Ein weiterer Kritikpunkt war aus Expertensicht die Auswahl der Studienteilnehmer durch Pfizer und Biontech. Die störten sich teils daran, dass auch Corona-Infizierte* mit eher milden Symptomverläufen als Fälle gezählt wurden. So sei nur sehr schwer einzuordnen, ob der Impfstoff in der Lage sei, auch Infektionen mit sehr schweren Verläufen zu unterbinden oder aber symptomlose Infektionen gänzlich verhindern könne.
Zudem steht hinter den Zwischenergebnissen noch ein zusätzliches Fragezeichen. Bei wissenschaftlichen Untersuchungen zu möglichen Impfstoffen ist bekannt, dass der Faktor Zufall bei Wirksamkeitsstudien einen größeren Einfluss hat, je geringer die Zahl infizierten Personen unter den Studienteilnehmern ist.
Somit könnte sich die Wirksamkeit im Falle einer vorschnellen Zulassung im Nachhinein als Trugschluss erweisen. Auch Biontech gab zu bedenken: „Während der noch fortlaufenden Studie kann es zu Schwankungen beim Wert für die Impfstoffwirksamkeit kommen.“
In der aktuellen Pfizer/Biontech-Studie bekam wie in solchen Fällen üblich eine Probandengruppe Placebos, die andere Gruppe den Impfstoff. Insgesamt bestätigten die Unternehmen dabei 94 Corona-Fälle. Bei 90 Prozent Wirksamkeit müssen sich somit 86 der Fälle in der Placebogruppe abgespielt haben, nur acht bei den Geimpften.
Um die Impfstoff-Studie erfolgreich abzuschließen, muss die deutsch-amerikanische Kooperation insgesamt 164 Corona-Fälle* unter den Probanden nachweisen können. Von diesen dürften dann maximal 53 bei den Geimpften auftreten, womit der für die Zulassung von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene Wirksamkeitswert von 50 Prozent übertroffen wäre.
Auf der Jagd nach einem Impfstoff sind wir also noch nicht ganz am Ziel. Trotzdem liegt Virusexperte Florian Krammer von der Icahn School of Medicine des Mount-Sinai-Krankenhauses in den USA mit seiner Einschätzung wohl richtig: „Ehrlich gesagt ist das die beste Nachricht, die ich seit dem 10. Januar erhalten habe.“ (kh) *Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerkes