Ankara/München - Der Türkei droht zum Ausklang eines ohnehin unruhigen Jahres die nächste Geld-Krise. Am vierten Adventssonntag schwächelte die heimische Währung gehörig, der Wechselkurs im Vergleich zum US-Dollar lag am Abend bei knapp 5,94 Lira. Damit lag die Sechs-Dollar-Marke bedrohlich nahe. Seit Jahresbeginn ist die Lira im Vergleich zur US-Währung damit um acht Prozent abgewertet worden. Im November hätte es für einen US-Dollar noch 5,70 Lira gegeben.
Hintergrund der jüngsten Entwicklung ist ein in den Vereinigten Staaten verabschiedetes Verteidigungsgesetz. Das größte in der Geschichte des Landes, wie Donald Trump betont. Der US-Präsident unterzeichnete den vom Senat durchgewunkenen Beschluss am Wochenende. Mit dem Schriftstück wurde nicht nur die Space Force ins Leben gerufen, sondern dem Herrn des Weißen Hauses zufolge auch neue Flugzeuge, Schiffe, Flugkörper, Raketensysteme und weiteres Material für die Streitkräfte in Aussicht gestellt - alles „made in USA“ versteht sich. Zudem - für den Republikaner besonders wichtig - stehe die Finanzierung der Grenzmauer zu Mexiko, eines seiner großen Wahlversprechen.
Das neue Gesetz für den Militärhaushalt beinhaltet aber eben auch einen wichtigen Passus zur Türkei. Denn an Ankara dürfen fortan keine F-35-Kampfjets mehr verkauft werden. Die Anleger reagierten verunsichert.
Zwischen beiden Ländern gab es zuletzt nicht nur Unstimmigkeiten im Syrienkonflikt, sondern auch über den Erwerb von russischen Flugabwehrsystemen des Typs S-400 durch die Türkei. Washington befürchtet, dass der dazugehörige Radar auf die US-Jets eingestellt werden könnte und diese damit ein leichteres Ziel für die Waffen aus Russland darstellen würden.
Recep Tayyip Erdogan muss sich also etwas einfallen lassen, will er nicht sehenden Auges in die nächste Finanzkrise schlittern. In Richtung USA drohte er schon damit, den Zugang zu einem strategisch wichtigen Luftwaffenstützpunkt im Süden der Türkei zu untersagen.
Und innenpolitisch? Da gibt der starke Mann vom Bosporus den Druck durch die Lira-Abwertung direkt an die türkische Notenbank weiter. Erdogan fordert eine Senkung des Leitzinses, der binnen eines halben Jahres bereits von 24 auf zwölf Prozent herabgestuft wurde. Für das Jahr 2020 solle „diese gleiche Entschlossenheit“ an den Tag gelegt werden. Dafür war erst im Sommer Notenbank-Chef Murat Cetinkaya durch seinen Stellvertreter Murat Uysal ersetzt worden. Der neue Mann auf dem Chefsessel steht wie Erdogan für eine lockerere Geldpolitik.
Vom Staatschef wurde bereits eine Senkung des Leitzinses in den einstelligen Prozentbereich ins Gespräch gebracht. Womit wiederum der schwächelnden Währung ein Bärendienst erwiesen werden könnte. Denn in der Folge könnten sich ausländische Investoren nach attraktiveren Standorten umschauen. Andererseits droht durch die Lira-Schwäche eine stärkere Inflation, die Rate ist in den vergangenen Monaten auf 9,26 Prozent gestiegen.
Es ist also eine höchst verzwickte Lage, in die die Türkei da gerade hineingerät. Immerhin droht wohl keine Eiszeit zwischen Erdogan und Trump. Dafür verstehen sich die beiden Alpha-Tiere einfach zu gut - wie zuletzt ein Termin im Weißen Haus unterstrich. Daran wird wohl auch das neue US-Gesetz nichts ändern.
Derweil sollen sich fast 60 deutsche Bundesbürger in türkischen Gefängnissen befinden - die Bundesregierung informierte sich über die dortigen Umstände. Ein von der Türkei als „Terrorkämpfer“ eingestufter junger Mann wurde nach München abgeschoben - und befindet sich hierzulande auf freiem Fuß. Erdogan sorgte auch für Aufsehen, als er einen Literaturnobelpreisträger als „Rassist“ und „Mörder“ beschimpfte.
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mg
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