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Eiffelturm gesperrt, Museen dicht: Renten-Proteste treffen auch Touristen

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Paris-Besucher stehen nicht nur oft im Nebel, sondern wegen der Streiks auch immer wieder vor verschlossenen Attraktionen.
Paris-Besucher stehen nicht nur oft im Nebel, sondern wegen der Streiks auch immer wieder vor verschlossenen Attraktionen. © afp

In Frankreich gehen die Proteste gegen die Rentenreform weiter. Für Reisende bedeutet das: Geschlossene Museen und Verkehrsprobleme. Doch die meisten schlagen sich im Pariser Chaos immer besser durch.

Paris - Pech gehabt: Der Eiffelturm ist gerade geschlossen. Mico, am Vortag aus Kuweit angekommen und mit dem Flughafenbus problemlos ins Hotel an den Champs-Elysées gefahren, wusste nicht einmal, dass in Paris Streik ist. Darauf aufmerksam gemacht, geht ihm ein Licht auf. „Stimmt, wir sind in Frankreich“, lacht er und imitiert die Streikenden, indem er die Faust reckt und mit leichtem Akzent ausruft: „C’est la révolution!“

Frankreich: Revolutionäre Stimmung in Paris

Auch andere Reisende, die vor dem Eiffelturm gestrandet sind, scheinen mit der revolutionären Stimmung in Paris gut zuwege zu kommen. Zwei Brasilianer erzählen, sie gingen gerne zu Fuß, notfalls bestellten sie via Handy-App einen Wagen des Personenbeförderers Uber. „Das funktioniert bestens, auch wenn es ins Geld geht“, meint João. Er hat gemerkt, dass die Fahrer ihre Tarife während des Streiks vervielfacht haben und teilweise so viel verlangen wie ein Taxi. Der südbrasilianische Lehrer, der von sich aus betont, er sei gegen „seinen“ Präsidenten Bolsonaro, erklärt sich mit den Streikenden für solidarisch. „Aber die U-Bahn, die nehmen wir nicht mehr, da weiß man nie, ob sie fährt.“

In der Tat gibt der Betreiber Ratp jeweils erst am Vorabend bekannt, welche Metro-Linien am nächsten Tag ganz oder halbwegs verkehren. Das Gleiche gilt für die Museen. Louvre und Musée d’Orsay müssen aus Personalmangel die am wenigsten besuchten Abteilungen schließen. Täglich passen sie ihre Öffnungszeiten der Zahl der Streikenden an. Zu Beginn des Streiks im Dezember sorgte dies gerade bei Weitgereisten für Schwierigkeiten, als nicht mehr alle reservierten Zeitfenster der Leonardo da Vinci-Ausstellung im Louvre eingehalten wurden. Mittlerweile klappt das Buchungssystem besser.

Frankreich: Touristen sind enttäuscht, dass Eiffelturm geschlossen ist

Din und Shidah, ein älteres Ehepaar aus Malaysia, sind enttäuscht, dass der Eiffelturm geschlossen ist. Es sei unmöglich gewesen, mit dem Bus oder der Metro* hierherzukommen, sagt der Mann; und weil die meisten Fahrradreifen des städtischen Mietdienstes Vélib durchstochen seien, hätten sie schließlich einen Uber-Wagen rufen müssen. „Er blieb eine Stunde im Stau stecken und kostete uns fast 40 Euro“, ärgert sich der Malaysier. „Bei uns käme so etwas nicht vor, da sind Streiks verboten. Präsident Macron sollte dieses Chaos nicht zulassen“, fügte er an, obwohl sie ihm diskret zu schweigen bedeutet. „Das ist nicht gut für die Landeswirtschaft und das Image von Paris.“

Frankreich: Nahverkehr läuft im Großraum Paris wieder etwas flüssiger

Es stimmt, die besten Hotels in Paris verbuchen bis zu 30 Prozent Stornierungen. Bahn- und Metro-Betriebe beziffern ihre Verluste auf insgesamt eine Milliarde Euro; und der Verband der französischen Klein- und Mittelunternehmen schätzt den Einbruch seiner Mitglieder gar auf 15 Milliarden Euro. Die Banque de France will diese Zahl aber nicht bestätigen und erklärte unlängst, noch sei das Wirtschaftswachstum kaum beeinträchtigt. Die meisten Lieferungen, die in Güterbahnhöfen blockiert seien, würden nur vertagt. Allerdings haben diese Woche die Docker die Häfen von Marseille am Mittelmeer bis Le Havre am Ärmelkanal teilweise gesperrt, auch Raffinerien sind blockiert.

Nach sechs Wochen Streik nimmt die Zahl der Streikenden täglich leicht ab: der Nahverkehr läuft im Großraum Paris wieder etwas flüssiger. Die verbliebenen Gewerkschafter bleiben aber entschlossen. Am Donnerstag sind in mehreren Städten des Landes erneut Zehntausende gegen die Rentenreform auf die Straße gegangen.

Frankreich: Unter dem Eiffelturm ist es stiller denn je

Unter dem Eiffelturm ist es dagegen stiller denn je. Davide, am Morgen aus Rom eingetroffen, diskutiert mit seiner chinesischen Freundin Xin über den Streik. „Sie haben recht zu protestieren“, sagt er, ein wenig wie die vielen Franzosen, die auch dann noch für die streikenden Eisenbahner eintreten, wenn sie am Bahngleis auf Züge warten. „Vor einem Jahr hatte Präsident Macron gegenüber den Gelbwesten die Steuern gesenkt – jetzt nimmt er ihnen das Geld über die Rentenreform wieder weg“, meint der Italiener. „Ich wäre froh, wenn meine Landsleute ebenso lauthals für ihre Pensionen auf die Straße gingen.“

Frankreich: Demo in Paris als Sightseeing-Attraktion

Xin schlägt deshalb ein Alternativprogramm vor: Mangels Aussicht vom Eiffelturm besucht das Pärchen am Nachmittag die Kundgebung der Reformgegner. Eine echte Pariser Demo als neueste Sightseeing-Attraktion, hautnah erlebt, wenn gewünscht gar mit einem Hauch Tränengas.

Von Stefan Brändle

*fr.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.

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