Wie erwartet macht Corona die Evakuierung noch schwieriger als sonst. „Normalerweise werden vor so einem Mega-Zyklon Hunderte Menschen in Bussen und mit Lastwägen gemeinsam in große öffentliche Gebäude wie Schulen oder Turnhallen evakuiert“, erklärte Hilfekoordinator Felix Neuhaus von AWO International. „Unter Einhaltung der Abstandsregeln ist das jetzt aber kaum umsetzbar.“ Bereits vor dem Eintreffen des Zyklons hieß es bei der Hilfsorganisation Save the Children, die Menschen würden wohl nicht in erster Linie an Social Distancing denken, wenn es darum gehe, sich in Sicherheit zu bringen.
Erstmeldung vom 20. Mai, 11.07 Uhr:
Neu-Delhi/ Dhaka - Windgeschwindigkeiten von bis zu 185 km/h, bis zu 15 Meter hohe Wellen und viel Regen - das droht mehr als zwei Millionen Menschen derzeit in Indien und Bangladesh. Zyklon „Amphan“ bewegt sich auf die beiden Länder zu und ist laut Angaben des indischen meteorologischen Diensts einer der schlimmsten Stürme der Region in den vergangenen 20 Jahren. Die gefährdeten Menschen sollen nun in Notunterkünfte gebracht werden.
Laut Wettervorhersagen aus beiden Ländern soll der Sturm am Mittwochnachmittag (Ortszeit) auf das Festland zwischen dem ostindischen Bundesstaat Westbengalen und Bangladesch treffen. Erste Bilder sind bereits am Mittwochvormittag mitteleuropäischer Zeit im Internet zu sehen gewesen - und sie zeigen bedrohliche Zustände.
Vom Wirbelstrum betroffen sein sollen unter anderem dicht besiedelte Städte wie Kolkata (15 Millionen Einwohner), Küstenregionen mit zahlreichen schlecht gebauten Hütten und das Rohingya-Flüchtlingslager mit mehr als einer Million Bewohnern. Zudem gehen Behörden beider Länder davon aus, dass Gleise, Straßen und Telekommunikationsmasten zerstört werden. Weil sie um ihr Hab und Gut fürchteten, hätten einige Menschen trotz der Gefahr nicht ihr Zuhause verlassen wollen.
Die große Evakuierung verkompliziert sich zusätzlich durch die Corona-Krise. Die Behörden von Indien und Bangladesh stellten eigenen Angaben zufolge noch mehr Notunterkünfte als sonst bei vergleichbaren Stürmen zur Verfügung, um für Abstand* zu sorgen. Derzeit würden etwa auch leerstehende Schulen oder Behördengebäude genutzt. Doch es sei schwierig gewesen, mehr Gebäude zu finden, da einige Notunterkünfte zurzeit als Quarantäne*-Gebäude oder temporäre Unterkünfte für gestrandete Wanderarbeiter dienten. In den Einrichtungen würden teils Masken* und Desinfektionsmittel* verteilt.
In einem Dorf in Westbengalen bereiten sich die Menschen auf den Zyklon vor, indem sie Schutzwälle bauen. „Wir füllen Sand in Säcke ab und bauen damit einen Damm, um das Meerwasser von unserem Ort abzuhalten“, erklärte ein Dorfbewohner am Vortag laut einem Tagesschau-Bericht TV-Journalisten der Nachrichtenagentur Reuters. Eine andere Dorfbewohnerin erzählte, dass sie in eine Sammelunterkunft geflüchtet ist, weil sie „nicht voller Angst mitten im Sturm in unserem Haus bleiben“ wollte.
Der Super-Zyklon sei gerade jetzt eine doppelte Herausforderung, sagte S.N. Pradhan, Leiter des nationalen Katastrophenschutzes in Indien, laut dem Bericht der Tagesschau. „Zum ersten Mal müssen wir mit zwei Katastrophen zur gleichen Zeit umgehen. Die Infektionen durch das Coronavirus in Indien steigen immer noch an. Und jetzt kommt noch der Zyklon auf uns zu, inmitten der Covid-19-Krise.“
Im Golf von Bengalen kommen Wirbelstürme immer wieder vor und teils kosten sie viele Menschenleben und verursachen große Schäden. Im Jahr 1999 starben bei einem großen Zyklon rund 10.000 Menschen. Experten nehmen an, dass die Windstärke in den vergangenen Jahren wegen des Klimawandels tendenziell zugenommen hat. In den vergangenen Jahren waren die Opferzahlen aber generell kleiner, da es inzwischen mehr gute Notunterkünfte und Evakuierungspläne gibt.
In Deutschland anderen Teilen Europas trieb vor einigen Wochen ebenfalls ein Sturm sein Unwesen. „Sabine“ sorgte für zahlreiche Schäden und legte zeitweise weitflächig die Infrastruktur lahm. Doch mit dem Zyklon, der derzeit über Indien tobt, ist er wohl nicht zu vergleichen.
Übrigens: Worin sich Stürme, Zyklone und Orkane unterscheiden, lesen Sie ebenfalls bei Merkur.de*.
cia mit dpa-Material
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