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BGH: VW muss Diesel-Klägern Finanzierungskosten erstatten

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Abgasskandal
Die Schadenersatz-Ansprüche von Diesel-Besitzern im Abgasskandal gegen VW umfassen auch die zusätzlichen Kosten für eine Ratenfinanzierung des Autos, entschied der Bundesgerichtshof. © Patrick Pleul

Betroffene des Abgasskandals können vielfach ihr Auto zurückgeben, müssen sich aber die Nutzung anrechnen lassen. Was aber, wenn ihnen durch eine Ratenfinanzierung Extra-Kosten entstanden sind?

Karlsruhe (dpa) - Die Schadenersatz-Ansprüche von Diesel-Besitzern im Abgasskandal gegen VW umfassen auch die zusätzlichen Kosten für eine Ratenfinanzierung des Autos.

Betroffene seien grundsätzlich so zu stellen, als ob sie das Fahrzeug nie gekauft hätten, urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am Dienstag. Das schließe ein, dass sie den Kauf nie mit einem Darlehen der VW Bank finanziert hätten. Volkswagen muss Diesel-Klägern in dieser Konstellation daher die Finanzierungskosten in voller Höhe erstatten. (Az. VI ZR 274/20)

Laut VW hat das Urteil Auswirkungen auf eine vierstellige Zahl von Verfahren. Dabei gehe es um durchschnittlich 2000 Euro.

Die obersten Zivilrichter des BGH hatten vor knapp einem Jahr entschieden, dass der Wolfsburger Autobauer seine Kunden mit dem Skandalmotor EA189 systematisch getäuscht hat: Hätten sie gewusst, dass die Diesel-Autos viel mehr Schadstoffe ausstießen als auf dem Prüfstand messbar, hätten sie sich vermutlich für ein anderes Fahrzeug entschieden. In den meisten Fällen haben Kläger deshalb das Recht, ihr Auto zurückzugeben. Sie bekommen aber nicht das komplette Geld wieder, sondern müssen sich die Nutzung anrechnen lassen. VW hat sich seither mit Zehntausenden Kunden auf einen Vergleich geeinigt.

In dem Fall, der jetzt entschieden wurde, war noch offen, was mit den Finanzierungskosten ist. Die Klägerin hatte etwa 3275 Euro in Darlehenszinsen und eine Kreditausfallversicherung gesteckt. Laut BGH muss VW ihr dieses Geld ohne Abzüge erstatten. Der Frau sei durch die Finanzierung kein Vorteil entstanden, der zu berücksichtigen sei. Die Richter bestätigten damit ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln.

Die Kanzlei Baumeister Rosing, die nach eigenen Angaben das Verfahren geführt hat, erklärte, das Urteil sei «für Schadensersatzforderungen bei finanzierten Fahrzeugen von enormer Bedeutung».

VW sprach dagegen von einer Sonderkonstellation: «Das Urteil kann nicht auf alle finanzierten Fahrzeugkäufe übertragen werden.» Die «allermeisten Kunden», die ihr Fahrzeug über die Konzernbanken finanziert hätten, hätten ein verbrieftes Rückgaberecht vereinbart. Das bedeutet, dass das Auto bei Fälligkeit der Schlussrate zu einem anfangs festgesetzten Preis an den Händler zurückgegeben werden kann. Dazu habe sich der BGH nicht geäußert. VW geht davon aus, dass in dieser Konstellation den Kunden kein Schaden entstanden sei.

Der ADAC sieht Verbraucherrechte gestärkt: «Finanzierungskosten sind Teil der Gesamtkosten und müssen daher mitentschädigt werden», erklärte Markus Schäpe, Leiter der Juristischen Zentrale.

© dpa-infocom, dpa:210413-99-188930/2

BGH-Mitteilung zu dem Urteil

Urteil des OLG Köln vom 19. Februar 2020

Grundsatz-Urteil des BGH zu VW vom 25. Mai 2020

BGH-Mitteilung dazu

BGH-Urteil vom 30. Juli 2020 zu Zinsen und Vielfahrern

BGH-Urteil vom 30. Juli 2020 zu Schadenersatz von VW

BGH-Urteil vom 30. Juli 2020 zu Deliktszinsen

BGH-Urteil vom 30. Juli 2020 zum Kauf ab Herbst 2015

BGH-Urteil vom 8. Dezember 2020 zu Konzernmarken

BGH-Urteil vom 17. Dezember 2020 zur Verjährung

BGH-Urteil vom 8. März 2021 zur Haftung von Audi

BGH-Beschluss vom 9. März 2021 zum Software-Update

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