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Corona-Proteste in Frankreich: Mediziner fordern „drastische Maßnahmen" - und verweisen unter anderem auf Spanien

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Die steigenden Infektionszahlen halten die Länder der EU in Atem. Gleichzeitig regt sich Widerstand gegen neue Corona-Maßnahmen. 

Update vom 27. September, 14.27 Uhr: Medizinerinnen und Mediziner fordern angesichts der angespannten Corona-Lage in Frankreich (siehe Ursprungsmeldung) „drastische Maßnahmen“. Ohne diese Maßnahmen würde es Frankreich mit einer zweiten Welle* zu tun bekommen, die für Krankenhäuser und Intensivstationen viel schwieriger zu bewältigen sein werde als die erste, hieß es in einem offenen Brief von sieben Medizinern, der am Sonntag im Journal du Dimanche veröffentlicht wurde.

Spanien, Israel, Großbritannien und Italien setzten bereits seit fast zwei Wochen Maßnahmen um - in einigen Ländern gebe es gar Ausgangsbeschränkungen, so die Autorinnen und Autoren. „Die Gesundheitssituation in Frankreich unterscheidet sich nicht von der in diesen Ländern.“ Die Experten fordern, dass Masken immer getragen werden - nur Menschen, die in einem Haushalt leben, könnten darauf verzichten.

„Unternehmen und Bildungseinrichtungen sollten nicht geschlossen werden, aber Abstandsregeln sollten strikt durchgesetzt werden.“ Auch in Restaurants müsse die Maske getragen werden - außer beim Essen. „Wenn diese Maßnahmen ab diesem Wochenende angewandt und zwei bis drei Wochen lang aufrechterhalten werden, könnten sie das Niveau der Epidemie wieder auf das Niveau vom vergangenen Juni bringen.“

Restaurantbesitzer demonstrieren am 25. September 2020 in Marseillen gegen die neuen Corona-Maßnahmen.
In der südfranzösischen Hafenmetropole Marseille treffen neue Corona-Maßnahmen der Regierung auf Unverständnis und große Wut. © Daniel Cole/AP/dpa

Corona-Zahlen steigen rasend: Proteste in deutschem Nachbarland - Minister verteidigt „maximale Alarmstufe“

Update vom 26. September, 09.59 Uhr: Angesichts der Corona-Demos in der Region von Marseille hat der französische Gesundheitsminister Olivier Véran den Kurs der Regierung verteidigt. Die neuen Maßnahmen seien nötig, „auch wenn sie unpopulär sind“, twitterte Véran am Freitag anlässlich seines Besuches in der Hafenmetropole am Mittelmeer. „Leben hängen davon ab“, warnte er.

Vor einem Gerichtsgebäude in der Innenstadt protestierten laut Medien mehrere Hundert Menschen gegen die Schließung von Bars und Restaurants. Véran hatte Mitte der Woche angekündigt, dass für Marseille und das Überseegebiet Guadeloupe die „maximale Alarmstufe“ ausgerufen wurde. Das hat besondere Beschränkungen zur Folge (siehe Ursprungsmeldung).

Restaurant- und Barbesitzer demonstrieren am 25. September 2020 im südfranzösischen Marseille gegen eine Corona-Anordnung der Regierung zu protestieren, wonach alle öffentlichen Lokale geschlossen werden sollen.
Die neuen strengen Maßnahmen der französischen Regierung im Kampf gegen Corona treffen in Marseille auf große Wut und Unverständnis. © Daniel Cole/AP/dpa

Corona-Zahlen steigen rasend: Deutschem Nachbarland droht nächste Chaos-Welle

Ursprungsmeldung vom 25. September:

Marseille - Was die 14-Tage-Inzidenz der WHO angeht, ist der eher kleine Balkan-Staat Montenegro aktuell trauriger Corona*-Spitzenreiter unter den 27 Mitgliedern: Sie lag am 25. September bei 525. Die Inzidenz beziffert die neu gemeldeten Fälle im Verhältnis zu 100.000 Einwohnern. Auf Platz zwei und drei folgen zur Zeit Spanien mit 289 und Tschechien mit 229.

Knapp die Top-3 verfehlt Frankreich mit 210 - und im Nachbarland Deutschlands ist die Stimmung in der Pandemie entzündlich. Frankreich hat bereits einen ersten strikten Lockdown hinter sich. Am Mittwoch nun hatte die Regierung die Corona-Auflagen (vor allem für Großstädte) verschärft:

Corona-Zahlen in Frankreich „explodieren“

Genau deshalb nun die Straßenproteste. Eine Reihe von Restaurantinhabern drohte damit, die Schließungsanordnungen zu missachten. Regionalvertreter der südfranzösischen Region (für welche des Auswärtige Amt eine Reisewarnung ausgesprochen hat) nannten die Verschärfung der Maßnahmen eine „kollektive Bestrafung“ und einen „Affront“ durch die Pariser Zentralregierung.

Restaurant- und Barbesitzer demonstrieren am 25. September im südfranzösischen Marseille gegen Corona-Auflagen der Regierung.
Die Corona-Auflagen in Frankreich sorgen erstmals für größere Straßen-Proteste. © Daniel Cole/AP/dpa

Direkt einen Tag nach der Corona-Maßnahmen-Verschärfung verzeichnete Frankreich einen neuen Rekord bei den Infektionsfällen. Binnen 24 Stunden wurden 16.096 Menschen positiv getestet. Experten weisen jedoch darauf hin, dass die Infektionszahlen im März und April wegen der niedrigen Testkapazitäten nur einen Bruchteil der tatsächlichen Ansteckungen erfasst hatten und sich deshalb nicht mit den Zahlen seit Start der großflächigen Tests vergleichen lassen.

Coronavirus in Frankreich: „Eine Epidemie lässt nicht mit sich spielen“

Regierungschef Jean Castex versuchte, die Wogen zu glätten. „Eine Epidemie lässt nicht mit sich spielen“, warnte Castex im Sender France 2. Auf keinen Fall wolle er zu den rigorosen Ausgangsbeschränkungen zurückkehren müssen, wie sie zwischen März und Mai gegolten hatten.

Am Tag von Frankreichs Corona-Rekord hatte sich die EU-Krankheitsbekämpfungsbehörde ECDC am Donnerstag besorgt über die Situation in sieben europäischen Ländern geäußert, darunter Montenegro, Tschechien und Spanien. Im Detail kamen die EU-Experten zu dem Ergebnis, dass Abstandhalten, Hygieneregeln und die Verwendung von Gesichtsmasken allein die Verbreitung des Virus offenbar nicht aufhalten können. Daher sollten die Gesundheitssysteme gestärkt und Angehörige von Risikogruppen* besser geschützt werden.

Coronavirus in der EU: Bürgermeisterin von Paris legt Einspruch gegen Corona-Maßnahmen ein

Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo teilte mit, sie habe gegen die neuen Corona-Maßnahmen formellen Einspruch eingelegt. Sie kritisierte insbesondere, dass Fitnessstudios und Sporthallen geschlossen bleiben müssen. Sport trage dazu bei, dass die Menschen ein „starkes Immunsystem“ hätten, merkte sie im Fernsehsender France 3 an. 

„Man muss alles dafür tun, um Covid-19 einzudämmen“, twitterte Hildago. „Aber es ist essenziell, dass die Maßnahmen im Verhältnis zum Erhalt des sozialen, sportlichen und kulturellen Lebens stehen", twitterte sie. Viele Länder verschärften derweil die Restriktionen. In England müssen alle Restaurants und Pubs nun um 22.00 Uhr schließen. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz kündigte eine Skisaison ohne Après-Ski-Partys an.

Währenddessen verschärft sich auch die Lage in Großbritannien. Wie nun n-tv unter Berufung auf das statistische Büro berichtet, sei die Zahl der aktuellen Neuinfektionen auf rund 9.000 angestiegen. In der Vorwoche verzeichnete das Land noch etwa 6.000 Infektionen pro Tag. (frs mit Material von dpa und AFP) *Merkur.de gehört zum Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerk

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