Der Sprecher des Bundesinnenministeriums räumte ein, dass mit der Vorlage "eine ganze Reihe von Bedenken" verbunden sei. Für die Auswertung von Daten aus smarten Heimgeräten gebe es noch keine Rechtsgrundlage. Ausdrücklich verwies auch er auf Datenschutzbedenken. Bei der Vorlage für die IMK handele es sich nur um einen "ersten Einstieg in die Diskussion".
Das Bundesjustizministerium mahnte die Bürger zu einem bewussten Umgang mit solchen Geräten. Jeder, der Alexa oder andere Sprachassistenten in seiner Wohnung nutze, müsse wissen, "dass natürlich immer die Gefahr besteht, dass jemand mithört und Daten generiert werden", sagte ein Ministeriumssprecher. "Sie können in vielerlei Hinsicht verwendet werden und theoretisch auch von Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmt werden."
Update vom 12. April: Seit Donnerstag ist offiziell bekannt: Mitarbeiter des Online-Riesen Amazon hören teils Sprachbefehle an, die seine Kunden der Sprachassistentin „Alexa“ geben (siehe unten) - doch es kommt noch dicker. Wie das ARD- Magazin „Kontraste“ berichtet, hat teils auch der US-Geheimdienst NSA Zugriff auf die Daten. Und das Innenministerium von Horst Seehofer (CSU) schickt sich an, BND und Verfassungsschutz gleiches zu ermöglichen.
Ein Reformentwurf aus dem Ministerium war Ende März von der Plattform netzpolitik.org veröffentlicht worden. Er sieht unter anderem vor, von Amazon „automatisierte“, technische Zugänge für die Nachrichtendienste zu verlangen. Mit anderen Worten: Was „Alexa“ hört, kann dann unter Umständen auch der Staat gegen die Nutzer verwenden.
Gespeichert werden von Amazon offenbar sowohl Mitschnitte als auch Textfassungen. Die Daten müssen sich dem Bericht zufolge in der Praxis nicht nur auf die konkreten User-Befehle beschränken. „Wenn das Aktivierungswort gesagt wird, dann wird halt angefangen aufzuzeichnen und man wartet jetzt auf ein natürliches Ende. Aber wenn dieses Ende für die Software nicht erkennbar ist, dann wird halt viel mehr aufgenommen“, erklärte Norbert Pohlmann, Experte für Informationssicherheit.
Experten zeigen sich alarmiert. Gerhart Baum, ehemaliger Innenminister, warnte im Gespräch mit dem TV-Magazin: "Mit Alexa holen Sie sich den Lauschangriff sozusagen in die Wohnung. Das müssen die Leute sich mal vor Augen führen. Sie tauschen ihre Menschenwürde ein gegen ihre Bequemlichkeit."
Dass es sich nicht um ein unrealistisches Szenario handelt, zeigt ein weiteres Recherche-Ergebnis von „Kontraste“. Offenbar hatten die deutschen Ermittler - nicht die Geheimdienste - im Fall des Attentats von München versucht, von Amazon Daten über Aufzeichnungen „Alexas“ in der Wohnung eines Mannes zu erhalten, über dessen Forum Darknet Waffen gehandelt wurden. Ein Durchsuchungsbeschluss lag dem Bericht zufolge bereits vor - wurde aber nicht vollstreckt, da ohnehin genügend Beweise gegen den Mann vorlagen.
Ebenfalls brisant: Eine Anfrage der Linke-Abgeordneten Martina Renner, ob die deutschen Geheimdienste „Alexa“ und Co. als Abhörvorrichtung verwenden können, beantwortete die Bundesregierung nicht - unter Verweis auf das „Staatswohl“. Auch als Verschlusssache könnten die Informationen nicht herausgegeben werden, hieß es. Es drohe die Gefahr, dass die Nachrichtendienste die Fähigkeit zur Nutzung der Abhörmöglichkeit verlieren, wenn diese bekannt wird. Dann wäre „kein Ersatz durch andere Instrumente möglich“.
„Offenbar lauschen deutsche Geheimdienste bei den Lautsprechern und Sprachassistenten mit“, folgert Renner auf ihrer Homepage - der „Überwachungsstaat“ wandele „auf den Wegen der Überwachungskonzerne“.
Seattle - Amazon lässt zum Teil Mitarbeiter aufgezeichnete Befehle von Nutzern an seine Assistenzsoftware Alexa anhören und abtippen, um die Spracherkennung zu verbessern. Der Konzern bestätigte die Vorgehensweise am Donnerstag dem Finanzdienst Bloomberg. „Wir versehen nur eine sehr geringe Auswahl an Alexa-Sprachaufnahmen mit Kommentaren, um das Kundenerlebnis zu verbessern.“
Bloomberg zufolge wird diese Arbeit an diversen Standorten rund um die Welt erledigt, unter anderem in Boston, Costa Rica, Indien und Rumänien. Laut zwei Mitarbeitern in Bukarest schlagen sie dort pro Schicht bis zu 1000 Mitschnitte um. Ein Mitarbeiter aus Boston sagte, er habe zum Beispiel Aufzeichnungen mit den Worten „Taylor Swift“ analysiert und sie mit der Anmerkung versehen, dass die Nutzer die Sängerin meinten.
„Beschäftigte haben keinen direkten Zugang zu Informationen, durch die eine Person oder ein Account bei diesem Verfahren identifiziert werden können“, betonte Amazon in der Stellungnahme an Bloomberg. Der Finanzdienst berichtete zugleich, auf einem Screenshot zu einem solchen Transkriptions-Auftrag seien eine Account-Nummer, der Vorname des Nutzers sowie die Seriennummer des Geräts aufgeführt gewesen. Der Konzern erklärte, alle Informationen würden streng vertraulich behandelt und es werde mit Zugangseinschränkungen und Verschlüsselung gearbeitet.
Aus Amazons Informationen zu Alexa geht bisher nicht explizit hervor, dass unter Umständen auch Menschen die Aufzeichnungen anhören könnten. „Zum Beispiel verwenden wir Ihre Befehle an Alexa, um unsere Systeme zur Spracherkennung und zum Verstehen natürlicher Sprachen zu trainieren“, heißt es lediglich in Fragen und Antworten auf einer Amazon-Seite. Zugleich können Nutzer in den Einstellungen der Nutzung ihrer Aufnahmen zur Weiterentwicklung des Dienstes widersprechen.
Von Amazon gab es am Donnerstag zunächst keine weiteren Stellungnahmen über die Erklärung an Bloomberg hinaus. Auch die Konkurrenten Apple und Google äußerten sich zunächst nicht zur Anfrage, ob sie auf eine ähnliche Vorgehensweise bei ihren Assistenten Siri und Google Assistant zurückgreifen. Verbraucherschützer hatten ohnehin Datenschutzmängel bei den gängigen Sprachassistenten gerügt.
Unterdessen gibt es eine kuriose Anekdote von den Sprachassistenten zu berichten: Siri fiel einem Wetter-Moderator live im TV ins Wort - und widersprach seiner Vorhersage. Erst Anfang März hat Amazon ein beliebtes Produkt aus dem Sortiment genommen - in Deutschland hatten Richter zuvor geurteilt, der technische Helfer widerspreche den Gesetzen zum Online-Handel. Ärger brachte dem Versandriesen auch eine TV-Doku. In ihr war von „Gefahren für Leib und Leben“ durch Amazon-Produkte die Rede.
dpa/fn
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