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Verdrängt Corona die Grippe? Drosten und Streeck reagieren entschieden auf Böhmermann-Frage: „Es kann sein ...“

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Medikamente und ein Fiberthermometer liegen auf einem Nachttisch (Gestellte Szene).
Bleibt die Grippe-Saison diesen Winter aus? Gesundheitsexperten sind sich uneinig. (Symbolbild) © Maurizio Gambarini/ dpa/ Picture Alliance

Das Coronavirus ist gen Herbst wieder auf dem Vormarsch. Die kalte Jahreszeit bringt meist auch eine Grippewelle mit sich. Unter Experten entbrennt jetzt die Debatte: Verdrängt Corona die Grippe?

Berlin - Der Herbst ist da, das bunte Laub fällt von den Blättern. Doch die Jahreszeit ist nicht nur golden, sondern bringt auch immer Schmuddelwetter mit sich. Wenn die Tage kühler werden, bricht meist auch die Grippe-Saison an. Durch Nässe und Kälte haben viele Menschen ein geschwächtes Immunsystem, was sie nicht nur anfällig für eine einfache Erkältung, sondern auch für die Grippe und Noroviren macht. Im Herbst und Winter verbreiten sich also jedes Jahr verschiedenste Krankheiten. Warum sollte dies in diesem Jahr anders sein?

Masken tragen und Abstandhalten in Supermärkten, öffentlichen Verkehrsmitteln und der Gastronomie. Arbeiten im Homeoffice statt Mann an Mann im Großraumbüro. Bessere Handhygiene, nicht nur für die Allerkleinsten, die das Händewaschen gerade lernen müssen, sondern für Jedermann und an sämtlichen Eingängen zu öffentlichen Einrichtungen. Es sind Maßnahmen, die Deutschland in der Coronovirus-Pandemie vor immer mehr Infizierten* und der allseits befürchteten „zweiten Welle“*, die einen erneuten Lockdown provozieren könnte, bewahren sollen. Und diese Maßnahmen schützen auch vor Grippe, Noro & Co.

Umfrage: Desinfizieren Sie sich seit Corona häufiger die Hände?

Gesundheitsexperten vermuten deshalb, dass die Hygienemaßnahmen in diesem Jahr vielleicht dazu führen könnten, dass weniger Menschen an anderen Infektionskrankheiten leiden werden. Auch Moderator Jan Böhmermann hat sich nun dem Thema angenommen: Auf Twitter fragte er, ob es denn schon Studien zu der Frage gebe, wie viele Menschen durch die verbesserten Hygienemaßnahmen nicht nur vor dem Coronavirus, sondern auch vor anderen Krankheiten, wie etwa der Grippe, geschützt werden. Böhmermanns Tweet wird jetzt zur Grundlage einer Debatte zweier führenden, deutschen Virologen.

Twitter: Jan Böhmermann löst Debatte über Grippe aus

Kein geringerer als Prof. Dr. Christian Drosten, Chef-Virologe der Berliner Charité, - Böhmermann hatte ihn „CC“ gesetzt - antwortete nämlich auf seine Frage. Und das sogar ziemlich entschieden: „Ja klar. Unsere Influenzasaison wurde im März abrupt beendet. Im Südhalbkugel-Winter (Südafrika, Australien) ist die Influenza-Saison fast ausgefallen. Auch die meisten anderen Erkältungsviren sind selten geworden, bis auf die Picornaviren.“

Picornaviren spielen vor allem bei der Kontaktübertragung bei Kindern eine Rolle. Zu ihnen gehören auch die Rhinoviren, die für Erkältungen sorgen können. An dieser Stelle ergreift Prof. Dr. Hendrik Streeck aus Bonn, ebenfalls einer der führenden Virologen Deutschlands, das Wort. Gegenüber dem Nachrichtenportal t-online zeigt er sich nicht so überzeugt von Drostens Meinung: „Es kann sein, dass es diesen Effekt gibt. Auf der Südhalbkugel etwa konnten wir schon sehen, dass es außerordentlich wenig Grippefälle gab. Allerdings tauchen in Deutschland schon jetzt vereinzelt Erkrankungen auf.“

Coronavirus-Pandemie: AHA-Regeln als Schutz vor Viren

Den Anstieg der Rhinoviren behält Streeck derzeit ganz genau im Auge. Im Interview betont er: „Im letzten Monat konnten wir einen deutlichen Anstieg an Rhinoviren beobachten. Diese lösen einen herkömmlichen Schnupfen aus – ungefährlich, aber nervig. Und diese Viren werden ähnlich wie das Coronavirus übertragen. Da stellt sich die Frage, warum dieses Virus nicht auch geblockt wird durch unser Verhalten und die AHA-Regeln." Dies wolle er in den nächsten Wochen weiter genau beobachten.

Die Meinung, ob es in dieser Grippesaison wegen den verstärkt durchgeführten Hygienemaßnahmen weniger Grippeerkrankungen geben wird, ist unter Fachleuten also gespalten. Der Kardiologe Prof. Dr. Thomas Voigtländer beispielsweise sagte t-online, dass er das Risiko, sich dieses Jahr mit Influenza anzustecken durch die verstärkte Hygiene geringer als üblich einschätze. Laut dem stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Herzstiftung und Ärztlichen Direktor des Agaplesion-Bethanien-Krankenhauses in Frankfurt am Main, wären Grippeviren nicht so ansteckend wie das Coronavirus.

Coronavirus-Risikopatienten wird Grippe-Impfung empfohlen

Dennoch mahnt Voigtländer zur Vorsicht: Gerade Corona-Risikopatienten müssten im Herbst und Winter auf sich achten, um eine Grippe und Erkältungen zu vermeiden: „Wenn sich der Körper mit mehreren Viren gleichzeitig auseinandersetzen muss, wird er noch mehr belastet. Darum ist sowohl eine Grippe- und auch eine Pneumokokken-Impfung für Risikopatienten ab 60 Jahren dringend zu empfehlen.“ Für die Grippeimpfung plädierte kürzlich auch schon Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU).

Video: Risikogruppe während Corona-Pandemie besonders von Grippe gefährdet

Auf der anderen Seite der Welt ist der Winter nun fast vorüber. Studien zeigen, dass die Grippe in Australien in diesem Jahr fast gänzlich ausgeblieben ist. Graphiken der WHO bezeugen, dass die Zahlen hier unter denen der Vorjahre liegen. In der Hoch-Zeit der Grippesaison gab es in Australien nur halb so viele Fälle wie letztes Jahr. Auch in Südafrika gab es 2020 kaum Fälle. So vermuten auch die Experten der WHO, dass die Corona-Schutzmaßnahmen eine Rolle bei der Übertragung der Influenzaviren gespielt haben könnten. (cos) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.

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