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Corona-Impfstoff: Hoffnung auf Biontech-Mittel – aber einige Fragen bleiben offen

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Ein deutsches Unternehmen ist mit seinem US-Partner einem Corona-Impfstoff deutlich näher gekommen. Haben wir die Pandemie also bald im Griff? Ganz so einfach ist es nicht.

New York/Mainz - Es war die Nachricht, auf die viele Menschen auf der ganzen Welt sehnsüchtig gewartet haben. Im Wettlauf um einen möglichen Impfstoff* gegen das Coronavirus* hat der Pharmahersteller Pfizer einen Durchbruch erzielen können.

Das US-Unternehmen hat gemeinsam mit seinen deutschen Partnern von Biontech ein Mittel entwickelt, welches schon bald im Kampf gegen die Corona-Pandemie eingesetzt werden könnte. Wie beide Unternehmen am Montag verlauten ließen, lassen erste Zwischenergebnisse aus den Phase-III-Prüfungsprozessen des Impfstoffkandidaten hoffen.

Corona-Impfstoff: Biontech-Mittel bietet laut Zwischenergebnissen 90-prozentigen Schutz

So soll das Mittel ersten Erkenntnissen zufolge einen etwa 90-prozentigen Impfschutz vor einer Erkrankung an COVID-19 bieten. Die laufende Studie bezüglich des potenziellen Impfstoffs wird von dem Data Monitoring Commitee (DMC), einer unabhängigen Expertengruppe, überwacht.

Die Fachleute stellten „keine ernsthaften Sicherheitsbedenken“ fest. Daher dürften Pfizer und Biontech um Firmengründer Ugur Sahin schon bald bei der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA vorstellig werden, um eine Zulassung des Impfstoffs zu beantragen.

Corona-Impfstoff: Noch einige Fragezeichen hinter Mittel von Biontech und Pfizer

Doch kann das neue „Wundermittel“ BNT162b2 wirklich eine schnelle Rückkehr zum normalen Alltag herbeibringen? Ganz so einfach ist das nicht, einige Fragen bleiben noch offen.

Zum einen muss laut Leif-Erik Sander, dem Leiter der Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung an der Berliner Charité, noch geklärt werden, ob das vermeintliche Corona-Impfmittel auch bei Risikopatienten eine derart hohe Wirksamkeit aufweisen kann wie in der Studie.

Auch ist für den Charité-Mitarbeiter noch nicht abschließend ersichtlich, wie lange der Corona-Impfschutz anhalte und ob die Geimpften tatsächlich gefahrenfrei das Mittel verabreicht bekommen können. Sander: „Nach Angaben der Firma zeigen sich keine sicherheitsrelevanten Nebenwirkungen. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass der Beobachtungszeitraum für relevante Impfnebenwirkungen noch zu kurz ist.“

Ein weiterer Kritikpunkt war aus Expertensicht die Auswahl der Studienteilnehmer durch Pfizer und Biontech. Die störten sich teils daran, dass auch Corona-Infizierte* mit eher milden Symptomverläufen als Fälle gezählt wurden. So sei nur sehr schwer einzuordnen, ob der Impfstoff in der Lage sei, auch Infektionen mit sehr schweren Verläufen zu unterbinden oder aber symptomlose Infektionen gänzlich verhindern könne.

Corona-Impfstoff: Biontech räumt mögliche „Schwankungen“ ein

Zudem steht hinter den Zwischenergebnissen noch ein zusätzliches Fragezeichen. Bei wissenschaftlichen Untersuchungen zu möglichen Impfstoffen ist bekannt, dass der Faktor Zufall bei Wirksamkeitsstudien einen größeren Einfluss hat, je geringer die Zahl infizierten Personen unter den Studienteilnehmern ist.

Somit könnte sich die Wirksamkeit im Falle einer vorschnellen Zulassung im Nachhinein als Trugschluss erweisen. Auch Biontech gab zu bedenken: „Während der noch fortlaufenden Studie kann es zu Schwankungen beim Wert für die Impfstoffwirksamkeit kommen.“

In der aktuellen Pfizer/Biontech-Studie bekam wie in solchen Fällen üblich eine Probandengruppe Placebos, die andere Gruppe den Impfstoff. Insgesamt bestätigten die Unternehmen dabei 94 Corona-Fälle. Bei 90 Prozent Wirksamkeit müssen sich somit 86 der Fälle in der Placebogruppe abgespielt haben, nur acht bei den Geimpften.

Um die Impfstoff-Studie erfolgreich abzuschließen, muss die deutsch-amerikanische Kooperation insgesamt 164 Corona-Fälle* unter den Probanden nachweisen können. Von diesen dürften dann maximal 53 bei den Geimpften auftreten, womit der für die Zulassung von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene Wirksamkeitswert von 50 Prozent übertroffen wäre.

Auf der Jagd nach einem Impfstoff sind wir also noch nicht ganz am Ziel. Trotzdem liegt Virusexperte Florian Krammer von der Icahn School of Medicine des Mount-Sinai-Krankenhauses in den USA mit seiner Einschätzung wohl richtig: „Ehrlich gesagt ist das die beste Nachricht, die ich seit dem 10. Januar erhalten habe.“ (kh) *Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerkes

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