Aus diesem Grund stellt sich die Frage nach den Auswirkungen des Brandes, der mutmaßlich von Menschen ausgelöst wurde, die ihren Müll verbrennen wollten. Denn die Rauchwolken haben inzwischen die rund 100 Kilometer entfernte Hauptstadt Kiew erreicht. Gelangt die radioaktive Luft also weiter in Umlauf und wird zum echten Problem?
Die internationale Ärzteorganisation zur Verhinderung eines Atomkriegs (IPPNW) warnt zumindest vor einer Verharmlosung der Lage. Es gebe bereits radioaktive Wolken über der Ukraine. „Bei ungünstiger Wetterlage* und Windrichtung könnte auch der Rest Europas, könnte auch Deutschland von den radioaktiven Wolken betroffen sein“, wie Alex Rosen, Co-Vorsitzender der IPPNW, erklärt. Stark verdünnte Rauchschwaden hätten bereits andere Teile Europas erreicht.
Feine Messungen hätten einen Anstieg bei den Werten des radioaktiven Isotops Cäsium-137 gezeigt. Die gemessenen Strahlenwerte seien bislang zwar „keine relevante Gefahr für die Bevölkerung“, sagte Rosen, es könnten aber auch deutlich stärker verseuchte Teile der Sperrzone in Brand geraten, sofern das Feuer nicht bald unter Kontrolle gebracht werden könne
Droht Deutschland also tatsächlich die Ankunft einer Atom-Wolke? Zu den möglichen Folgen für die Bundesrepublik äußerte sich auch das Bundesamt für Strahlenschutz und erklärt: „In der Sperrzone haben sich große Teile der 1986 bei dem Unfall freigesetzten radioaktiven Stoffe im Boden abgelagert und liegen dort noch immer. Bei einem Brand können diese Stoffe wieder freigesetzt werden - müssen aber nicht.“
Dies hänge „von verschiedenen Parametern ab, vor allem von der Temperatur des Feuers und den Eigenschaften der radioaktiven Stoffe.“
Das Bundesamt fasst daher zusammen: „Durch Waldbrände in kontaminierten Gebieten können radioaktive Stoffe in die Atmosphäre freigesetzt werden und sich ausbreiten.“
Dass die radioaktiven Wolken bis nach Deutschland gelangen, müsse nach aktuellem Stand nicht befürchtet werden, was mit den aktuellen Wetter-* und den für Europa günstigen Windverhältnissen* begründet wird. Sollte es schließlich dazu kommen, dass der Wind drehe, befänden sich die in Deutschland gemessenen Werte zudem auch weiterhin „wahrscheinlich unterhalb der Nachweisgrenze“, sodass die Brände in Tschernobyl nach aktuellem Stand keine Gefahr für Deutschland darstellen würden.
Bereits seit Oktober wüteten in Australien mehrere Monate heftige Buschbrände*. Diese sind mittlerweile wieder gelöscht - was es nun auch für Tschernobyl zu hoffen gilt.
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as/dpa