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Tschernobyl brennt: Radioaktive Wolken „könnten auch Deutschland treffen“ - Wie ernst ist die Lage wirklich?

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Rund um das radioaktiv verseuchte Sperrgebiet von Tschernobyl sind Brände ausgebrochen. Radioaktive Wolken gelangten bereits in die Atmosphäre. Wie ernst ist die Lage für Deutschland?

Update vom 22. April 2020: Im Kampf gegen die Brände in der radioaktiv belasteten Sperrzone rund um das Atomkraftwerk Tschernobyl unterstützen nun auch Nationalgarde und Armee die Einsatzkräfte der ukrainischen Feuerwehr. Bereits seit mehr als zwei Wochen wüten in dem Gebiet im Norden der Ukraine die Flammen. Wie der Katastrophenschutz in der ukrainischen Hauptstadt Kiew mitteilte, waren am Mittwoch mehr als 1200 Menschen im Einsatz. Demnach gab es fünf bekannte Schwelbrände

Die Behörden versicherten wiederholt, dass die Radioaktivität in den angrenzenden besiedelten Regionen unter den Grenzwerten liege. Jedoch wird durch die Feuer in dem verseuchten Gebiet radioaktives Material aufgewirbelt. Zuletzt warnte die Ärzteorganisation zur Verhinderung eines Atomkrieges vor einer radioaktiven Wolke über Europa. Bisher ist laut ukrainischen Behördenangaben eine Fläche von mehr als 11.500 Hektar verbrannt. Die Umweltorganisation Greenpeace ging allerdings von einer mehr als viermal so großen Fläche aus. 

In den vergangenen Jahren kam es wiederholt zu Feuern in den unbesiedelten Gebieten der Sperrzone. Oft wird als Ursache Brandstiftung vermutet. In ukrainischen Medien wird immer wieder vermutet, dass die Brände zum Vertuschen illegaler Abholzungen in der Sperrzone gelegt wurden. Zumindest eine Nachricht stimmt aber hoffnungsvoll: Am kommenden Wochenende werden nun Regenfälle erwartet.

Brand um Tschernobyl: Flammen lodern seit mehr als zwei Wochen - Furcht vor radioaktiven Wolken

Erstmeldung vom 21. April 2020: 

Tschernobyl - Im ukrainischen Tschernobyl lodert seit nunmehr zwei Wochen ein Feuer - ausgerechnet an dem Ort, der 1986 durch die folgenschwere Nuklearkatastrophe traurige Berühmtheit erlangte. 

Die unrühmliche Geschichte der Stadt nahe der ukrainisch-weißrussischen Grenze sorgt nun auch dafür, dass die Folgen der Brände weitaus schwerwiegender sein könnten als bei einem „normalen“ Feuer.

Brand um Tschernobyl: Radioaktiv verseuchte Wolken erreichen Kiew

Denn das Gebiet ist weiterhin radioaktiv belastet und in der Region gebe es trotz erneuter Aufstockung der Einsatzkräfte weiterhin sechs Schwelbrände. Mittlerweile versuchen 1.400 Feuerwehrleute die Brandherde in der Sperrzone zu löschen. Vollauf gelungen ist es ihnen noch nicht.

Aus diesem Grund stellt sich die Frage nach den Auswirkungen des Brandes, der mutmaßlich von Menschen ausgelöst wurde, die ihren Müll verbrennen wollten. Denn die Rauchwolken haben inzwischen die rund 100 Kilometer entfernte Hauptstadt Kiew erreicht. Gelangt die radioaktive Luft also weiter in Umlauf und wird zum echten Problem?

Die Satellitenaufnahme zeigt einen Blick auf Rauchwolken eines Waldbrands in der Sperrzone um das stillgelegte Atomkraftwerk Tschernobyl
Die Satellitenaufnahme zeigt einen Blick auf Rauchwolken eines Waldbrands in der Sperrzone um das stillgelegte Atomkraftwerk Tschernobyl © dpa / -

Tschernobyl brennt: Radioaktive Rauchwolken „könnten auch Deutschland treffen“

Die internationale Ärzteorganisation zur Verhinderung eines Atomkriegs (IPPNW) warnt zumindest vor einer Verharmlosung der Lage. Es gebe bereits radioaktive Wolken über der Ukraine. „Bei ungünstiger Wetterlage* und Windrichtung könnte auch der Rest Europas, könnte auch Deutschland von den radioaktiven Wolken betroffen sein“, wie Alex Rosen, Co-Vorsitzender der IPPNW, erklärt. Stark verdünnte Rauchschwaden hätten bereits andere Teile Europas erreicht. 

Feine Messungen hätten einen Anstieg bei den Werten des radioaktiven Isotops Cäsium-137 gezeigt. Die gemessenen Strahlenwerte seien bislang zwar „keine relevante Gefahr für die Bevölkerung“, sagte Rosen, es könnten aber auch deutlich stärker verseuchte Teile der Sperrzone in Brand geraten, sofern das Feuer nicht bald unter Kontrolle gebracht werden könne

Tschernobyl: Brände in verseuchtem Gebiet - wie ernst ist die Lage für Deutschland?

Droht Deutschland also tatsächlich die Ankunft einer Atom-Wolke? Zu den möglichen Folgen für die Bundesrepublik äußerte sich auch das Bundesamt für Strahlenschutz und erklärt: „In der Sperrzone haben sich große Teile der 1986 bei dem Unfall freigesetzten radioaktiven Stoffe im Boden abgelagert und liegen dort noch immer. Bei einem Brand können diese Stoffe wieder freigesetzt werden - müssen aber nicht.“

Dies hänge „von verschiedenen Parametern ab, vor allem von der Temperatur des Feuers und den Eigenschaften der radioaktiven Stoffe.“

Das Bundesamt fasst daher zusammen: „Durch Waldbrände in kontaminierten Gebieten können radioaktive Stoffe in die Atmosphäre freigesetzt werden und sich ausbreiten.“ 

Brände in Tschernobyl: Bundesamt für Strahlenschutz sieht aktuell keine Gefahr für Deutschland

Dass die radioaktiven Wolken bis nach Deutschland gelangen, müsse nach aktuellem Stand nicht befürchtet werden, was mit den aktuellen Wetter-* und den für Europa günstigen Windverhältnissen* begründet wird. Sollte es schließlich dazu kommen, dass der Wind drehe, befänden sich die in Deutschland gemessenen Werte zudem auch weiterhin „wahrscheinlich unterhalb der Nachweisgrenze“, sodass die Brände in Tschernobyl nach aktuellem Stand keine Gefahr für Deutschland darstellen würden.

Bereits seit Oktober wüteten in Australien mehrere Monate heftige Buschbrände*. Diese sind mittlerweile wieder gelöscht - was es nun auch für Tschernobyl zu hoffen gilt.

*merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks

as/dpa

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