gesundheit aus. „Sie müssen kein Wissenschaftler sein, um sich vorzustellen, dass beispielsweise eine alleinerziehende Frau, die im Supermarkt oder in einer Arztpraxis arbeitet, also kein Homeoffice machen konnte und damit deutlich stärker belastet wurde, eine höhere Wahrscheinlichkeit hat, depressive Symptome zu entwickeln“, erklärte der Studienleiter.

Berger zu zweitem Corona-Lockdown: „Ausgangslage für den Winter besser als im Frühjahr“

Berger äußerte sich auch zu den, im Vergleich zu anderen Ländern, niedrigeren Corona-Fallzahlen in Deutschland. Er sagte: „Deutsche sind eher dazu geneigt, Einschränkungen wie das Maskentragen, Abstandhalten, Beschränkungen von Teilnehmerzahlen zu befolgen als Mitglieder anderer Gesellschaften.“ Mit Blick auf die zweite Welle* und einen möglichen zweiten Lockdown, seien die Menschen, die depressive Symptome im ersten Durchgang zeigten, nun voraussichtlich besser gewappnet. „Wer Krisen durchlebt hat, lernt in der Regel dabei, mit neuen Krisen umzugehen“, erklärte Berger. „Deshalb denke ich, ist die Ausgangslage für den Winter besser als im Frühjahr.“ (ph) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks

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