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Irres Durcheinander nach U-Bahn-Sperrung: Münchner Busfahrer fällt schier vom Glauben ab - Video zeigt chaotische Szenen

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SEV-Ärger in München: Der Start einer wochenlangen Maßnahme ist in Chaos ausgeartet. Ein Busfahrer schildert schockierende Szenen - auch in Bezug auf Corona.

Update, 16. Juli. 16.10 Uhr: Der Schienenersatzverkehr wird noch einige Zeit andauern. Mit welchen Problemen die Fahrgäste, Busfahrer und auch die Radfahrer deshalb zu kämpfen haben, zeigt ein Video. 

In diesem Sommer spielt sich das Nachtleben in München im Freien ab. Am Gärtnerplatz zeigen sich die damit einhergehenden Probleme wie unterm Brennglas.

Irres Chaos nach U-Bahn-Sperrung: Münchner Busfahrer fällt vom Glauben ab - „Jeder Virologe würde ausflippen“

München - Für Tausende Pendler heißt es in den kommenden Wochen Bus statt U-Bahn fahren: Wegen Schienenarbeiten verkehren im Spätsommer 2020 zwischen Münchner Freiheit und Universität wochenlang keine Züge. Begonnen hat die Bauphase am Montag (13. Juli) - und kurz nach dem Start gibt es Beschwerden

Die Züge enden an der Münchner Freiheit, beziehungsweise an der Universität. Von dort aus heißt es für die Fahrgäste umsteigen. Zehn Wochen lang soll der Schienenersatzverkehr dauern. Bereits kurz nach dem Start gab es Berichte, dass der gesamte Gehweg (inklusive Radweg) von Pendlern besetzt war*, die in die Busse umsteigen wollten - ein Verkehrschaos

Totales SEV-Chaos nach U-Bahn Vollsperrung in München: Radfahrerin schildert täglichen Kampf

Eine Münchner Radfahrerin schildert der Redaktion ihre Erlebnisse auf dem Weg zur Arbeit. „Die Busse sind morgens und abends in der Berufsverkehr-Rushhour überfüllt. Wenn alle aussteigen, landen viele auf dem Radweg. An den Bushaltestellen vorbei gibt es dann kein Durchkommen mehr“, so die Radlerin, die anonym bleiben möchte. Für Radfahrer herrsche „totales Chaos“. Am Montagabend sei die Leopoldstraße von Siegestor bis zu Giselastraße „quasi dicht“ gewesen. Der Verkehr stand auf der Straße. „Ich habe das Gefühl, dass die Radwege seit der Sperrung noch voller sind, weil mehr Menschen aufs Rad ausweichen“, sagt die Münchnerin. 

Die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) zog nach der Sperrung jedoch eine positive Bilanz. Der erste Tag sei „gut gelaufen“. Der Ersatzverkehr laufe „stabil“, so ein Sprecher. 

MVG-Chaos in München: Busfahrer schildert erschreckende Zustände - „Jeder Virologe würde ausflippen“

Weitaus weniger zufrieden zeigt sich auch ein Busfahrer, der sich ebenfalls anonym an die Redaktion wandte. Dass alles gut gelaufen sei, müssten die Verantwortlichen schließlich sagen - alles andere wäre eine „Bankrotterklärung“, heißt es in seinem Schreiben. 

Der Fahrer klagt nicht nur über aggressive Fahrgäste. Die Passagiere würden zudem eng gedrängt in den Bussen stehen - die Fahrzeuge seien überlastet. „Dass wir Fahrer uns damit strafbar machen, ist unserer Führung egal. Hauptsache, die blauen Busse rollen“, schreibt er. Besonders problematisch sei dabei auch die Einhaltung der Corona-Regeln. „Jeder Virologe würde ausflippen, wenn er das sehen würde“, schildert der Fahrer die Zustände. Es gehe zu „wie auf dem Ballermann“. Rund ein Drittel der Fahrgäste würde im Gedränge außerdem die Maskenregeln ignorieren. 

An einem U-Bahnhof in München ist es zu früher Stunde zu einem Einsatz der Feuerwehr gekommen. Angestellte einer Bäckerei hatten Alarm geschlagen.

SEV in München an U6/U3: Fahrgäste lassen Ärger an MVG-Busfahrer aus - Schockierende Szenen

Zusätzlich zu dieser schwierigen Situation seien laut dem Fahrer auch die Zeitvorgaben für die SEV-Strecke utopisch. Geplant seien vier Minuten für die Fahrt zur Münchner Freiheit. In der Realität würde es allerdings bis zu 25 Minuten dauern. Beispielsweise in der Leopoldstraße würden parkende Autos ein Problem darstellen. 

Unter diesen Umständen Pausen einzulegen - etwa für einen Gang zur Toilette - sei für die Fahrer nicht machbar. „Geht nicht, weil wir durch Verspätung durchfahren müssen“, schildert er die Situation. Die Anklage geht noch weiter: die MVG-Geschäftsführer hätte den Fahrern untersagt, sich zu wehren. Der SEV sei für die Fahrer „purer Stress mit acht Stunden an höchster Konzentration - mehr als im normalen Liniendienst“, heißt es weiter.

Der Busfahrer berichtet von schlimmen Szenen, die er erleben musste: 

„Ein Fahrgast hat mich mit Bier voll geschüttet, weil ihm die Haltestelle ,Siegestor‘ vom U-Bahn-Abgang zu weit weg sei - das sind 20 Meter. Ich ,dummes Schwein‘ solle vor den Abgang fahren.“ 

Das sei noch nicht alles gewesen. 

„Eine andere Dame hat mir eine Tüte mit Fast-Food-Müll gegen die Windschutzscheibe geworfen, weil ich nicht direkt an der Münchner Freiheit gehalten habe - weil wir da eben den Anstieg an der Behelfshaltestelle haben.“

Auch seine Kollegen hätten mit der Situation und dem extremen Stress zu kämpfen: „Ein Kollege musste sich übergeben gegen Mitternacht - weil er nervlich am Ende gewesen ist“, schreibt er. 

München: SEV wegen Schienenarbeiten - Gemischte Eindrücke auf MVG-Facebook-Seite

Fahrgäste äußerten sich auf der Facebook-Seite gemischt über den Anlauf des Schienenersatzverkehrs. „Bin heute bereits Schienenersatzverkehr gefahren - hat prima geklappt“, schreibt ein User unter ein MVG-Posting zu den Ersatzbussen

Andere Stimmen sind dagegen kritisch: „Ihr müsst unbedingt die Radwege an beiden Endstationen umleiten!! Das gab heute Morgen echt gefährliche Szenen, als alle erst in und später aus dem Bus stürmten!!“, lautete ein anderer Kommentar von Montag. Ein anderer User ergänzt: „Was man von den Bussen sieht, ist erschreckend. Abstand halten nicht möglich. Bitte diese Sperrung so kurz wie irgend möglich halten, dann muss eben jetzt Tag und Nacht gearbeitet werden.“ Auch auf Twitter ist das Verkehrschaos Thema zahlreicher Posts. „SEV auf U3/U6. Alle Fahrgäste genervt und gestresst“, heißt es in einem Posting. Am Mittwochnachmittag kam es außerdem zur Beeinträchtigung mehrerer Trambahnlinien am Münchner Hauptbahnhof, viele Passanten reagierten verärgert, als sie den Grund dafür erfuhren

Auf Nachfrage äußerte sich die Münchner Verkehrsgesellschaft zu den Vorwürfen. Man könnte diese „in dieser Formen nicht nachvollziehen“ - sie seien „teilweise haltlos“, erklärte ein Sprecher. (nema)

SEV-Chaos an Münchner Freiheit: Die MVG-Stellungnahme im Wortlaut

Der Ersatzverkehr (SEV) ist so dimensioniert, dass er die zu erwartende Nachfrage abdeckt. Wir setzen 15 Buszüge und Gelenkbusse ein, die in der Regel alle zwei Minuten an den Haltestellen abfahren. Unsere Beobachtungen, Testfahrten und Zählungen haben gestern und auch heute bestätigt, dass die Kapazität ausreichend ist und es in der Regel nicht zu Überlastungen kommt. Wir haben zudem Personal vor Ort, um den SEV am Laufen zu halten und zu steuern. Ampelschaltungen wurden extra für den Busverkehr modifiziert, um den Betrieb möglichst flüssig zu gestalten.

Gleichwohl ist – wie auch im Regelbetrieb an anderer Stelle – nicht auszuschließen, dass einzelne Busse voller sind als andere. Hier bitten wir insbesondere auch unsere Fahrgäste um Mithilfe: Wenn ein Fahrzeug bereits gut besetzt ist, sollten Kunden den nächsten Bus nehmen, der meistens schon bereitsteht oder in Sichtweite ist. Wenn laufend Fahrgäste nur in den ersten Bus einsteigen, können die automatisch gesteuerten Türen nicht schließen (Lichtschranke!) – und der Bus kommt nicht vom Fleck.

Wegen Corona ist im ÖPNV eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Daran kann und muss sich jeder Fahrgast halten, um sich und andere zu schützen. Dies ist Pflicht und gilt für alle. Sie wurde – wie auch öffentlich kommuniziert – eingeführt, da sich das Abstandsgebot mit dem Wiederhochfahren des öffentlichen Lebens im ÖPNV nicht mehr überall einhalten lässt. Durch die große Anzahl der eingesetzten Busse, haben Fahrgäste die Möglichkeit, ohne lange Wartezeit auf den nächsten Bus auszuweichen. Für viele Kundinnen und Kunden bieten sich zudem alternative Umfahrungsmöglichkeiten an. Darauf haben wir bereits im Vorfeld umfangreich aufmerksam gemacht – und auf www.mvg.de/freiheit übersichtlich zusammengestellt.

Die Behauptungen bezüglich Toilettenpausen entbehren jeder Grundlage. Selbstverständlich hat jeder Fahrer die Möglichkeit, in Absprache mit unserem Aufsichtspersonal vor Ort bzw. der Leitstelle eine Toilette aufzusuchen. Bei Bedarf wird der Fahrer auch für eine Runde abgelöst. Die genannte Anweisung gibt es nicht. Das ist Unsinn.

Einige Zeit später mussten Pendler an anderer Stelle Geduld mitbringen: Auf der S-Bahn-Stammstrecke kam es zu Verzögerungen und Zugausfällen.

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