„Ich hab Gänsehaut am ganzen Körper bekommen, weil ich gleich an ihn gedacht habe. Dass uns das hätte auch passieren können“, erzählt sie im Interview weiter. Man denke im ersten Augenblick gar nicht daran, dass jemand, der auf kleine Babys spezialisiert sei, zu so einer Tat in der Lage sei.
Update vom 30.01.2020, 15:25 Uhr: Ein Geständnis der Verdächtigen bleibt bislang aus. Zugleich hält die Polizei nähere Informationen zur Krankenschwester geheim. Die Deutsche Presse Agentur berichtet lediglich von einer jungen Frau, die aufgrund versuchten Totschlags in Untersuchungshaft sitzt. Laut aktuellem Ermittlungsstand gebe es keine Hinweise auf weitere Vergiftungsfälle auf der Neugeborenenstation.
Aktuell steht die Polizei außerdem mit Marburger Ermittlern in Kontakt, die in der Vergangenheit an einem ähnlichen Fall gearbeitet haben: In der hessischen Stadt hatte eine Krankenschwester im Jahr 2016 ohne ärztliche Begründung drei frühgeborenen Mädchen Beruhigungs- und Narkosemittel verabreicht. Drei Jahre später wurde sie wegen versuchten Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Geltungsdrang soll das Motiv der Krankenschwester gewesen sein, die sich durch eine Rettung der Babys profilieren wollte.
Die Ermittlungen stehen im Moment noch am Anfang. So müsse aktuell auch noch geklärt werden, ob die im Schrank aufgefundene Spritze tatsächlich von der sich in Untersuchungshaft befindlichen Krankenschwester stammt oder ob der eigentliche Täter sie nur dort platzierte.
Die Universitätsklinik in Ulm reagierte bestürzt auf den Vorfall. "Wir müssen davon ausgehen, dass hier mit krimineller Energie ein Verbrechen verübt wurde", sagte der ärztliche Direktor der Kinderklinik, Klaus-Michael Debatin, am Donnerstag. Der ärztliche Direktor der gesamten Klinik, Udo Kaisers, entschuldigte sich und kündigte an, dass "hart" daran gearbeitet werde, verloren gegangenes Vertrauen wieder herzustellen.
Erstmeldung vom 30. Januar 2019: Ulm - Für die Eltern der fünf Frühgeborenen dürfte es ein Schock gewesen sein, als ihre Babys kurz nach der Entbindung im Universitätsklinikum Ulm unter lebensbedrohlichen Atemproblemen litten. Alle Frühgeborenen befanden sich am 20. Dezember 2019 in einem Raum und wiesen zeitgleich die selben Symptome auf. Als Ursache gingen die Ärzte zunächst von einer Infektion aus, doch Urinproben widerlegten den Verdacht.
Der wahre Auslöser ist nun aber bekannt und eine Verdächtige wurde ebenfalls identifiziert.
Die fünf Frühchen wurden allesamt mit Morphin vergiftet. Laut der Staatsanwaltschaft und Polizei Ulm sollten Ärzte nur drei von ihnen im Zuge der Notfallversorgung das Betäubungsmittel verabreichen. Urinproben bestätigten allerdings, dass alle fünf Babys im Raum lebensbedrohlichen Mengen ausgesetzt waren, weshalb die Verantwortlichen des Klinikums am 17. Januar Anzeige erstatteten.
In Bezug auf den Gesundheitszustand der Babys gibt es außerdem Entwarnung: Das Krankenhauspersonal agierte rechtzeitig und konnte alle fünf Frühgeborenen retten. Nach derzeitigen Einschätzungen der Ärzte kommt es zudem zu keinen Folgeschäden durch die Vergiftung.
Am 28. Januar kam es zu Durchsuchungsmaßnahmen im Klinikum. In einem Spind einer Krankenschwester, die im Tatzeitraum Dienst auf der Frühgeborenenstation hatte, wurde die Polizei schließlich fündig: Dort befand sich eine Spritze mit vermeintlicher Muttermilch, die nach kriminaltechnischen Untersuchungen im Landeskriminalamt Baden-Württemberg Spuren von Morphium aufwies. Ob das Betäubungsmittel aus dem Bestand des Krankenhauses stammt, muss laut dem leitenden Ulmer Oberstaatsanwalt Christof Lehr, der sich im Rahmen einer Pressekonferenz am Donnerstag zum Fall äußerte, noch geprüft werden.
Die Frau befindet sich zum jetzigen Zeitpunkt in Untersuchungshaft. Ihr wird laut der Deutschen Presse Agentur versuchter Totschlag in fünf Fällen vorgeworfen. Zu möglichen Motiven der Verdächtigen gibt es derzeit noch keine Erkenntnisse, da die Krankenschwester laut Christof Lehr die Tat aktuell bestreitet. Am Mittwoch äußerte sich Udo Kaisers, Leitender Ärztlicher Direktor, zu dem erschütternden Vorfall: „Wir bedauern es sehr, dass es zu einem solchen Zwischenfall gekommen ist, und entschuldigen uns ausdrücklich bei den Eltern und Kindern dafür.“
Hierzulande beschäftigt die Ärzte derzeit noch ein ganz anderes Problem: Das Coronavirus ist in Deutschland* angekommen - konkret haben sich mehrere Personen im Münchner Umland infiziert. Der Erreger soll zum ersten Mal in China aufgetreten sein.
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