Im Fall Wilke Wurstwaren sind viele Fragen noch ungeklärt, auch vonseiten des Landkreises Waldeck-Frankenberg. Ein Überblick über das, was wir bisher wissen – und über die Fragen, die vonseiten des Landkreises bislang nicht beantwortet wurden.
Am 20. August habe das Umweltministerium den Landkreis darüber informiert, dass Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) ergeben hatten, dass Produkte der Firma Wilke im Verdacht stehen, Listerien zu enthalten, teilt der Landkreis mit. Danach habe man „unverzüglich“ die Nachforschungen des RKI und des Bundesinstitutes für Risikobewertung unterstützt.
Eine Konsequenz daraus, so der Landkreis: Der Fachdienst Lebensmittelüberwachung habe „sowohl die angemeldeten als auch die unangemeldeten Kontrollen“ intensiviert, „und diese danach nochmals deutlich verschärft“. Vor der Schließung am 2. Oktober sei der Betrieb „zuletzt sogar täglich persönlich vor Ort“ von Lebensmittelkontrolleuren des Kreises überwacht worden.
Zwei Mal seien bereits Bußgelder gegen Wilke verhängt worden, teilt die Verwaltung auf Nachfrage mit. Die Gründe: hygienische und bauliche Mängel im Betrieb. „Rechtlich ist aber vorgeschrieben, einem Unternehmen, bei dem Missstände festgestellt werden, die Möglichkeit zu geben, die erkannten Mängel abzustellen – also eine Grundreinigung und Desinfektion der Räumlichkeiten und Gerätschaften in der Produktion vorzunehmen. Dem mussten wir nachkommen und dem sind wir nachgekommen.“
Arbeitsrechtliche Verstöße, weder zum Einsatz von Leiharbeitern, noch zur Beschäftigung der anderen Mitarbeiter, seien der Kreisverwaltung „nicht bekannt geworden. Es hat uns auch gewundert, dass diese Vorwürfe dann unmittelbar nach der Schließung erhoben wurden, denn selbstverständlich hätten wir uns darum gekümmert“.
Wilke hatte jetzt einen Eilantrag auf den Weg gebracht, um den Betrieb wieder aufnehmen zu können. Diesem Antrag „sehen wir gelassen entgegen und sind gemeinsam mit den anderen Behörden fest davon überzeugt, dass die Schließung geboten war“. Nach „umfassender Ermittlung, sorgfältiger Abwägung und nach Abstimmung mit den anderen Behörden“ sei dies entschieden worden. Im Sinne des Verbraucherschutzes „war diese Maßnahme absolut zwingend“. Zudem gebe es stets eine enge Abstimmung zwischen dem Regierungspräsidium und dem Ministerium. „Wir sind davon überzeugt, dass der Kreis Waldeck-Frankenberg seine Aufgaben nach bestem Wissen und Gewissen erledigt hat, die in die Schließung des Unternehmens mündeten.“
In die Kritik geraten war auch Fritz Schäfer, Dezernent für Landwirtschaft und Verbraucherschutz, der selbst vor Jahren einmal Schweine an Wilke verkauft hatte. Einen Interessenskonflikt sieht die Kreisverwaltung nicht. Der landwirtschaftliche Betrieb des Dezernenten habe „nach unmissverständlicher Aussage Schäfers zu keiner Zeit geschäftliche Verbindungen zur Firma Wilke unterhalten. Zudem hat der Kreislandwirt übrigens seine Schweinehaltung bereits im Jahr 1992 aufgegeben.“
Nicht alle unsere Fragen, die wir im Laufe der vergangenen Tage an die Kreisverwaltung geschickt haben, wurden auch beantwortet. Offen geblieben sind folgende Fragen:
Wurden bei den Kontrollen die katastrophalen hygienischen Zustände bemerkt, die ehemalige Mitarbeiter schildern? Dies bleibt vorläufig unklar. Ebenso die Frage, ob diese Zustände ausgereicht hätten, den Betrieb (früher) zu schließen.
Beim ersten Pressegespräch am Mittwoch, 2. Oktober, als das Aus der Produktion bei Wilke bekannt gegeben wurde, sagte Amtsveterinär Dr. Martin Rintelen, dass es bereits seit 2018 verstärkt Fälle gab, „die Wilke zugeschrieben wurden“. Wir wollten daraufhin wissen: Inwiefern wurde diesen Fällen durch die Kreisverwaltung nachgegangen? Und wie sahen diese Hinweise konkret aus? Ging es dabei auch bereits um Listerien? Welche Konsequenzen folgten daraus? Die Antworten darauf stehen nach wie vor aus.
Noch nicht genau geklärt sind auch die zeitlichen Abläufe. Zwischen der Nachricht über das Ergebnis der Genomanalyse vom Robert-Koch-Institut am 24. September und der Schließung des Betriebs am 2. Oktober lagen mehrere Tage. Was genau in der Zwischenzeit passierte, wer mit wem sprach, welche Schritte vonseiten des Landkreises eingeleitet wurden: unklar.
Mehrere Telefonkonferenzen zwischen den Behörden gab es im Vorfeld der Schließung, unter anderem am 20. und 25. September. Um was es dabei genau ging, darüber erteilte der Landkreis keine Auskunft. Auf die Frage, was gegen einen Produktionsstopp bei Wilke direkt nach den Konferenzen sprach, ebenfalls nicht.
Laut des aktuellen Bulletins der Robert-Koch-Instituts wurden die bekannten 37 Listeriose-Fälle aus zwölf Bundesländern gemeldet, die meisten (elf) aus Nordrhein-Westfalen, fünf aus Hessen. Gemeldet wurden sie 2014, 2016, 2017 und die meisten (21) in 2018, aus 2019 sind acht Fälle bekannt. Von einer „gemeinsamen Quelle“ sei auszugehen, „Lebensmittel eines nicht näher benannten Betriebs aus Hessen“ werden genannt. Die drei Todesfälle gab es laut RKI in NRW, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg.
Im Jahr 2018 sterben zwei Menschen – mutmaßlich durch den Verzehr keimbelasteter Wurst des Wurstherstellers Wilke. Was die Behörden wann wussten – und welche Schritte sie eingeleitet haben:
Das Verwaltungsgericht Kassel hat am Freitag einen Eilantrag von Foodwatch abgelehnt. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch aus dem Verbraucherinformationsgesetz treffe nicht zu, zudem sei eine Voraussetzung, dass dem Landkreis alle Abnehmer von Wilke-Produkten vorliegen. Dem Landkreis liege jedoch lediglich eine Übersicht über die Direktkunden der Firma vor und keine Liste mit den gesamten Verkaufsstellen aller Einzelhändler, so das Gericht.
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