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Hitzefrei in Büro und Schule: Ab welcher Temperatur darf man gehen?

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Ab wann gibt es Hitzefrei oder gibt es das überhaupt nicht mehr?
Ab wann gibt es Hitzefrei oder gibt es das überhaupt nicht mehr? © dpa / Sebastian Kahnert

Hitzefrei im Büro und in der Schule: Ab welcher Temperatur können Arbeitnehmer und Schüler nach Hause gehen? So ist die Regelung in Deutschland.

München - Viele Schulkinder sehnen sich danach, viele Angestellte genauso: Bei Temperaturen weit über 30 Grad wird der Ruf nach einem arbeits- oder schulfreien Nachmittag schnell laut. Doch welche Regelungen gelten? Gibt es zu Zeiten von modernen Klimaanlagen und anderer Vorrichtungen so etwas wie „Hitzefrei“ überhaupt noch?

Hitzefrei im Büro: Gibt es das denn wirklich?

Grundsätzlich gilt: Ein Büroangestellter muss nicht jede Temperatur bei der Arbeit ertragen. Aber die Chancen auf Hitzefrei stehen nicht besonders gut. Die „Technischen Regeln für Arbeitsstätten“, welche die Raumtemperatur am Arbeitsplatz seit 2010 regeln, sehen lediglich vor, dass Büros ab 35 Grad nicht als Arbeitsräume geeignet sind. Und auch nur dann, wenn entsprechende Kühlmaßnahmen, beispielsweise Luftduschen, Wasserschleier, Entwärmungsphasen oder Hitzeschutzkleidung, keine Milderung verschaffen. Hauptsächlich vermasselt allerdings die Klimaanlage einen freien Tag am Baggersee oder in der Eisdiele.

„Kann der Arbeitgeber keine der oben genannten Schutzmaßnahmen bereitstellen, muss er seine Mitarbeiter nach Hause schicken und ‚Hitzefrei‘ geben“, teilen die Rechtsanwälte der Kanzlei Mingers & Kreuzer mit. Strengere Regeln gelten für gesundheitlich vorbelastete und schutzbedürftige Personen wie Schwangere, stillende Mütter, Jugendliche oder ältere Mitarbeiter. In Einzelfällen kann Ihnen Ihr Chef dann Hitzefrei geben. Keine gute Idee ist jedenfalls, bei der Hitzewelle im Büro einen Ventilator aufzustellen.

Hitze am Arbeitsplatz: Wann ist der Arbeitgeber in der Pflicht?

Steigen die Raumtemperaturen sogar auf bis zu 30 Grad muss der Arbeitgeber handeln und sich weitere Maßnahmen überlegen, damit Angestellte so wenig wie möglich belastet werden. Dies können gelockerte Kleidungsregeln sein aber auch das Lüften in den frühen Morgenstunden oder verlagerte Arbeitszeiten (Gleitzeit). Laut Gesetzgeber gilt aber: „Technische und organisatorische gehen gegenüber personenbezogenen Maßnahmen vor.“ Folglich muss Ihr Vorgesetzter zunächst einmal versuchen, die Temperaturen im Büro zu senken.

Und was tun, wenn der Chef sich nicht an die Vorgaben hält und seine Mitarbeiter in der Hitze - aktuell bis zu 40 Grad in Deutschland - „schmoren“ lässt? Ihm droht dann ein Bußgeld in Höhe von bis zu 5000 Euro. Dennoch dürfen sich Mitarbeiter nicht unbedingt selbst Hitzefrei nehmen. Zwar ist „kein Arbeitnehmer verpflichtet, für die Arbeit seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen“, teilt die Kanzlei Mingers & Kreuzer dazu mit. „Ob er sich aber selbst ‚Hitzefrei‘ geben kann, ist allerdings umstritten. Diesbezüglich ist noch kein höchstrichterliches Urteil gefallen.“

Video: Ab welcher Temperatur muss mir der Arbeitgeber freigeben?

Hitzefrei-Regelung für Bauarbeiter

Über Büroangestellte, die wegen der Hitze jammern, können Bauarbeiter nur müde lächeln. Auf der Baustelle müssen Arbeiter in der prallen Sonne schuften. Doch gibt es auch für sie irgendwann Hitzefrei? Schließlich sind sie hohen Temperaturen ausgesetzt. Ab 30 Grad drohen Kreislaufkollaps, Sonnenstich oder auch Übelkeit.

Hitzefrei auf der Baustelle kann es prinzipiell geben

Hitzefrei auf der Baustelle ist unter anderem in Bayern zwar möglich - sowohl für den ganzen Tag, als auch stundenweise. Allerdings gibt es keine bestimmte Temperatur, ab der der Arbeitgeber verpflichtet ist, seine Bauarbeiter freizustellen. Der Chef muss jedoch dafür sorgen, dass seine Mitarbeiter durch die Hitze keine gesundheitlichen Schäden davon tragen.

Diese Vorgaben zum Gesundheitsschutz sind seit 1998 in der Baustellenverordnung (BaustellV) geregelt. Sie ist eine Ergänzung des Arbeitsschutzgesetzes, nach der Arbeitgeber dafür Sorge tragen müssen, dass ihre Mitarbeiter keiner Gesundheitsgefährdung ausgesetzt werden. Aber auch hier gilt ähnliches wie im Büro: „Der Arbeitgeber muss Maßnahmen ergreifen, um die Arbeitsbedingungen erträglicher zu gestalten und die Gesundheit seiner Angestellten zu schützen“, heißt es auf arbeitsrechte.de.

Um die Gesundheit ihrer Bauarbeiter bei großer Hitze zu schützen, können Bauherren etwa

Hitzefrei in der Schule: Ab welcher Temperatur kriegen Schüler frei?

Auch für alle bayerischen Schüler gilt: Ab wann sie Hitzefrei bekommen, ist vom bayerischen Kultusministerium nicht generell geregelt. Jede Schule kann individuell entscheiden, welche Maßnahmen sie für nötig hält - schließlich ist jede Bildungseinrichtung baulich anders. Die Entscheidung trifft also der jeweilige Schulleiter. In anderen Bundesländern ist es ähnlich. 

Obwohl es die heißesten Tage des Jahres werden sollen, legen rund 40.000 Schüler an Bayerns Realschulen und 61.500 an den Mittelschulen momentan ihre schriftlichen Abschlussprüfungen ab. Auch hier kommt es ganz auf die spezielle Situation vor Ort an. Sollte der Schulleiter beispielsweise zu dem Schluss kommen, die eigentlich für die Prüfungen vorgesehene Turnhalle sei zu heiß, könne er umdisponieren. Stattfinden müssen die Prüfungen trotz der großen Hitze. 

Hitzefrei in der Schule: Außentemperatur ist nicht ausschlaggebend

Das bayerische Kultusministerium sagt dazu: Wenn konzentriertes Lernen im Klassenzimmer nicht mehr möglich ist, dann sollten die Schulen Hitzefrei geben. Heißt: Die Außentemperatur ist kein besonderer Maßstab - auf die Gradzahlen innerhalb der Räume kommt es an. Meistens liegt die Grenze zu einer unangenehmen Lernatmosphäre bei 27 Grad. Aber: Die Schule muss sich nicht daran halten.

Sollte die Grundschule Hitzefrei geben, dürfen kleinere Kinder dennoch nicht allein nach Hause gehen. Es sei denn, die Eltern haben es speziell erlaubt. Grundsätzlich sieht die Regelung so aus: Zu Beginn der Sommerzeit erhält die Familie einen Elternbrief, in dem sie gefragt wird, ob das Kind bei Hitzefrei allein nach Hause darf. Sollten die Eltern das nicht wollen, werden die Kinder dementsprechend in einem Hort oder an der Schule von Lehrern weiter betreut. Dies gilt wohl gemerkt für die jüngeren Kinder - an Realschulen oder Gymnasien sieht das anders aus. Hier müssen Eltern keine Einwilligung unterschreiben. Die Schüler müssen das selbst mit ihrer Familie klären. 

Übrigens: Eine bundesweite Regelung gibt es seit 1999 nicht mehr. Neben Baden-Württemberg und Bayern können auch die Schulleiter in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Berlin und Hessen entscheiden, ob die Schüler nach Hause gehen dürfen oder nicht. Die Ergebnisse der Pisa-Studie 2018 erfahren Sie hier.

Die aktuelle Hitzewelle hat auch für zahlreiche Unfälle auf Bayerns Straßen gesorgt, wie Merkur.de* berichtete. Fahrzeuglenker dehydrieren oftmals und verursachen verheerende Unfälle. Im Juni wurde sogar ein Rekord gebrochen - und es wird noch heißer

*Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digitalnetzwerks.

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